JudikaturVwGH

Ra 2024/20/0145 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. März 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des A F, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6/6-8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Jänner 2024, L510 2283698 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 28. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. April 2018 abgewiesen wurde. Zugleich wurde (unter anderem) eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde blieb erfolglos.

2 In der Folge stellte der Revisionswerber am 3. Februar 2022 einen Antrag auf Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. September 2022 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Unter einem wurde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei, und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Dieser Bescheid erwuchs am 2. November 2022 in Rechtskraft.

3 Am 4. November 2022 stellte der Revisionswerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und begründete diesen neben der Aufrechterhaltung der bisherigen Fluchtgründe auch mit seinem Austritt aus der islamischen Religionsgemeinschaft.

4 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23. November 2023 wurde dieser Antrag abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 AsylG“ erteilt, festgestellt, dass dem Revisionswerber kein Aufenthalt aus berücksichtigungswürdigen Gründen zukomme, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak festgestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision gegen den Entfall der Verhandlung.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob im Sinn des - hier maßgeblichen - § 21 Abs. 7 erster Satz BFA Verfahrensgesetz (BFA-VG) „der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ und die Durchführung einer Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:

11 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 24.1.2024, Ra 2023/20/0186, mwN).

12 Soweit der Revisionswerber auf seine Ausführungen in der Beschwerde verweist, ist nicht zu sehen, dass ein hinreichend substantiiertes Vorbringen vorgelegen wäre, aufgrund dessen die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung aus diesen Gründen nach den soeben dargelegten Kriterien nicht gerechtfertigt gewesen wäre.

13 In der Revision wird weiters geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe - zu den in der Zulässigkeitsbegründung angeführten Themen - eine „umfangreiche eigene Beweiswürdigung“ vorgenommen, die eine Verhandlung erfordert hätte.

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes löst das Aufzeigen weiterer, von der Verwaltungsbehörde nicht aufgegriffener und somit erstmals thematisierter Aspekte die Verhandlungspflicht nur dann aus, wenn damit die tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht bloß unwesentlich ergänzt werden (vgl. VwGH 29.12.2023, Ra 2023/20/0471, mwN).

15 Mit dem Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Religionsaustrittsbescheinigung beweiswürdigend auseinandergesetzt, wird eine solche wesentliche Ergänzung der tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht aufgezeigt, zumal der Revisionswerber bereits im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebracht hatte, dass er aus der islamischen Religionsgemeinschaft ausgetreten sei und die Behörde dieses Vorbringen auch in ihre Würdigung einbezogen hatte.

16 Wenn der Revisionswerber auch im Hinblick auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung eine wesentliche Ergänzung der beweiswürdigenden Erwägungen der Behörde durch das Bundesverwaltungsgericht rügt, ist diesem Vorbringen zwar zuzugestehen, dass die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes in der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK umfangreicher sind als jene der Behörde im Bescheid. Dass das Bundesverwaltungsgericht dabei seiner rechtlichen Beurteilung aber Feststellungen zugrunde gelegt hätte, die nicht von den bisherigen Angaben des Revisionswerbers getragen worden wären, ist weder zu sehen noch wird Derartiges in der Revision aufgezeigt. Vom Revisionswerber wird auch sonst nicht dargetan, dass das Bundesverwaltungsgericht von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien, wann von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden darf, abgewichen wäre (vgl. im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen etwa VwGH 23.11.2021, Ra 2021/20/0379, mwN).

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 28. März 2024

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