JudikaturVwGH

Ra 2024/18/0394 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision 1. des E G, 2. der G A, und 3. der E G, alle vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juni 2024, 1. L518 2290578 1/9E, 2. L518 2290576 1/8E und 3. L518 2290579 1/5E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige Aserbaidschans. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und Eltern der minderjährigen Drittrevisionswerberin. Sie stellten am 13. Juli 2023 Anträge auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheiden vom 6. März 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge jeweils sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass eine Abschiebung nach Aserbaidschan zulässig sei, (Spruchpunkt V.) und gewährte eine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die jeweils gegen die Spruchpunkte II. bis VI. der Bescheide erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Frist für die freiwillige Ausreise verlängert werde. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG soweit für das Revisionsverfahren relevantaus, es habe nicht festgestellt werden können, dass eine Rückkehr nach Aserbaidschan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK bedeuten würde. Der Erstrevisionswerber leide an rheumatoider Arthritis, welche bereits im Herkunftsland medikamentös behandelt worden sei und auch weiter behandelt werden könne. Es handle sich um keine schwerwiegende Erkrankung. Die Zweitund Drittrevisionswerberin seien gesund und würden keine Medikamente benötigen. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin hätten in Aserbaidschan gearbeitet und würden dort über eine gesicherte Existenzgrundlage und familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Zur Rückkehrentscheidung nahm das BVwG eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK vor und gelangte zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes überwiegen würden. Es sei davon auszugehen, dass die Betreuung, Erziehung und Beaufsichtigung der Drittrevisionswerberin durch ihre Eltern sichergestellt sei und sie durch diese sowie das umfangreiche verwandtschaftliche Auffangnetz nicht nur eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs, sondern auch im Hinblick auf ihre altersgerechten Bedürfnisse erfahren werde.

5 Mit Beschluss vom 16. September 2024, E 2699 2701/2024 10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat sie in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Die in der Folge eingebrachte außerordentliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das BVwG hätte sich inhaltlich damit auseinandersetzen müssen, dass die Drittrevisionswerberin angesichts der schwierigen auch wirtschaftlichen Situation als Mädchen sehr jung verheiratet werden bzw. sehr bald zu arbeiten beginnen müsse, wie etwa im Haushalt oder in der Landwirtschaft. Dass die Eltern am Wohlergehen ihrer Kinder prinzipiell interessiert seien, sei zwar vorauszusetzen, es sei jedoch nicht auszuschließen, „dass die schwierigen Umstände im Heimatland Situationen hervorrufen können, welche für Kinder, im gegenständlichen Fall, gerade für ein Mädchen benachteiligend sein können.“ Bei der Rückkehrentscheidung habe das BVwG das noch anhängige Verfahren des am 17. Mai 2024 geborenen jüngsten Kindes J G nicht berücksichtigt. Sein Verfahren auf internationalen Schutz sei derzeit im Beschwerdestadium und könne es im Sinne des Familienlebens und des Kindeswohls nur so sein, dass für die gesamte Familie inhaltlich eine einheitliche Entscheidung getroffen werde. Hätte das BVwG das Familienleben zum jüngsten Sohn J, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, berücksichtigt und sich mit der Situation von Kindern in Aserbaidschan hinreichend auseinandergesetzt und in seiner Entscheidung berücksichtigt, so wäre es zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, wo das Verfahren des jüngsten Kindes beim BVwG noch offen sei, zu einem inhaltlich anderslautenden Ergebnis gelangt.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10Mit dem spekulativen und vagen Revisionsvorbringen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Drittrevisionswerberin bei Rückkehr nach Aserbaidschan benachteiligt und jung verheiratet werde bzw. früh zu arbeiten beginnen müsse, zeigt die Revision keine reale Gefahr einer der Drittrevisionswerberin drohenden Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK auf, welche entgegen den Erwägungen des BVwG die Zuerkennung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird insoweit nicht dargetan.

11Zur Rückkehrentscheidung verweist die Revision zwar zutreffend darauf, dass am 17. Mai 2024 ein weiteres Kind (J G) geboren worden sei. Die (unbelegte) Behauptung, für dieses Kind sei beim BVwG ein offenes Beschwerdeverfahren anhängig, das vom BVwG bei der gegenständlichen Entscheidung nicht beachtet worden sei, entspricht nicht der Aktenlage. Vielmehr wurde dessen Antrag auf internationalen Schutz vom 4. Juni 2024 vom BFA rechtskräftig mit Bescheid vom 13. Juni 2024 abgewiesen und auch gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Eine Beschwerde wurde nicht erhoben; ein Beschwerdeverfahren beim BVwG, das zeitgleich zu den gegenständlichen Verfahren anhängig gewesen wäre und gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 dazu verpflichtet hätte, die Verfahren unter einem zu führen und zu entscheiden (vgl. dazu grundlegend VwGH 15.11.2018, Ro 2018/19/0004), lag bzw. liegt daher nicht vor. Ausgehend davon legt die Revision auch die behauptete fehlerhafte Rückkehrentscheidung im gegenständlichen Verfahren wegen Nichtbeachtung des weiteren Familienmitglieds nicht dar.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2025