Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der Gemeinde Gries am Brenner, vertreten durch Mag. Ferdinand Kalchschmid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas Hofer Straße 2 4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 2. Mai 2024, LVwG 2024/49/0556 5, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem Bundesstraßengesetz 1971 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie; mitbeteiligte Partei: Autobahnen und Schnellstraßen Finanzierungs Aktiengesellschaft, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21. August 2023, mit welchem über Antrag der mitbeteiligten Partei gemäß § 4 Abs. 1 Bundesstraßengesetz 1971 (BStG 1971) der Straßenverlauf eines näher bezeichneten Bundesstraßenbauvorhabens bestimmt worden war, als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen diesen Beschluss eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren wesentlich zu den von der revisionswerbenden Partei mit Schriftsatz vom 13. Februar 2023 erhobenen und mit Schriftsatz vom 16. Februar 2023 ergänzten Einwendungen mit näherer Begründung aus, diese habe in Bezug auf ihr Vorbringen zum Gesundheitsschutz darin zwar die Feststellung getroffen, Inhaberin des Gemeindekindergartens und der Krippe G. zu sein, in weiterer Folge sei von ihr in ihren gesamten Ausführungen jedoch kein einziges Mal eine konkrete Gefährdung der Gesundheit und des Lebens ausgehend vom Vorhaben auf die sich regelmäßig vorübergehend aufhältigen Personen in beiden Einrichtungen der revisionswerbenden Partei vorgebracht worden. Die nur zum Teil erfolgte Bezugnahme auf die ortsansässige Bevölkerung erweise sich in diesem Zusammenhang zur Begründung einer zulässigen Einwendung im Sinn des § 7a Abs. 1 lit. a BStG 1971 als zu unkonkret, weshalb ihre Parteistellung diesbezüglich gemäß § 44b Abs. 1 AVG verloren gegangen sei. In Bezug auf die Einwendungen betreffend den Eigentumsschutz und sonstige dingliche Rechte habe die revisionswerbende Partei eingangs die Feststellung getroffen, Eigentümerin näher bezeichneter Grundstücke zu sein, die von der Verwirklichung des Vorhabens unmittelbar betroffen seien. Ihre Grundstücke würden einerseits direkt zur Umsetzung des Projektes benötigt, weitere Grundstücke seien darüber hinaus durch den auf der Straße zu erwartenden Verkehr in ihrer Nutzbarkeit extrem beeinträchtigt. Mit diesem Vorbringen habe die revisionswerbende Partei eine Gefährdung durch Immissionen des Vorhabens gegenüber dem status quo nicht konkret dargelegt, dieses Vorbringen ziele vielmehr auf eine mögliche Enteignung bzw. verminderte Nutzbarkeit ab. Damit werde eine zulässige Einwendung gemäß § 7a Abs. 1 lit. b BStG 1971 nicht begründet, zumal die von ihr angesprochenen Beschränkungen zu keiner Bedrohung der Substanz bzw. Verwertbarkeit ihrer Grundstücke führten. Zudem werde durch das beantragte Vorhaben im Wesentlichen die bestehende Fahrbahntrasse durch die Errichtung eines zweiten Tragwerkes nach Norden verschoben, was aus Sicht des Immissionsschutzes zu keinerlei Änderung des Immissionsszenarios führe; derartiges sei von der revisionswerbenden Partei auch nicht behauptet worden.
6 Die revisionswerbende Partei bringt in ihrer Begründung für die Zulässigkeit der vorliegenden Revision vor, das Verwaltungsgericht sei insoweit von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es trotz Vorliegen eines entsprechenden Antrages der revisionswerbenden Partei von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen habe, obwohl die revisionswerbende Partei im Beschwerdeverfahren die von der belangten Behörde „angenommenen Tatsachenannahmen bestritten und zugleich einen davon abweichenden Sachverhalt behauptet“ habe. Sie habe in Bezug auf die behauptete „Gefährdung von Nachbarn“ durch die Immissionsbelastung im Beschwerdeverfahren ein weiteres Beweisanbot erstattet, insbesondere die maßgeblich betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich regelmäßig im Kindergarten und in der Krippe aufhielten, sowie die von der Gefährdung durch Immissionen besonders betroffenen Mitarbeiter des Gemeindeamtes als Zeugen genannt, sodass „im Zuge der Einvernahme derselben die Verletzung derselben“ und damit der revisionswerbenden Partei in materiellen Nachbarrechten hätte nachgewiesen werden können. Das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach eine taugliche Einwendung des Nachbarn bereits dann vorliege, wenn aus dem Vorbringen des Nachbarn zu erkennen sei, in welchem vom Gesetz geschützten Recht er sich durch die beabsichtigte Bauführung verletzt erachte (Hinweis auf VwGH 13.4.2010, 2008/05/0141). Die revisionswerbende Partei habe bereits im Rahmen ihres Schriftsatzes vom 13. Februar 2023 in ausdrücklichem Zusammenhang mit ihrer Stellung als Inhaberin des Gemeindekindergartens und der Krippe G. umfassend Einwendungen betreffend Gefährdung der Gesundheit der diese Einrichtungen benützenden bzw. sich regelmäßig dort aufhaltenden Personen durch die aus dem Projekt resultierenden Immissionen geltend gemacht. Das vom Verwaltungsgericht darüber hinausgehende Konkretisierungsgebot finde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Deckung.
7 Weiters sei das Verwaltungsgericht insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es den auf das Eigentum der revisionswerbenden Partei bezogenen Immissionsschutz und die damit verbundene Parteistellung nicht beachtet habe (Hinweis auf VwGH 27.6.2003, 2001/04/0236). Die revisionswerbende Partei habe im Zusammenhang mit ihrer Stellung als Liegenschaftseigentümerin ausführlich auf die mit dem Projekt einhergehende Feinstaubproblematik und den damit verbundenen Eintrag von Schadstoffen, welche im Ultrafeinstaub als Nanopartikel enthalten seien, in die davon betroffenen landwirtschaftlich genutzten Flächen aufmerksam gemacht.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zukäme.
8 Ob ein bestimmtes Parteivorbringen als Einwendung im Rechtssinne verstanden werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn die im Einzelfall erfolgte Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 30.7.2021, Ra 2021/05/0124 und 0125, mwN).
9 Derartiges legt die revisionswerbende Partei nicht dar. Für die Beurteilung der Frage, ob der revisionswerbenden Partei im vorliegenden Fall Parteistellung und damit die Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde zukam, hatte das Verwaltungsgericht zu klären, ob diese ihre subjektiv öffentlichen Rechte betreffenden Einwendungen rechtzeitig innerhalb der Einwendungsfrist nach § 44b Abs. 1 iVm § 44a Abs. 2 Z 2 AVG erhoben hat. Das erst im Beschwerdeschriftsatz erstattete Vorbringen ist für diese Beurteilung hingegen nicht relevant, weshalb mit den dazu ergangenen Zulässigkeitsausführungen keine Unvertretbarkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes aufgezeigt wird. Zum Zulässigkeitsvorbringen betreffend das Konkretisierungserfordernis ist auszuführen, dass Nachbarn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur ihre eigenen subjektiv öffentlichen Rechte geltend machen können; zur Wahrung fremder Rechte ist grundsätzlich niemand legitimiert (vgl. VwGH 28.2.2018, Fe 2016/06/0001 , mwN, zu einem Baubewilligungsverfahren). Eine Unvertretbarkeit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Beurteilung, wonach aus dem sich ausschließlich auf die ortsansässige Bevölkerung beziehenden Vorbringen der revisionswerbenden Partei nicht hervorgehe, dass und inwiefern diese als Inhaberin des Gemeindekindergartens und der Krippe G. Einwendungen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes der sich darin aufhaltenden Personen im Zusammenhang mit sich aus dem gegenständlichen Vorhaben ergebenden konkreten Gefährdungen geltend mache, wird insoweit nicht dargelegt.
10 Soweit die revisionswerbende Partei vorbringt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, ist auszuführen, dass gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine öffentliche mündliche Verhandlung im Sinn des § 24 Abs. 1 leg. cit. (u.a.) dann entfallen kann, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Denn eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht jedoch über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art. 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung „über eine strafrechtliche Anklage“ oder „über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen“. Die Verfahrensgarantie des „fair hearing“ im Sinn des Art. 6 EMRK kommt daher nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse wie etwa der Verlust der Parteistellung entgegenstehen (vgl. etwa VwGH 22.1.2019, Ra 2018/05/0282 und 0283, mwN).
11 Ausgehend von der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach die revisionswerbende Partei keine tauglichen Einwendungen erhoben und sie damit ihre Parteistellung verloren habe, trifft der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht keine mündliche Verhandlung durchgeführt, nicht zu.
12 Die Behauptung der revisionswerbenden Partei, sie habe im Zusammenhang mit ihrer Stellung als Liegenschaftseigentümerin auf die mit dem Projekt einhergehende Feinstaubproblematik und den damit verbundenen Eintrag von Schadstoffen in die davon betroffenen landwirtschaftlich genutzten Flächen aufmerksam gemacht, trifft vor dem Hintergrund der im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen, in welchen die Einwendungsschriftsätze der revisionswerbenden Partei abgedruckt sind, nicht zu; vielmehr wurde darin die Feinstaubproblematik ausschließlich im Zusammenhang mit der behaupteten Gesundheitsgefährdung der ortsansässigen Bevölkerung thematisiert.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 10. Juli 2024