Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, LL.M., über die Revision des R P, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Mai 2024, W257 2248841 1/6E, betreffend Feststellung des Besoldungsdienstalters (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber steht seit 1. Juni 2021 als Exekutivbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom 28. September 2021 wurden die auf das Besoldungsdienstalter anrechenbaren Vordienstzeiten des Revisionswerbers mit 2 Jahren, 8 Monaten und 1 Tag festgestellt.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde und er beantragte darin auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Mit seiner Beschwerde legte der Revisionswerber einen Versicherungsdatenauszug vor.
4 Ohne vorherige Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
5 In seiner Entscheidungsbegründung ging das Verwaltungsgericht davon aus, der am 30. April 1986 geborene Revisionswerber stehe seit 1. Juni 2021 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er weise Vordienstzeiten im Ausmaß von 2 Jahren, 8 Monaten und 1 Tag auf („Österreichisches Bundesheer GWD“ vom 4. Oktober 2004 bis 3. Juni 2005 sowie „Polizeiliche Grundausbildung“ vom 1. Juni 2019 bis 31. Mai 2021). Überdies stellte das Verwaltungsgericht (durch auszugsweisen Abdruck desselben) den Inhalt des vom Revisionswerber vorgelegten Versicherungsdatenauszugs teilweise fest. Dazu führte das Verwaltungsgericht aus, es handle sich bei keinem der darin angeführten Arbeit- oder Dienstgeber um eine Gebietskörperschaft oder einen Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraumes, der Türkischen Republik bzw der Schweizer Eidgenossenschaft.
6Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht fest, es seien auf den Revisionswerber die Regelungen des § 169c Gehaltsgesetz 1956 (GehG 1956) nicht anwendbar, weshalb die Bestimmung des § 12 GehG 1956 maßgeblich sei. Dabei weise der Revisionswerber nur Zeiten nach § 12 Abs. 2 Z 1 GehG 1956 auf, nämlich die Zeiten als Grundwehrdiener und die Zeiten in der Grundausbildung zum Exekutivdienst. Weiters ging das Verwaltungsgericht davon aus, der Revisionswerber habe in seiner Beschwerde lediglich pauschal vorgebracht, dass die vor seinem 18. Geburtstag absolvierten Arbeits- und Dienstzeiten anzurechnen seien, „eine Gleichwertigkeit im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 1a GehG 1956“ aber nicht dargetan worden sei. Dazu hielt das Verwaltungsgericht fest, dass § 12 GehG 1956 nicht danach differenziere, ob Arbeits- oder Dienstzeiten vor oder nach dem 18. Geburtstag absolviert worden seien, sondern lediglich darauf abstelle, ob diese Arbeits- oder Dienstzeiten „zu einer Gebietskörperschaft oä“ erbracht worden seien oder ob eine gleichwertige Berufsausbildung bestanden habe.
7Weiters ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass aufgrund einer „mangelnden Zustellung“ die Rechtsfolge des § 12 Abs. 6 GehG nicht eingetreten sei. Folglich sei die Bekanntgabe der Vordienstzeiten im Rahmen der Beschwerde fristgerecht erfolgt. Das Verwaltungsgericht habe eine inhaltliche Prüfung der „beantragten Zeiten“ vorzunehmen gehabt und es sei zu dem Ergebnis gelangt, dass Vordienstzeiten im Ausmaß von 2 Jahren, 8 Monaten und 1 Tag zu berücksichtigen seien.
8Weiters hielt das Verwaltungsgericht fest, dass im Hinblick auf § 24 Abs. 2 VwGVG, wonach eine Verhandlung entfallen könne, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist, von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung abgesehen habe werden können. Zudem sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von den Parteien nicht beantragt worden.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Vorverfahren durchgeführt, in dessen Rahmen die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision wendet sich der Revisionswerber unter anderem gegen das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. Aufgrund dieses Vorbringens erweist sich die vorliegende Revision als zulässig; sie ist auch berechtigt.
11§ 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017, lautet:
„ Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
[...]
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.“
12 Nach der Aktenlage hat der Revisionswerber in seiner Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragt. Dessen ungeachtet ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen, dass der Revisionswerber in seiner Beschwerde keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt habe. Entgegen der vom Verwaltungsgericht offenbar vertretenen Ansicht hat der rechtsfreundlich vertretene Revisionswerber somit nicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
13Auch erweist sich die Bestimmung des § 24 Abs. 2 VwGVG, auf die sich das Verwaltungsgericht zur Begründung für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestützt hat, als nicht tragfähig, weil § 24 Abs. 2 VwGVG den Entfall einer mündlichen Verhandlung nur zulässt, wenn der verfahrenseinleitende Antrag oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist. Fallbezogen war jedoch der verfahrenseinleitende Antrag nicht zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde des Revisionswerbers abgewiesen, weshalb keiner der in § 24 Abs. 2 VwGVG genannten Fälle vorlag.
14 Ausgehend davon, dass wie das Verwaltungsgericht angenommen hatgegenüber dem Revisionswerber die Fristen des § 12 Abs. 5 und 6 GehG 1956 mangels nachweislicher Belehrung nicht ausgelöst wurden und der Revisionswerber mit seiner Beschwerde zusätzliche, von der belangten Behörde bei Erlassung des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides nicht berücksichtigte Vordienstzeiten geltend gemacht hat, ist überdies nicht zu sehen, dass das Verwaltungsgericht vom Vorliegen eines unstrittigen und (insbesondere betreffend die Frage der Gleichwertigkeit) vollständigen Sachverhaltes ausgehen durfte und aus diesem Grund ein Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG zulässig gewesen sei (siehe zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Absehens von der mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG näher etwa VwGH 21.11.2017, Ra 2017/12/0099, Rn 17 ff, mwN).
15Schon aus diesem Grund war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
16Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. November 2025
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