Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des C D in B, vertreten durch die Kopp Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 23. Juli 2024, Zl. 405 4/6168/1/2 2024, betreffend Wiedererteilung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde im Beschwerdeverfahren in Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde vom 18. Dezember 2023der Antrag des Revisionswerbers vom 8. November 2022 auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung für näher bezeichnete Klassen gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 iVm. § 8 Abs. 2 Führerscheingesetz (FSG) abgewiesen. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 Begründend hielt das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 2022 sei dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für die Dauer der mangelnden gesundheitlichen Eignung entzogen worden. In dem im diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren eingeholten amtsärztlichen Gutachten vom 29. September 2022 sei festgehalten worden, dass der Revisionswerber aufgrund kraftfahrspezifischer Leistungsdefizite und der im Rahmen einer Beobachtungsfahrt festgestellten fehlenden Möglichkeit, die Defizite zu kompensieren, nicht geeignet sei, Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 zu lenken. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffend die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Entziehungsbescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 2022 sei infolge der Zurückziehung der Beschwerde durch den Revisionswerber mit Beschluss vom 20. Oktober 2022 eingestellt worden.
3 Am 8. November 2022 habe der Revisionswerber die Wiedererteilung der Lenkberechtigung beantragt.
4 In einem amtsärztlichen Gutachten vom 30. Mai 2023 sei ausgeführt worden, dass beim Revisionswerber eine tiefgreifende Entwicklungsstörung im Autismusspektrum vorliege. Die kraftfahrspezifischen Leistungsdefizite seien allerdings durch professionelle Hilfe behoben worden, sodass eine Erteilung der Lenkberechtigung ohne Einschränkungen empfohlen werde.
5 Mit an die Amtsärztin gerichtetem Schreiben der belangten Behörde vom 7. Juni 2023 sei mitgeteilt worden, dass deren Gutachten als nicht schlüssig erachtet werde. Dem amtsärztlichen Gutachten seien u.a. eine verkehrspsychologische Untersuchung sowie ein Gutachten aus dem Fachbereich Psychiatrie unter Einbeziehung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit zugrunde zu legen.
6 In Anbetracht einer („bei guter kognitiver und psychomotorischer Reaktions- und Leistungsfähigkeit“) die Erteilung einer Lenkberechtigung befürwortenden Stellungnahme Dris. M, eines Facharztes für Psychiatrie, vom 19. September 2023, aus der jedoch nicht hervorgehe, ob bzw. wie die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen des Revisionswerbers mitbeurteilt worden seien, habe die Amtsärztin in einer Stellungnahme vom 26. September 2023 die Auffassung vertreten, die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen mittels verkehrspsychologischer Untersuchung sei nicht erforderlich. Sie habe die Erteilung der Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 für einen 12 monatigen Beobachtungszeitraum ohne Kontrolluntersuchungen empfohlen.
7 Mit Schreiben der belangten Behörde vom 18. Oktober 2023 sei dem Revisionswerber die Zuweisung der Amtsärztin zu einer verkehrspsychologischen Untersuchung bezüglich seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit übermittelt worden. Gleichzeitig sei ihm mitgeteilt worden, dass die genannte Überprüfung für die Wiedererteilung der Lenkberechtigung gemäß § 13 Abs. 2 Z 4 FührerscheingesetzGesundheitsverordnung (FSG GV) zwingend erforderlich sei.
8 Mit E Mail vom 30. Oktober 2023 habe sich der Revisionswerber gegen die Durchführung einer verkehrspsychologischen Untersuchung ausgesprochen.
9 Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28. November 2023 sei ihm die Beibringung eines Befundes bezüglich einer kraftfahrspezifischen Leistungsüberprüfung aufgetragen worden. Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen.
10In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, aufgrund der gegenständlichen Erkrankung des Revisionswerbers sei gemäß § 8 Abs. 2 FSG ein amtsärztliches Gutachten zu erstellen gewesen, wobei das amtsärztliche Gutachten gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 2 FSG GV eine psychiatrisch fachärztliche Stellungnahme miteinzubeziehen habe, in der die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Revisionswerbers mitbeurteilt werde. Da die Stellungnahme Dris. M vom 19. September 2023 nicht erkennen lasse, ob eine kraftfahrspezifische Leistungsüberprüfung stattgefunden habe bzw. auf welche Weise eine solche Überprüfung bzw. Mitbeurteilung erfolgt sei, habe die belangte Behörde dem Revisionswerber nicht zuletzt im Hinblick auf den negativen Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchung vom 5. Juli 2022 die Beibringung eines (aktuellen) Befundes bezüglich einer kraftfahrspezifischen Leistungsüberprüfung zu Recht aufgetragen. Nur eine erneute verkehrspsychologische Überprüfung könne klären, ob die kraftfahrspezifischen Leistungsdefizite weiterhin bestünden.
11 Da der Revisionswerber den zur Beurteilung seiner gesundheitlichen Eignung erforderlichen Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchung nicht beigebracht habe, sei davon auszugehen, dass die Erteilungsvoraussetzung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (§ 3 Abs. 1 Z 3 iVm. § 8 FSG) aktuell nicht erfüllt sei, weshalb der Antrag des Revisionswerbers auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung abzuweisen gewesen sei.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst vor, fallbezogen seien die Einholung weiterer Gutachten bzw. die Aufforderung zur Beibringung des Ergebnisses einer verkehrspsychologischen Untersuchung nicht zulässig gewesen, weil bereits eine psychiatrisch fachärztliche Stellungnahme vorgelegt worden sei und diese für die Amtsärztin ausreichend für die Feststellung der gesundheitlichen Eignung des Revisionswerbers gewesen sei. Abweichend „vom Gesetz und der Rechtsprechung“ habe die belangte Behörde der Amtsärztin nicht geglaubt.
17Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Amtsärztin, nachdem die belangte Behörde u.a. die vorangegangene positive amtsärztliche Einschätzung vom 26. September 2023 angesichts der nach Ansicht der Behörde fehlenden Mitbeurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen (§ 3 Abs. 1 Z 4 FSG GV), welche gemäß § 13 Abs. 2 FSG GV in der (im amtsärztlichen Gutachten miteinzubeziehenden) psychiatrisch fachärztlichen Stellungnahme zu erfolgen habe, als nicht ausreichend nachvollziehbar bzw. nicht schlüssig erachtet hatte, am 18. Oktober 2023 ein Zuweisungsschreiben für eine verkehrspsychologische Untersuchung betreffend die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Revisionswerbers (§ 18 Abs. 2 FSG GV) verfasste. Ausweislich der genannten amtsärztlichen Zuweisung sollte eine verkehrspsychologische Untersuchung konkret Aufschluss darüber geben, ob der Revisionswerber über ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfunktionen verfüge und wie sein „eher defensives Verhalten in kritischen Situationen“ aus verkehrspsychologischer Sicht zu beurteilen sei.
18 Dass dem Revisionswerber die Beibringung eines Befundes über eine verkehrspsychologische Untersuchung abverlangt worden wäre, ohne dass die Amtsärztin diese Untersuchung für erforderlich erachtet hätte, trifft somit auf Basis der Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht zu.
19 Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich im Übrigen Folgendes:
20 Psychische Krankheiten und Behinderungen im Sinn des § 13 FSGGV schließen nicht schlechthin die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aus, sondern nur dann, wenn sie auf das Verhalten der betreffenden Person im Straßenverkehr, somit auf das Fahrverhalten, von Einfluss sein könnten (VwGH 30.6.2016, Ra 2016/11/0061).
21Ob die festgestellte psychische Krankheit eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lässt, hat der Amtsarzt bei Erstattung des Gutachtens gemäß § 8 Abs. 2 FSG unter Berücksichtigung der psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme zu beurteilen. Entsprechend der Vorgabe des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 FSGGV hat das amtsärztliche Gutachten eine fachärztliche Stellungnahme einzubeziehen, in der die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt wird (vgl. VwGH 11.10.2016, Ra 2016/11/0113).
22 Macht sich der amtsärztliche Sachverständige die in einem Vorbefund bzw.gutachten vertretene Ansicht zu Eigen, die er in sein eigenes Gutachten integriert, stellt das Fehlen von näheren Ausführungen im Gutachten selbst keinen Verfahrensmangel dar, wenn das Vorgutachten schlüssig ist und den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestellten Anforderungen entspricht. Für die Überprüfbarkeit der Schlüssigkeit eines Gutachtens ist es jedoch notwendig, dass der Befund all jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung nennt, die für das Gutachten verwendet wurden. Fehlt es daran, belastet dies das amtsärztliche Sachverständigengutachten mit einem wesentlichen Mangel (vgl. VwGH 20.11.2007, 2007/11/0127 [VwSlg. 17.322/A]; dort ebenfalls im Zusammenhang mit der gemäß § 13 [Abs. 1 zweiter Satz] FSG GV erforderlichen Mitbeurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen in der psychiatrisch fachärztlichen Stellungnahme).
23 Die Revision, die auch nicht konkret anführt, von welcher Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht konkret abgewichen wäre, zeigt nicht auf, inwiefern das angefochtene Erkenntnis im Widerspruch zu der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stünde.
24 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 19. November 2024