JudikaturVwGH

Ra 2024/14/0076 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache des K A, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Jänner 2024, W280 2278410 1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 20. August 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er im Wesentlichen mit der Furcht vor der Einberufung zum Wehrdienst in seinem Herkunftsstaat begründete.

2 Mit Bescheid vom 6. Juli 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit der Gültigkeit für die Dauer eines Jahres.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen die Versagung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht gegeben sei, weil der Revisionswerber sein Vorbringen nicht habe glaubhaft machen können.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht.

9 Die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, ist eine Entscheidung im Einzelfall, die grundsätzlich wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel ist. Dem Revisionswerber muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 11.12.2023, Ra 2023/14/0440; 13.6.2023, Ra 2023/20/0195, mwN sowie mit dem Hinweis, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellt, sondern nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen kann).

10 Soweit der Revisionswerber in der Begründung der Zulässigkeit der Revision die unzureichende Auseinandersetzung mit einzelnen Passagen aus den Länderberichten rügt und damit Mängel bei den Feststellungen als gegeben erachtet, wendet er sich der Sache nach gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes. Dem dazu erstatteten Vorbringen nach drohe dem Revisionswerber nach richtiger Auswertung der Berichtslage im Falle einer Rückkehr aufgrund seiner Herkunft aus einem ehemaligen Oppositionsgebiet, seiner illegalen Ausreise sowie der Asylantragstellung im Ausland die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung. Er würde zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem Checkpoint verhaftet werden. Darüber hinaus habe sich das Bundesverwaltungsgericht nicht damit auseinandergesetzt, ob sich der Revisionswerber die Zahlung der Befreiungsgebühr leisten könne.

11 Nach seiner ständigen Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. neuerlich VwGH 11.12.2023, Ra 2023/14/0440, mwN).

12 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte mit der individuellen Situation des Revisionswerbers in Bezug auf den Herkunftsstaat befasst und anhand der dazu getroffenen Feststellungen das Vorliegen einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung des Revisionswerbers in einer den konkreten Einzelfall betreffenden Beurteilung in vertretbarer Weise verneint. Insbesondere führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Herkunftsregion des Revisionswerbers unter ausschließlicher Kontrolle der kurdischen Selbstverwaltung stehe, die syrischen Behörden in dieser Region keinen Zugriff auf bestimmte Personen hätten und ebendort keine staatliche Macht ausüben würden. Dem Revisionswerber stünde zudem auch die Zahlung einer Befreiungsgebühr vom Wehrdienst in der syrischen Armee offen. Aus den Länderfeststellungen ergebe sich auch, dass Personen wie der Revisionswerber, die nicht politisch exponiert seien, nicht schon allein wegen ihrer illegalen Ausreise, ihrem Antrag auf internationalen Schutz oder ihrer Herkunft aus einem als oppositionell angesehenen Gebiet Verfolgung ausgesetzt wären. Dass diese beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wird in der Revision mit ihrem Vorbringen nicht aufgezeigt.

13 In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass eine Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 29.6.2023, Ra 2023/14/0199, mwN).

14 Wie bereits dargelegt, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht, wenn ein kausaler Zusammenhang der Verfolgung mit einem oder mehreren Konventionsgründen fehlt (vgl. erneut VwGH 11.12.2023, Ra 2023/14/0440, mwN). Auf die lediglich in einer Alternativbegründung („bei hypothetischer Wahrunterstellung“ des Fluchtvorbringens) angestellten Erwägungen, wonach dem Revisionswerber die Zahlung der Befreiungsgebühr möglich sei, kommt es damit nicht an (vgl. etwa VwGH 28.7.2023, Ra 2023/14/0236, sowie dazu, dass das Verlangen der Leistung einer Befreiungsgebühr nicht als Verfolgung einzustufen ist VwGH 8.11.2023, Ra 2023/20/0520, jeweils mwN).

15 Sofern der Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung im Weiteren vorbringt, die vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Einreisemöglichkeiten in seinen Herkunftsstaat würden sich für eine legale Einreise als unmöglich und unzumutbar erweisen und die Grenzübergänge aus dem Irak für den Revisionswerber als Araber ausscheiden, ist auf die hg. Rechtsprechung zu verweisen, wonach es aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf ankommen kann, ob die Einreise in einen verfolgungssicheren Landesteil aus der Sicht des potentiellen Verfolgers (hier: des syrischen Regimes) legal stattfindet, sondern nur, ob die den Grenzübergang beherrschenden Autoritäten eine Einreise in das sichere Gebiet zulassen (vgl. VwGH 29.2.2024, Ra 2024/18/0043, mwN).

16 Das Bundesverwaltungsgericht stellte im gegenständlichen Fall ausführlich dar, dass dem Revisionswerber für die Einreise in das kurdisch dominierte Gebiet in Nord- und Ostsyrien ein Grenzübergang zur Verfügung steht, der vom syrischen Regime nicht kontrolliert werde. Anhand der pauschalen Ausführungen in der Revision ist nicht zu sehen, dass dem Bundesverwaltungsgericht vorzuwerfen wäre, es hätte sich bei seiner Beurteilung von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien entfernt oder diese in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. April 2024

Rückverweise