Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. in Oswald und den Hofrat Mag. Pichler als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des M B, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. September 2024, W600 2298206 1/27E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein usbekischer Staatsangehöriger, stellte erstmals im Februar 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 16. August 2019 vollinhaltlich abgewiesen. Unter einem wurde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Usbekistan zulässig sei.
2 Am 16. August 2024 wurde der im Bundesgebiet verbliebene, keine Wohnsitzmeldung aufweisende und einen gefälschten slowakischen Personalausweis verwendende Revisionswerber aufgrund eines Festnahmeauftrages des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) festgenommen.
3Mit Bescheid des BFA vom selben Tag wurde über den Revisionswerber gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt.
4Am 17. August 2024 stellte der Revisionswerber im Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. In einem (dem Revisionswerber ausgehändigten) Aktenvermerk vom selben Tag hielt das BFA dazu fest, dass iSd § 76 Abs. 6 FPG Gründe zur Annahme bestünden, der Antrag auf internationalen Schutz sei (nur) zur Verzögerung der Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden.
5 Die gegen die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft ab Stellung des Folgeantrages auf internationalen Schutz am 17. August 2024 erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 2. September 2024 gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFAVG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG und § 76 Abs. 6 FPG als unbegründet ab, es stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFAVG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG und § 76 Abs. 6 FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlägen, und es traf diesem Ergebnis entsprechende Kostenentscheidungen. Schließlich sprach das BVwG noch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Begründend ging das BVwG soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren von Interessedavon aus, das BFA habe das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes und von Fluchtgefahr iSd § 76 Abs. 3 FPG, der nur durch Verhängung von Schubhaft begegnet werden könne, zu Recht bejaht, zumal der Revisionswerber die gegen ihn erlassene rechtskräftige Rückkehrentscheidung missachtet und untergetaucht sei, in Österreich keine maßgebliche soziale Verankerung aufweise und hier unter Verwendung eines gefälschten slowakischen Personalausweises (unrechtmäßig) erwerbstätig gewesen sei. Die Fortsetzung der Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft nach Stellung seines Folgeantrages auf internationalen Schutz sei vom BFA zu Recht darauf gestützt worden, dass der Folgeantrag ausschließlich zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei. Insbesondere hätte der Revisionswerber nämlich so das BVwG in der Entscheidungsbegründung schon seit Abweisung seines ersten Asylantrages, spätestens aber bei einer Einvernahme nach seiner Festnahme am 16. August 2024, im Rahmen derer er eine Verfolgung im Herkunftsstaat verneint habe, die Möglichkeit gehabt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Schließlich bejahte das BVwG noch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft, insbesondere auch mit Hinweis auf die für Staatsangehörige Usbekistans übliche Dauer des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates von ein bis drei Monaten.
7 In Bezug auf den Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFAVG führte das BVwG aus, dass Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf nach § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG (weiterhin) bestünden und auch weiterhin berechtigte Gründe für die Annahme vorlägen, dass der Folgeantrag auf internationalen Schutz ausschließlich zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 In dieser Hinsicht macht die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend und bringt vor, die Annahme des Vorliegens von Fluchtgefahr hätte nicht ohne persönliche Anhörung des Revisionswerbers getroffen werden dürfen, zumal Indizien dafür bestünden, dass ein Untertauchen nicht (mehr) beabsichtigt sei. Dies sei der Fall, weil sich der Revisionswerber schon mehr als zehn Jahre im Bundesgebiet aufhalte und daher Aussicht auf Erlangung eines Aufenthaltstitels bestehe. Weiters habe der Revisionswerber „eine gute Chance auf dem Arbeitsmarkt“ und verfüge über gute Deutschkenntnisse und einen gesicherten Wohnsitz.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht in allen Fällen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks erforderlich, um die konkrete Fluchtgefahr insbesondere im Hinblick auf eine mangelnde Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Fremdenbeurteilen zu können. Sie lässt sich vielmehr auch aus einem einschlägigen Vorverhalten ableiten (siehe etwa VwGH 18.12.2024, Ra 2024/21/0026, Rn. 11, mit Hinweis auf VwGH 23.5.2024, Ra 2021/21/0291, Rn. 13, mwN).
13 Dies war hier entgegen dem Standpunkt des Revisionswerbersder Fall: Das BVwG stützte sich für die Annahme einer Fluchtgefahr zu Recht auf die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG. Wie größtenteils bereits das BFA im Schubhaftbescheid wies das BVwG nämlich zutreffend darauf hin, dass der Revisionswerber eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung missachtet und sich dem Zugriff der Behörden dadurch entzogen habe, dass er sich ohne Wohnsitzmeldung und ohne familiäre Bindungen im Inland im Verborgenen gehalten habe und dabei unter Verwendung eines gefälschten Ausweises unrechtmäßiger Erwerbstätigkeit nachgegangen sei sowie im Stand der Schubhaft einen missbräuchlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Soweit die Revision darauf rekurriert, dass (sehr wohl) ein gesicherter Wohnsitz bestanden habe, ist dem entgegenzuhalten, dass der Revisionswerber in seiner Schubhaftbeschwerde selbst zugestand, an diesem Wohnsitz aufgrund falscher Identitätsangaben „als vermeintlicher Slowake“ gemeldet zu sein.
14Schon angesichts dieses, die mangelnde Vertrauenswürdigkeit und Ausreiseunwilligkeit des Revisionswerbers aufzeigenden, Vorverhaltens durfte das BVwG in vertretbarer Weise (weiterhin) vom Vorliegen von Fluchtgefahr ausgehen und das Ausreichen eines gelinderen Mittels verneinen (zum Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Fluchtgefahr und der Verhängung eines gelinderen Mittels vgl. etwa VwGH 18.12.2024, Ra 2023/21/0004, Rn. 15, mwN). Fallbezogen war es daher auch vertretbar, insoweit einen geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA VG anzunehmen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.
15Im Übrigen setzte sich das BVwG auch mit der Frage der Missbrauchsabsicht hinsichtlich des Folgeantrages gemäß § 76 Abs. 6 FPG ausreichend auseinander. Dabei verwies es zutreffend darauf, dass der Folgeantrag erst im Stande der Schubhaft gestellt worden war, obwohl dazu schon davor Gelegenheit bestanden hätte. In nicht zu beanstandender Weise nahm das BVwG bei dieser Beurteilung auch darauf Bedacht, dass sich die zur Antragsbegründung vorgetragenen Verfolgungsbehauptungen überwiegend mit den bereits dem ersten rechtskräftig abgewiesenen Antrag auf internationalen Schutz zugrunde gelegenen Behauptungen deckten.
16Schließlich wird auch mit dem nicht näher konkretisierten Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision, dem Revisionswerber sei aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer ein Aufenthaltstitel zu erteilen, nicht dargetan, dass es zur Beurteilung der Fluchtgefahr oder der Voraussetzungen der Aufrechterhaltung der Schubhaft nach § 76 Abs. 6 FPG noch einer weiteren Sachverhaltsklärung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedurft hätte.
17 Die Revision war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 30. September 2025