JudikaturVwGH

Ra 2024/01/0430 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des A, vertreten durch Dr. Peter Bergt, Rechtsanwalt in Telfs, als bestellter Verfahrenshelfer, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 2024, Zl. W184 22925641/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid vom 17. April 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers, eines syrischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigen ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

3 Das Absehen von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung gründete es zusammengefasst darauf, dass der Sachverhalt auf Basis eines umfassenden Ermittlungsverfahrens durch die belangte Behörde aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA VG geklärt sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Durchführung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattetin einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sachund Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen (vgl. etwa VwGH 15.4.2025, Ra 2024/01/0087, Rn. 11, mwN). Dementsprechend entziehen sich Änderungen der Sach und Rechtslage, die sich nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ereignet haben, einer Prüfung im gegenständlichen Revisionsverfahren.

6 Die Revision ist in Bezug auf das im Zulässigkeitsvorbringen gerügte Abweichen von näher dargelegter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen der Unterlassung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG zulässig und berechtigt.

7In seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, legte der Verwaltungsgerichtshof mit ausführlicher Begründungauf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird dar, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

8 Der Revisionswerber hat in seiner Beschwerde den durch die Verwaltungsbehörde erhobenen Sachverhalt nicht bloß unsubstantiiert bestritten. Schließlich hat das Verwaltungsgericht den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt um Feststellungen zur Erreichbarkeit der Herkunftsregion ergänzt.

9 Das Verwaltungsgericht durfte somit nicht von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA VG ausgehen, sondern es hätte nach den oben dargestellten Kriterien eine mündliche Verhandlung durchführen müssen.

10Die Missachtung der Verhandlungspflicht führt im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK und wie hier gegebendes Art. 47 GRC zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, ohne dass die Relevanz dieses Verfahrensmangels geprüft werden müsste (vgl. etwa VwGH 14.11.2024, Ra 2024/01/0229, Rn. 9, mwN).

11Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. Juli 2025