JudikaturVwGH

Ra 2023/07/0169 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie Hofrat Mag. Haunold und Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 23. Oktober 2023, LVwG AV 1052/0012021, betreffend Maßnahmen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 (mitbeteiligte Partei: M GmbH [vormals M GmbH] in Hof am Leithagebirge, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schreyvogelgasse 2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid der Amtsrevisionswerberin vom 24. Juli 2018 wurden der Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten die abfallrechtliche Genehmigung und die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Behandlungsanlage für Abfälle bestehend aus einer Sortier- und Recyclinganlage samt Zwischenlagerflächen und Nebenanlagen auf den Grundstücken Nr. 1372 1381, KG K, befristet bis 30. Juni 2028, jeweils unter Vorschreibung von Auflagen, erteilt.

2 Auflagenpunkt 27 lautet wie folgt:

„Hinsichtlich der übernommenen Abfälle zur Zwischenlagerung und Behandlung sind geeignete Aufzeichnungen über Art, Menge, Herkunft und Verbleib zu führen. Diese Aufzeichnungen sind als Jahresbilanzen zusammenzufassen“.

3 Auflagenpunkt 37 (in der Fassung eines Änderungsbescheides vom 19. Dezember 2019) lautet wie folgt:

„Die zur Verwertung vorgesehenen bzw. zwischengelagerten Materialien (Bodenaushub, Erden, Recycling Baustoff UA) sind jeweils nach Abfallart getrennt durch ein externes befugtes Unternehmen (‚befugt‘ nach § 2 AWG 2002) im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit und bautechnische Eignung jedenfalls zumindest einmal pro Jahr untersuchen zu lassen. Zur Bestätigung der Umweltverträglichkeit ist standortbezogen für Bodenaushubmaterial zumindest die Qualitätsklasse A2 (gemäß BAWP 2017) einzuhalten. Es ist ein Untersuchungsmaßstab von maximal 2.500 t zu wählen (bei Verdacht auf eine gefährliche Kontamination ein Untersuchungsmaßstab von 500 t). Für Recyclingmaterial ist die Klasse U A einzuhalten. Die Umweltverträglichkeit ist gemäß Recycling Baustoffverordnung unter Anwendung des Anhangs 3 zu belegen. Die Prüfberichte sind der Behörde nach Vorliegen umgehend zu übermitteln“.

4Mit Bescheid vom 14. April 2021 verfügte die Amtsrevisionswerberin unter Bezugnahme auf § 62 Abs. 2 AWG 2002 die sofortige Schließung der (mittlerweile) auf den Grundstücken Nr. 1374 und 1380/1, KG K, von der Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten konsenswidrig betriebenen ortsfesten Abfallbehandlungsanlage (Sortier und Recyclinganlage samt Zwischenlagerflächen und Nebenanlagen).

5 Begründend wurde ausgeführt, im Zuge einer Überprüfungsverhandlung am 22. Oktober 2020 habe ein Amtssachverständiger für Abfallchemie festgestellt, der Jahresabfallbilanzmeldung für das Jahr 2019 sei zu entnehmen, dass dem Standort K (Recyclinganlage) gerundet 488.000 t Abfälle zugeführt worden seien, wobei die Konsensinhaberin bekannt gegeben habe, dass wesentliche Mengen davon zum Bodenaustausch an der Westfläche zur Verwertung gebracht worden und gemäß der betriebsinternen Aufzeichnung gerundet 207.000 t zur Behandlung und Zwischenlagerung gelangt seien. Im Vergleich der gemeldeten Massen der einzelnen Abfallarten aus der Jahresabfallbilanzmeldung mit den betriebsinternen Aufzeichnungen sei keine Nachvollziehbarkeit gegeben. Auch die Auflage 27 sei teilweise nicht erfüllt. Die letzte Abfallbilanzmeldung zum Jahr 2019 sei mit 13. März 2020 in „das EDM“ eingemeldet worden. In der Detailauswertung seien jedoch Mängel in der Bilanzierung betreffend Einzelbuchungen, fehlende Lagerstände, Restkapazitäten, Behandlungsverfahren und Produktübergaben festzustellen.

6 Weiters habe ein Amtssachverständiger für Deponietechnik und Gewässerschutz festgestellt, dass die Auflage 37 nicht erfüllt worden sei. Es bestünden große Diskrepanzen zwischen der Angabe in der „EDM Bilanz“ für das Jahr 2019 mit 488.000 t und der Materialaufstellung der Betreiberin mit 203.000 t, wobei der Anlagenkonsens mit 190.000 t festgelegt sei. Ausgenommen davon seien jene Mengen, die tatsächlich für Baumaßnahmen verwendet worden seien. Dazu habe die Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten angegeben, Restarbeiten im Bereich der Westfläche durchgeführt zu haben. Weiters sei angeführt worden, dass im gesamten Bereich der Westfläche bis zu 2 m Tiefe ein Bodenaustausch durchgeführt worden sei, um die bautechnische Festigkeit der Fläche zu gewährleisten. Diese Maßnahme sei jedoch „in keinster Weise aus dem Projekt erkennbar“ und es könne auch nicht erkannt werden, inwieweit die geschütteten Materialqualitäten mit dem „HGW“ bzw. den Vorgaben des BAWPL 2017 vereinbar seien. Für die als „Bodenverbesserungen“ durchgeführten Maßnahmen seien entsprechende Untersuchungen vorzulegen, wobei bei der bekannt gegebenen Menge von 150.000 m 3 ca. 100 Untersuchungen vorzulegen seien. Insgesamt seien unter Bezugnahme auf die Bilanz 2019 aus dem „EDM Portal“ 196 Untersuchungen (488.000 t: 2.500 t) erforderlich. Eine Gesamtanzahl der für das Jahr 2019 durchgeführten Untersuchungen habe nicht in kontrollierbarer Form vorgelegt werden können und es sei daher eine entsprechende Ergänzung zu fordern: Pro Berichtsjahr sei eine zusammenfassende Excel Tabelle sämtlicher Einzeluntersuchungen inklusive Angabe der Materialqualität für das Jahr 2019 bis 31. Dezember 2020 vorzulegen. Da die angebliche Bodenverbesserung derzeit keiner zulässigen Verwertungsmaßnahme zugeordnet werden könne, sei für das Jahr 2019 von einer Konsensüberschreitung von 298.000 t auszugehen. Die im genehmigten Projekt vorgesehene Profilierung im Lagerbereich West sei keinesfalls mit den bekannt gegebenen Bodenverbesserungsmaßnahmen bis zu 2 m Tiefe gleichzusetzen.

7 Es sei daher vom Behördenvertreter festgelegt worden, dass die fehlenden Aufzeichnungen und Prüfberichte für das Jahr 2019 betreffend die Auflagen 27 und 37 bis spätestens 31. Dezember 2020 vorzulegen seien.

8 Am 23. Dezember 2020 habe die Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten eine Excel Tabelle mit einer Aufstellung der Materialprüfungen betreffend Auflage 37, allerdings keine Prüfberichte vorgelegt.

9 Mit Schreiben vom 4. Jänner 2021 habe ein Amtssachverständiger für Abfallchemie im Hinblick auf Auflagenpunkt 27 mitgeteilt, dass keine Korrekturen der Bilanzmeldung für das Jahr 2019 im „EDM“ registriert worden seien. Es werde daher davon ausgegangen, dass die eingemeldeten Daten nach wie vor nicht mit den betriebsinternen Aufzeichnungen für die Bilanzperiode vereinbar seien. Die Auflage 27 sei aus fachlicher Sicht weiterhin nur als teilweise erfüllt anzusehen, weil zwar die Jahresabfallbilanzen innerhalb der Fristen vorgelegt worden seien, jedoch die enthaltenen Daten unvollständig seien und nicht mit den betriebsinternen Aufzeichnungen in Übereinstimmung gebracht werden könnten. Diese Stellungnahme des Sachverständigen sei der Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligen mit Schreiben vom 12. Jänner 2021 zur Kenntnis gebracht worden und es sei neuerlich um unverzügliche Vorlage verbesserter Unterlagen ersucht worden. Diesem Ersuchen sei nicht nachgekommen worden.

10 Die Auflagenpunkte 27 und 37 des Bescheides vom 24. Juli 2018 seien daher für das Jahr 2019 nicht erfüllt worden. Es lägen keine Nachweise vor, dass das im Jahr 2019 übernommene Material dem qualitativen Abfallkonsens entspreche. Erschwerend komme hinzu, dass der quantitative Konsens um mehr als 150% überschritten worden sei. Es liege daher zumindest der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes vor.

11In der Folge sei gegenüber der Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten mit Verfahrensanordnung vom 16. Februar 2021 unter Berufung auf § 62 Abs. 2 AWG 2002 zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes angeordnet worden, dass gemäß dem Auflagenpunkt 27 des Bescheides vom 24. Juli 2018 hinsichtlich der im Jahre 2019 übernommenen Abfälle zur Zwischenlagerung und Behandlung geeignete Aufzeichnungen über Art, Menge Herkunft und Verbleib zu führen seien. Diese Aufzeichnungen seien als Jahresbilanzen zusammenzufassen und der Behörde unverzüglich, spätestens jedoch bis 15. März 2021 vorzulegen. Weiters sei angeordnet worden, dass gemäß dem Auflagenpunkt 37 des Bescheides vom 24. Juli 2018 hinsichtlich der im Jahr 2019 „unter Bezugnahme auf die Bilanz aus dem EDM Portal (488.000 t: 2.500 t) übernommenen Materialien“ 196 Untersuchungen erforderlich seien. Die Prüfberichte bezüglich der 196 Untersuchungen seien der Behörde unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 15. März 2021 vorzulegen.

12Ausdrücklich sei unter Bezugnahme auf § 62 Abs. 2 AWG 2002 darauf hingewiesen worden, dass für den Fall, dass die Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten diesen Aufforderungen nicht nachkomme, die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes erforderlichen geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung zu verfügen habe.

13 Dieser Verfahrensanordnung sei nicht entsprochen worden. Die Auflagenpunkte 27 und 37 des Bescheides vom 24. Juli 2018 seien für das Jahr 2019 nach wie vor nicht bzw. teilweise nicht erfüllt. Es lägen keine Nachweise vor, dass das im Jahr 2019 übernommene Material dem qualitativen Abfallkonsens entspreche. Erschwerend komme hinzu, dass der quantitative Konsens um mehr als 150% überschritten worden sei. Es liege daher zumindest der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes vor.

14 Zudem werde der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes der Abfallbehandlungsanlage durch die Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz vom 15. März 2021 erhärtet, derzufolge einem von der Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten zum Zweck der Erfüllung eines weiteren Auflagenpunktes vorgelegten Prüfbericht zu entnehmen sei, dass bei Messungen in Abstromsonden näher konkretisierte Schwellenwertüberschreitungen festzustellen seien. Diese Überschreitungen seien in den Zustromsonden sowie in den seitlich liegenden Sonden nicht feststellbar, weshalb von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der gegenständlichen Anlage und den Grenzwertüberschreitungen auszugehen sei. Aus gewässerschutzfachlicher Sicht sei zu fordern, dass umgehend eine Erhebung seitens des Betreibers durchgeführt werde, in der darzulegen sei, in welcher Form belastetes Sickerwasser in den Untergrund gelange. Dabei seien sämtliche Lagerungsbereiche zu prüfen und ein laufender Nachweis für die ordnungsgemäße Sickerwasserbewirtschaftung durchzuführen. Weiters seien sämtliche Speicherbecken zu entleeren und optisch auf Mängel zu prüfen. Ein entsprechender Vorschlag für die weiteren Maßnahmen sei der Behörde vorzulegen. Auch sei zu prüfen, ob durch die Grenzwertüberschreitungen eventuell andere Grundwassernutzungen beeinträchtigt seien. Dabei werde es als erforderlich erachtet, dass die notwendigen Maßnahmen durch eine unabhängige fachkundige Person festgelegt würden.

15Mit Verfahrensanordnung vom 23. März 2021 sei daher eine weitere Verfahrensanordnung gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 ergangen. Zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes sei die Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten aufgrund des Verdachtes des konsenswidrigen Betriebes aufgefordert worden, unverzüglich den Betrieb der Abfallbehandlungsanlage am Standort KG K, Gst. Nr. 1375 und 1380/1, gänzlich zu schließen und der Behörde unverzüglich, spätestens jedoch bis 2. April 2021, eine schriftliche Bestätigung über die gänzliche Schließung des Betriebes der Abfallbehandlungsanlage vorzulegen. Es sei darauf hingewiesen worden, dass für den Fall, dass die Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten diesen Aufforderungen nicht nachkomme, die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes erforderlichen geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung zu verfügen habe. Auch dieser Verfahrensanordnung sei nicht entsprochen worden, weshalb die bescheidmäßige Schließung zu verfügen gewesen sei.

16 Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge und es behob den angefochtenen Bescheid. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

17 In seiner Entscheidungsbegründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Auflage 27 des Bescheides vom 24. Juli 2018 für das Betriebsjahr 2019 teilweise nicht erfüllt und Auflage 37 nicht erfüllt worden sei. Die Verfahrensanordnungen hätten sich auf den aus der (teilweisen) Nichterfüllung und den in den Verfahrensanordnungen angeführten Stellungnahmen resultierenden Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes im Jahr 2019 bezogen. Die Abfallbehandlungsanlage werde seit 2019 durchgehend betrieben und der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes liege auch für die Folgejahre vor.

18Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung wies das Verwaltungsgericht sodann unter anderem darauf hin, dass nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 lediglich erforderliche und geeignete Maßnahmen zu setzen seien und es führte unter Bezugnahme auf einschlägige Literaturaus, dass sich die Kriterien der Erforderlichkeit und Geeignetheit darauf bezögen, ob mit Maßnahmen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 Konsenswidrigkeiten beseitigt werden könnten. Dabei stelle die Schließung eines Betriebes die härteste Zwangsmaßnahme dar, die nur dann zu verfügen sei, wenn der gebotene Erfolg nicht mit anderen Maßnahmen erreicht werden könne.

19 Fallbezogen kam das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die im Jahr 2021 angeordnete gänzliche Schließung der Abfallbehandlungsanlage nicht erforderlich gewesen sei, um die Konsenswidrigkeit der Konsensüberschreitungen im Jahr 2019 zu beseitigen. Die Voraussetzungen für die Schließung des Betriebes seien im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorgelegen, woran auch der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes in den Folgejahren nichts zu ändern vermöge.

20 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die sich gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.

21 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

22Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

23Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

24Zunächst bringt die Amtsrevisionswerberin zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit von Maßnahmen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002. Dies werde auch durch die entsprechende Fachliteratur offenkundig, weil in dieser regelmäßig lediglich darauf abgestellt werde, dass die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu vergleichbaren Regelungen der GewO 1994 übertragbar erscheine. Die Regelungen des § 360 GewO 1994 und jene des § 62 Abs. 2 AWG 2002 seien zwar ähnlich, aber nicht identisch. Das Fehlen von Rechtsprechung zur im vorliegenden Fall entscheidungswesentlichen Bestimmung des § 62 Abs. 2 AWG 2002 könne nicht durch bloßes „Heranziehen“ der Judikatur zu § 360 GewO 1994 substituiert werden.

25Dazu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass im AWG 2002 vielfach Regelungen den ihnen korrespondierenden Bestimmungen der GewO 1994 nachgebildet sind, weshalb in diesen Fällen auf die Rechtsprechung zur GewO 1994 zurückgegriffen werden kann, während bei anderen Regelungen des AWG 2002 dies nicht der Fall und ein solcher Rückgriff unzulässig ist. Entscheidend für die Heranziehung der Rechtsprechung der GewO 1994 zum Verständnis von Regelungen des AWG 2002 ist die Vergleichbarkeit der Regelungen. Eine Vergleichbarkeit im Sinne dieser Judikatur liegt zwischen den Bestimmungen des § 360 Abs. 1 GewO 1994 und des § 62 Abs. 2 AWG 2002 vor, sodass die zu § 360 Abs. 1 GewO 1994 ergangene Judikatur auf § 62 Abs. 2 AWG 2002 übertragbar erscheint (vgl. VwGH 17.12.2015, 2013/07/0174, mwN).

26Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gelingt es der Amtsrevisionswerberin mit ihrem pauschalen Vorbringen zum Fehlen von Judikatur zu § 62 Abs. 2 AWG 2002 nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

27Darüber hinaus macht die Amtsrevisionswerberin zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision geltend, das angefochtene Erkenntnis sei mit einem entscheidungswesentlichen Begründungsmangel behaftet, weil aus der Begründung des Erkenntnisses nicht hervorgehe, aus welchem Grund das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt sei, die gänzliche Schließung der verfahrensgegenständlichen Abfallbehandlungsanlage sei nicht erforderlich im Sinne des § 62 Abs. 2 AWG 2002 gewesen, um die Konsenswidrigkeit zu beseitigen. Nach Ansicht der Revisionswerberin komme das Verwaltungsgericht „ohne dies ansatzweise zu begründen“ zu dem Schluss, dass die Schließung des Betriebes nicht erforderlich gewesen sei. Lediglich „beiläufig“ werde erwähnt, dass der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes in den Folgejahren an dieser Beurteilung nichts zu ändern vermöge. Auch fehlten entsprechende Feststellungen, auf die der Ausspruch, die gänzliche Schließung der Abfallbehandlungsanlage sei gegenständlich nicht erforderlich gewesen, gestützt werden könne. Vielmehr habe das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Behandlungsanlage seit 2019 durchgehend betrieben werde und der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes auch für die Folgejahre bestehe. Die Beurteilung, die Schließung der Anlage sei zur Beseitigung der Konsenswidrigkeit nicht erforderlich, sei nicht nachvollziehbar.

28 Mit diesem Vorbringen lässt die Amtsrevisionswerberin jedoch außer Acht, dass sich aus dem angefochtenen Erkenntnis sehr wohl ergibt, dass das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Schließung der in Rede stehenden Behandlungsanlage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jahr 2021 ungeeignet gewesen sei, um den Zustand einer behaupteten Konsenswidrigkeit im Jahr 2019 zu beseitigen. Anders als die Amtsrevisionswerberin offenbar meint, hat das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit der Betriebsschließung nämlich lediglich den Verdacht einer Konsensüberschreitung im Jahr 2019 (und nicht auch den Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes in den Folgejahren) zu Grunde gelegt, weil nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes, der die Amtsrevisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision auch nicht entgegengetreten ist die der bescheidmäßigen Schließung vorangegangenen Verfahrensanordnungen lediglich auf den Verdacht von Konsenswidrigkeiten in diesem Zeitraum bezogen gewesen seien. So stellte das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Erkenntnis ausdrücklich fest, dass sich die Verfahrensanordnungen auf den aus der (teilweisen) Nichterfüllung und den in den Verfahrensanordnungen angeführten Stellungnahmen resultierenden Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs „im Jahr 2019“ bezogen hätten.

29 Damit geht aber aus dem angefochtenen Erkenntnis mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass das Verwaltungsgerichtausgehend davon, dass vor dem Hintergrund des § 62 Abs. 2 AWG 2002 nur solche Maßnahmen verfügt werden dürfen, die zur Beseitigung der Konsenswidrigkeit erforderlich und geeignet sind die Auffassung vertrat, dass eine (nachträgliche) Betriebsschließung nicht geeignet und erforderlich sei, um einer allfälligen Konsenswidrigkeit in einem in der Vergangenheit gelegenen und abgeschlossenen Zeitraum zu begegnen. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch der Hinweis des Verwaltungsgerichtes, dass an dieser Beurteilung auch der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes für die Folgejahre nichts zu ändern vermöge als nachvollziehbar, weil sich eben - nach der dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde gelegen Auffassung des Verwaltungsgerichtes - die Verfahrensanordnungen und die bescheidmäßige Schließung nicht auf den Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes in den Folgejahren bezogen hatten. Insoweit liegt der von der Amtsrevision geltend gemachte Begründungsmangel nicht vor.

30 In der vorliegenden Amtsrevision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete und die kostenpflichtige Zurück , in eventu Abweisung der Revision beantragte zurückzuweisen.

31Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. Oktober 2024