JudikaturVwGH

Ra 2024/10/0041 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision 1. des G F und 2. der A F, beide in M, beide vertreten durch die Achammer Mennel Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Schlossgraben 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 25. Jänner 2024, Zl. LVwG 327 12/2023 R15, betreffend Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird im Umfang der mit dem angefochtenen Erkenntnis ausgesprochenen Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Versagung einer wasserrechtlichen Bewilligung bleibt die Entscheidung dem dafür zuständigen hg. Senat vorbehalten.

1 1. Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis vom 25. Jänner 2024 versagte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg den Revisionswerbern soweit für die vorliegende Revisionsentscheidung von Belang gemäß § 35 Abs. 2 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (GNL) die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung für eine auf fünf Jahre befristete Durchführung von Pferdeschlittenfahrten entlang eines bestimmten Uferschutzbereiches samt Errichtung einer Holzbrücke und Anlegung von Längsbäumen in näher bestimmten Bereichen, wobei das Verwaltungsgericht die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zuließ.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, die Revisionswerber, zwei Landwirte, böten seit 2003 im Winter als Nebenerwerb Pferdeschlittenfahren an; zwischenzeitlich gebe es nur noch zwei weitere Anbieter. Die Wohnsitzgemeinde der Revisionswerber zähle in der Wintersaison zu den nächtigungsstärksten Gemeinden in Österreich; die Nachfrage nach Pferdeschlittenfahrten sei dort sehr hoch, und es komme aufgrund der geringen Zahl an Anbietern häufig zu Engpässen.

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Dezember 2022 sei den Revisionswerbern (zuletzt) auf näher beschriebene Weise (u.a.) die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Durchführung von Pferdeschlittenfahrten befristet bis zum 1. April 2023 erteilt worden.

4 Durch das beantragte (näher beschriebene) Vorhaben würden (u.a.) der derzeitige Uferrandstreifen, der sehr wichtige ökologische Lebensräume für Pflanzen und Tierarten darstelle, sowie das bachbegleitende Gehölz, das für die Beschattung des Gewässers und für die Stabilisierung der Uferböschung notwendig sei, in Mitleidenschaft gezogen bzw. zur Gänze zerstört. Dadurch werde der dringend benötigte natürliche Bewuchs verhindert.

5 Im Folgenden traf das Verwaltungsgericht nähere Feststellungen zu der durch den Pferdeschlittenbetrieb verursachten „ökologischen Beeinträchtigung der Auwaldvegetation im Ausmaß von mehreren hundert Quadratmetern“ sowie zur Störwirkung des Kutschenbetriebs „in einem Bereich, der sonst im Winter ausgesprochen ruhig und naturbelassen wäre“.

6 „Aus Sicht der“ Wohnsitzgemeinde der Revisionswerber bestehe ein öffentliches Interesse am Angebot von Pferdeschlittenfahrten, welche bei den Gästen als Urlaubserlebnis besonders beliebt und entsprechend stark nachgefragt seien; dass die verbleibenden Anbieter nicht in der Lage seien, alle Anfragen anzunehmen, führe zu „Unmut bei den Gästen“.

7 Die Durchführung von Pferdeschlittenfahrten als landwirtschaftlicher Nebenerwerb trage zum wirtschaftlichen Überleben des Bauernhofes der Revisionswerber bei.

8 Im Rahmen seiner (ausführlichen) beweiswürdigenden Ausführungen befasste sich das Verwaltungsgericht mit dem entsprechenden Beschluss des Gemeindesvorstandes der Wohnsitzgemeinde der Revisionswerber vom 24. Oktober 2023; die Gemeinde habe zu den ihr übermittelten Gutachten der Amtssachverständigen nicht Stellung genommen.

9 Die Feststellung zur wirtschaftlichen Bedeutung der Durchführung von Pferdeschlittenfahrten für die Revisionswerber ergebe sich aus einer (näher wiedergegebenen) Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Vorarlberg vom 6. November 2023.

10 In rechtlicher Hinsicht ging das Verwaltungsgericht aufgrund der getroffenen Feststellungen von einer Bewilligungspflicht des beantragten Vorhabens gemäß §§ 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 GNL aus. Das Vorhaben widerspreche näher genannten Zielen des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung (Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. c und d leg. cit.), welche auch durch die Erteilung von Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht gänzlich vermieden werden könnten (vgl. § 35 Abs. 1 GNL).

11 Infolgedessen nahm das Verwaltungsgericht eine Interessenabwägung gemäß § 35 Abs. 2 GNL vor, in der es die erwähnten erheblichen nachteiligen Auswirkungen des Vorhabens auf die Natur und Landschaft den öffentlichen Interessen an der Realisierung des Vorhabens gegenüberstellte:

12 Dabei vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, das beantragte Vorhaben liege primär „im privaten wirtschaftlichen Interesse“ der Revisionswerber. Im Verfahren sei nicht hervorgekommen, dass bei Versagung der Bewilligung merkbare nachteilige Auswirkungen auf den Tourismus in der betroffenen Region oder auf die Landwirtschaft als solche zu befürchten wären. Die somit „kaum berührten“ öffentlichen Interessen an einem leistungsfähigen Tourismus und an einer funktionierenden Landwirtschaft könnten daher angesichts der deutlichen Nachteile für die Naturschutzinteressen nicht den Ausschlag geben.

13 Die belangte Behörde habe daher zu Recht in ihrem vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid vom 26. September 2023 die naturschutzrechtliche Bewilligung nach § 35 Abs. 2 GNL versagt.

14 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 30.8.2023, Ra 2022/10/0001, mwN).

18 3.1. Die Revisionswerber machen zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision zunächst eine „aufzugreifende Fehlbeurteilung des LVwG Vorarlberg“ geltend und führen dazu das Folgende aus:

„Einerseits wurden die erforderlichen Interessenabwägungen (iSd GNL [...]) in unvertretbarer Weise vorgenommen, andererseits wurde unberechtigterweise das Vertrauen der Revisionswerber in den Bestand der bisherig bewilligten Regelungen unrechtmäßig erschüttert. Die Vorliegende Stellungnahme der Landwirtschaftskammer wurde von dem erkennenden LVwG unvertretbar nicht gewürdigt. Die Stellungnahme der Gemeinde zur positiven Wirkung des Vorhabens der Revisionswerber auf den Tourismus wurde ebenfalls kommentarlos abgetan. Die Pferdeschlittenfahrten sind sowohl aus touristischer wie auch aus landwirtschaftlicher Sicht äußerst positiv zu sehen und überwiegen die naturschutzrechtlichen [...] Interessen.“

19 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen wird eine auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage, welche der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte, nicht dargelegt (vgl. dazu etwa VwGH 29.6.2021, Ro 2020/10/0014, mwN).

20 Darüber hinaus ist die darin erkennbare Kritik an der angefochtenen Entscheidung nicht geeignet darzulegen, dass Verwaltungsgericht hätte die Beweiswürdigung oder die Interessenabwägung (gemäß § 35 Abs. 2 GNL) in einer unvertretbaren Weise vorgenommen (vgl. zu der insofern eingeschränkten Revisibilität etwa wiederum VwGH Ra 2022/10/0001 sowie VwGH 20.6.2022, Ra 2022/10/0038, jeweils mwN).

21 3.2. Das weitere Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerber behauptet einen Verfahrensmangel, weil „wesentliche Elemente des Sachverhaltes“ nicht ermittelt worden seien; so seien „keine Gutachten aus den Fachbereichen Land und Forstwirtschaft sowie Tourismus und Freizeitwirtschaft“ eingeholt worden. Diese Gutachten hätten bestätigt, „dass eine immense nicht zu vernachlässigende Wirkung der Pferdeschlittenfahrten auf den öffentlichen Bereich vorliegt“.

22 Bereits die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 18.9.2023, Ra 2021/10/0171, mwN).

23 Das wiedergegebene Zulässigkeitsvorbringen legt allerdings die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels in Ansehung des § 35 Abs. 2 GNL nicht konkret dar.

24 4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

25 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. April 2024

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