JudikaturVwGH

Ra 2024/11/0026 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
05. August 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des T K, vertreten durch Dr. Agata M. Wolinska Umschaden, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Domgasse 4/9, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 15. Dezember 2023, LVwG 1 899/2023 R21, betreffend eine Angelegenheit nach dem Lohn und Sozialdumping Bekämpfungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 1. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 26. September 2023, mit dem diesem als nach außen vertretungsbefugtem Organ eines näher bezeichneten Unternehmens mit Sitz in Polen bestimmte Übertretungen des Lohn und Sozialdumping Bekämpfungsgesetzes (LSD BG) zur Last gelegt worden waren, als verspätet zurück. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, das Straferkenntnis sei dem Revisionswerber am 10. Oktober 2023 zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist sei somit am 7. November 2023 abgelaufen. Die Beschwerde sei jedoch erst am 9. November 2023 zur Post gegeben worden, weshalb sie als verspätet zurückzuweisen sei.

3 2. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der somit allein maßgebenden Zulässigkeitsbegründung macht die gegenständliche Revision unter dem Aspekt eines Verstoßes gegen näher genannte Judikatur geltend, das Verwaltungsgericht habe Verfahrensvorschriften verletzt, weil es vor Zurückweisung der Beschwerde dem Revisionswerber die Verspätung seines Rechtsmittels nicht vorgehalten habe. Der Revisionswerber habe die Rechtsmittelfrist nicht wahren können, weil er das Straferkenntnis zuerst ins Polnische übersetzen habe lassen müssen, da die belangte Behörde eine Übersetzung rechtswidrig nicht vorgenommen habe. Weiters sei die Revision zulässig, weil es an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage mangle, ob die Unterlassung der Übermittlung einer Übersetzung des Straferkenntnisses in der Sprache des Beschuldigten gemäß § 46 Abs. 1a VStG einen Zustellmangel darstelle.

8 Die belangte Behörde hat im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung erstattet.

9 3. Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber das vor dem Landesverwaltungsgericht angefochtene Straferkenntnis ausschließlich in deutscher Sprache an eine Adresse in Polen zugestellt.

10 Gemäß § 11 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 40/2017 , sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

11 Aus § 11 Abs. 1 ZustG ergibt sich eine abgestufte Reihenfolge, die bei der Prüfung, ob eine entsprechende Zustellung in einen anderen Staat möglich und zulässig ist, anzuwenden ist. Entscheidend sind daher in erster Linie bestehende internationale Vereinbarungen (VwGH 1.3.2016, Ra 2015/11/0097).

12 Art. 5 Abs. 3 erster Satz des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005 , welches auch von Polen ratifiziert wurde (vgl. dazu die Kundmachung BGBl. III Nr. 28/2008), sieht in seinem Art. 5 Abs. 3 das Erfordernis einer Übersetzung von in einem anderen Mitgliedstaat zugestellten Verfahrensurkunden nur vor, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist.

13 Gemäß § 46 Abs. 1a VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 57/2018 , ist dem Straferkenntnis eine Übersetzung in einer für den Beschuldigten verständlichen Sprache anzuschließen, wenn der Beschuldigte der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig ist.

14 Im vorliegenden Fall legt die Revision nicht dar und ist auch auf Basis der Aktenlage nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde annehmen hätte müssen, dass der Revisionswerber der deutschen Sprache nicht kundig wäre, zumal der Schriftsatzwechsel mit dem unvertretenen Revisionswerber im behördlichen Verfahren ausschließlich in (einwandfreiem) Deutsch erfolgte und er in keinem seiner Schreiben an die belangte Behörde vorbrachte, dass er über unzureichende Deutschkenntnisse verfügen würde. Die belangte Behörde durfte daher sowohl gemäß § 46 Abs. 1a VStG als auch gemäß Art. 5 Abs. 3 erster Satz des zitierten Übereinkommens von einer Übersetzung des Straferkenntnisses in die polnische Sprache absehen.

15 Daraus folgt, dass die nachweislich am 10. Oktober 2023 erfolgte Zustellung des Straferkenntnisses an den Revisionswerber die vierwöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg auslöste und dass diese Frist am 7. November 2023 endete. Die am 9. November 2023 zur Post gegebene Beschwerde war daher verspätet.

16 Werden Verfahrensmängel wie hier das Unterlassen eines Verspätungsvorhalts durch das Landesverwaltungsgericht als Zulassungsgründe für die Revision ins Treffen geführt, so muss schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (ständige Judikatur vgl. nur etwa VwGH 8.4.2024, Ra 2022/11/0202). Dies setzt voraus, dass jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben.

17 Dies hat der Revisionswerber unterlassen.

18 Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Unterlassung der Übermittlung einer Übersetzung des Straferkenntnisses in der Sprache des Beschuldigten gemäß § 46 Abs. 1a VStG einen Zustellmangel darstelle, ist schon deshalb nicht zielführend, weil nach dem oben Gesagten keine Verpflichtung zum Anschluss einer Übersetzung des Straferkenntnisses bestand und deshalb kein Verstoß gegen § 46 Abs. 1a VStG vorlag.

19 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 5. August 2024

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