Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Mag. Haunold und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 13. Dezember 2023, LVwG AV 2683/001 2023, betreffend Maßnahmen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 (mitbeteiligte Partei: M GmbH [vormals M GmbH]) in H, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid der Amtsrevisionswerberin vom 6. Februar 2020 wurden der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei die abfallrechtliche Genehmigung und die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Behandlungsanlage für nicht gefährliche Abfälle bestehend aus einer Siebanlage und Nebenanlagen inklusive asphaltgedichteten Zwischenlagerflächen mit Abwassererfassung auf Teilflächen näher genannter Grundstücke, KG T, erteilt.
2 Mit Schreiben vom 31. Juli 2023 erließ die Amtsrevisionswerberin eine Verfahrensanordnung gemäß § 2 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) und wies darauf hin, dass der „Quartalsbericht 03 06/2023“ des Aufsichtsorgans sowohl an die Behörde als auch an die mitbeteiligte Partei übermittelt worden sei. In diesem Bericht sei mitgeteilt und aufgezeigt worden, dass bei der Abfallbehandlungsanlage der mitbeteiligten Partei zahlreiche Konsenswidrigkeiten und Mängel vorlägen, weshalb zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes angeordnet werde, sämtliche im Quartalsbericht 03 06/2023 aufgezeigten Konsenswidrigkeiten und Mängel unverzüglich, spätestens bis 15. August 2023 nachweislich zu beheben. Über die fristgerechte Herstellung des rechtmäßigen Zustandes sei der Behörde bis spätestens 22. August 2023 ein Sonderbericht des Aufsichtsorgans vorzulegen.
3 Mit Bescheid vom 17. Oktober 2023 verfügte die Amtsrevisionswerberin die sofortige Schließung der Abfallbehandlungsanlage der mitbeteiligten Partei.
4 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht). Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht dieser Beschwerde Folge und behob den Bescheid vom 17. Oktober 2023. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
5 In dem angefochtenen Erkenntnis ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Amtsrevisionswerberin aufgrund des in dem Bescheid vom 17. Oktober 2023 angeführten Berichts vom Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes habe ausgehen dürfen und somit die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 vorgelegen seien. Allerdings seien in dem Bericht unterschiedliche „Wahrnehmungen“ angeführt gewesen, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes einen „Sollenszustand“ so hinreichend konkret, dass kein Zweifel daran bestehen habe können, welches Ergebnis von der mitbeteiligten Partei innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken sei, nicht haben erkennen lassen. Auch sei offen geblieben, inwiefern zwischen „Konsenswidrigkeiten“ und „Mängeln“ differenziert würde, und ob diese Differenzierung Auswirkungen auf das von der mitbeteiligten Partei zu bewirkende Ergebnis habe. In der Verfahrensanordnung vom 31. Juli 2023 sei somit nicht konkret und unmissverständlich angegeben gewesen, welches Ergebnis die mitbeteiligte Partei innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken gehabt habe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes wäre es Sache der Amtsrevisionswerberin gewesen, den Bericht des Aufsichtsorgans, auf den der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes gegründet gewesen sei, zu analysieren und daraus einen Katalog zu erstellen, aus dem das von der mitbeteiligten Partei zu bewirkende Ergebnis klar und eindeutig hervorgehe. Die bloße Übermittlung eines Berichts, aus dem dies nicht zweifelsfrei hervorgehe, genüge nicht. Vor diesem Hintergrund kam das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, es habe an einer rechtmäßigen Aufforderung iSd § 62 Abs. 2 AWG 2002 gefehlt, weshalb die verfügte Maßnahme mit dem Mangel eines gesetzlichen Erfordernisses behaftet und daher unzulässig sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der belangten Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Vorverfahren durchgeführt, in dessen Rahmen die mitbeteiligte Parte eine Revisionsbeantwortung erstattete und die kostenpflichtige Zurück , in eventu Abweisung der Revision beantragte.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision macht die Amtsrevisionswerberin zunächst geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, welche Informationen in einer Verfahrensanordnung nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 enthalten sein müssten. Dabei geht die Amtsrevisionswerberin davon aus, die zu § 360 Abs. 1 GewO 1994 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht auf die hier maßgebliche Bestimmung des § 62 Abs. 2 AWG 2002 übertragbar.
11 Dazu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass im AWG 2002 vielfach Regelungen den ihnen korrespondierenden Bestimmungen der GewO 1994 nachgebildet sind, weshalb in diesen Fällen auf die Rechtsprechung zur GewO 1994 zurückgegriffen werden kann, während bei anderen Regelungen des AWG 2002 dies nicht der Fall und ein solcher Rückgriff unzulässig ist. Entscheidend für die Heranziehung der Rechtsprechung der GewO 1994 zum Verständnis von Regelungen des AWG 2002 ist die Vergleichbarkeit der Regelungen. Eine Vergleichbarkeit im Sinne dieser Judikatur liegt zwischen den Bestimmungen des § 360 Abs. 1 GewO 1994 und des § 62 Abs. 2 AWG 2002 vor, sodass die zu § 360 Abs. 1 GewO 1994 ergangene Judikatur auf § 62 Abs. 2 AWG 2002 übertragbar erscheint (vgl. VwGH 24.10.2024, Ra 2023/07/0169, Rn. 25, mwN).
12 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 360 Abs. 1 GewO 1994 ausdrücklich festgehalten, dass zwischen dem vom Anlageninhaber zu setzenden Verhalten und den von der Behörde zu verfügenden Maßnahmen zu unterscheiden ist. Sache des Anlageninhabers ist es, den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen und zwar auf die von ihm zu wählende Art und Weise, d.h. mit den von ihm zu wählenden Maßnahmen. Tut er dies nicht innerhalb der festgesetzten Frist, so hat die Behörde die zu Erreichung des Sollzustandes notwendigen Maßnahmen (bescheidmäßig) zu verfügen. In der Verfahrensanordnung sind daher nicht bereits die Maßnahmen, wohl aber der Sollzustand und zwar so hinreichend konkret zu beschreiben, dass kein Zweifel daran bestehen kann, welches Ergebnis der Anlageninhaber innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken hat (vgl. VwGH 16.7.1996, 96/04/0062).
13 Diese Grundsätze sind im Lichte der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen Übertragbarkeit der zu § 360 Abs. 1 GewO 1994 ergangenen Rechtsprechung auch zu dem im revisionsgegenständlichen Verfahren anwendbaren § 62 Abs. 2 AWG 2002 heranzuziehen. Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der Amtsrevisionswerberin fehlt es daher nicht an einer einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der notwendigen Inhalte einer Verfahrensanordnung nach § 62 Abs. 2 AWG 2002.
14 In der Folge macht die Amtsrevisionswerberin für den Fall der angenommenen Übertragbarkeit der zu § 360 Abs. 1 GewO 1994 ergangenen Rechtsprechung geltend, das Verwaltungsgericht sei von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen und es habe den „Rahmen für die Möglichkeiten, den Sollzustand zu beschreiben“, zu eng gezogen. In diesem Zusammenhang behauptet die Amtsrevisionswerberin auch das Vorliegen eines Begründungsmangels.
15 Dabei lässt die Amtsrevisionswerberin zunächst außer Acht, dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen ist, dass in der Verfahrensanordnung bloß allgemein von „Konsenswidrigkeiten und Mängeln“ gesprochen und nicht dargetan worden sei, ob diese Differenzierung Auswirkungen auf das von der mitbeteiligten Partei zu bewirkende Ergebnis habe. Der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, dass schon deshalb nicht konkret und unmissverständlich angegeben gewesen sei, welches Ergebnis die mitbeteiligte Partei innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken gehabt hätte, tritt die Amtsrevisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision nicht entgegen.
16 Soweit die Amtsrevisionswerberin weiters vorbringt, in dem in Rede stehenden Bericht des Aufsichtsorgans seien einerseits die vom Konsens erfassten Tätigkeiten und andererseits aufgezeigt worden, worin die Überschreitung des Konsenses gelegen sei, sowie welche Pflichten den Anlagenbetreiber träfen, kann dies anhand des im Akt befindlichen Berichtes nicht nachvollzogen werden. Vielmehr werden in dem vorliegenden Bericht gerade in der vom Verwaltungsgericht beschriebenen Weise verschiedene „Wahrnehmungen“ dargestellt und es wurde bloß zu einzelnen Aspekten des erhobenen Sachverhaltes ausdrücklich angemerkt, dass es sich um „Konsenswidrigkeiten“ handle. Überdies sind in dem Bericht zu manchen Beanstandungen des Aufsichtsorgans auch Maßnahmen beschrieben, die seitens der mitbeteiligten Partei bereits gesetzt worden seien; ob dessen ungeachtet weiterhin ein Mangel oder eine zu beseitigende Konsenswidrigkeit angenommen werde und welches über das bereits erzielte Ergebnis hinaus noch zu erzielen wäre, lässt sich dem in Rede stehenden Bericht nicht entnehmen.
17 Vor diesem Hintergrund zeigt die Amtsrevisionswerberin mit dem wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, in der Verfahrensanordnung vom 31. Juli 2023 und dem darin verwiesenen Quartalsbericht 03 06/2023 des Aufsichtsorgans sei der vom Anlagenbetreiber zu erreichende Sollzustand nicht so hinreichend konkret beschrieben gewesen, dass kein Zweifel daran bestanden habe, welches Ergebnis innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken sei, unvertretbar gewesen wäre. Auch liegt der von der Amtsrevision geltend gemachte Begründungsmangel insoweit nicht vor.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 18. Dezember 2024