Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Zettl, über die Revision des C C, vertreten durch Mag. Ali Polat, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Andreasgasse 4/15, gegen das am 9. Mai 2022 mündlich verkündete und mit 16. Mai 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW 151/082/11190/2021 37, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 25. Mai 2021 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Antrag des Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot Weiß Rot Karte plus“ gemäß § 13 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 19 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Revisionswerber sei mit Schreiben vom 13. Jänner 2021 aufgefordert worden, ein aktuelles Lichtbild vorzulegen, er sei dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, der Revisionswerber habe bei seiner Antragstellung und im verwaltungsbehördlichen Verfahren bis zur Erlassung des Bescheides kein Lichtbild im Original vorgelegt. Dem Verbesserungsauftrag der belangten Behörde, der gemeinsam mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme in einem Kuvert abgefertigt und seinem anwaltlichen Vertreter zugestellt worden sei, sei der Revisionswerber bis zur Erlassung des Bescheides nicht nachgekommen.
4 In seiner Beweiswürdigung hielt das Verwaltungsgericht zur Zustellung des Verbesserungsauftrages fest, im Akt der belangten Behörde befinde sich jeweils nur ein Original der beiden behördlichen Schreiben (Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme; Verbesserungsauftrag). Es liege daher der Schluss nahe, dass jeweils eine Ausfertigung der beiden Erledigungen auch in das Kuvert gelegt und abgefertigt worden sei. Im System der belangten Behörde sei die Abfertigung hinsichtlich beider Schreiben vermerkt worden und die damit befasste Zeugin habe den Vorgang des Absendens glaubwürdig dargestellt. Das Vorbringen des Revisionswerbers sei demgegenüber nicht überzeugend gewesen. Darüber hinaus führte das Verwaltungsgericht aus, das in der mündlichen Verhandlung gänzlich neu erstattete Vorbringen, wonach ein Lichtbild bereits bei der Antragstellung mitgeschickt worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Der anwaltliche Vertreter des Revisionswerbers habe sich nämlich nicht erinnern können, ob das Lichtbild dem Antrag beigefügt gewesen sei, wie es vor dem Absenden an das (postalische) Antragsschreiben angebracht hätte sein sollen, oder ob es lediglich ins Kuvert gelegt worden sei. Bei der elektronischen Einreichung per E Mail sei ein Lichtbild auf der ersten Seite des Antrags unstrittig nicht mitgescannt worden. Zudem würden auch weder der ausgedruckte gescannte Antrag noch das nachfolgend per Post übermittelte Original auf manipulative Vorgänge hindeuten.
5 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, es sei lediglich Sache des Beschwerdeverfahrens, ob die Zurückweisung des Antrags durch die belangte Behörde zu Recht erfolgt sei. Dies sei zu bejahen, weil der Antrag des Revisionswerbers wegen des Fehlens eines Passfotos (von Anfang an) mangelhaft gewesen sei, der Revisionswerber dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen sei und er auch keinen Antrag nach § 19 Abs. 8 NAG gestellt habe.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 15. März 2023, E 1712/2022, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 In der Folge erhob der Revisionswerber die hier gegenständliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 Der Revisionswerber bringt in der Zulässigkeitsbegründung zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe die maßgebliche Sach- und Rechtslage zu seinem Entscheidungszeitpunkt ignoriert, weil der Revisionswerber im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ein Lichtbild gemäß § 2a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz Durchführungsverordnung (NAG DV) vorgelegt habe. Der Mangel des fehlenden Lichtbildes sei daher geheilt gewesen, weshalb das Verwaltungsgericht eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag hätte treffen müssen. Zudem sei auch der belangten Behörde zunächst gemeinsam mit dem Antrag per Post und schließlich nach Erlassung des Bescheides ein Lichtbild übermittelt worden. Die Zurückweisung des Antrags des Revisionswerbers sei daher zu Unrecht erfolgt.
11 Soweit sich der Revisionswerber mit diesem Vorbringen (auch) gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts wendet und geltend macht, er habe schon vor der Erlassung des Bescheides ein Lichtbild vorgelegt, zeigt er mit diesem nicht weiter konkretisierten Vorbringen keine Unvertretbarkeit der zum gegenteiligen Ergebnis gelangenden Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts auf (siehe oben Rn. 4; zum diesbezüglich maßgeblichen Beurteilungskalkül vgl. etwa VwGH 19.9.2023, Ra 2021/22/0225, Rn. 16, mwN).
12 Nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses, welchen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision somit nicht (ausreichend) entgegengetreten wird, hat der Revisionswerber bei seiner Antragstellung und im verwaltungsbehördlichen Verfahren kein Lichtbild im Sinn des § 2a NAG DV vorgelegt und ist dem Verbesserungsauftrag der belangten Behörde bis zur Erlassung des Bescheides nicht nachgekommen.
13 Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels jedoch entgegen der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 2 NAG DV überhaupt kein Lichtbild beigelegt, liegt wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2024/22/0010, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, ausgesprochen hat ein Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG vor, der nach fruchtlosem Ablauf der Frist zur Behebung des Mangels die Niederlassungsbehörde zur Zurückweisung des Antrags berechtigt. Die durch die Abweisung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht bestätigte Zurückweisung des Antrags des Revisionswerbers durch die belangte Behörde ist daher unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden.
14 Soweit der Revisionswerber vorbringt, das Verwaltungsgericht habe die maßgebliche Sach- und Rechtslage zu seinem Entscheidungszeitpunkt insofern ignoriert, als der Revisionswerber dem Verwaltungsgericht ein Lichtbild vorgelegt habe, ist darauf hinzuweisen, dass im Fall der Zurückweisung eines Antrags Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage ist, ob die Zurückweisung zu Recht erfolgt ist (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/22/0237, Rn. 8, mwN). Die Behebung eines Mangels, der zur Zurückweisung des Anbringens im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG geführt hat, kann daher im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeholt werden (vgl. VwGH 12.7.2023, Ro 2022/03/0053, Rn. 28). Der Beschränkung der Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts auf eine angefochtene Zurückweisungsentscheidung der Behörde liegen Rechtsschutzerwägungen zugrunde, würde doch wenn es dem Verwaltungsgericht möglich wäre, eine sofortige Entscheidung in der Sache unter Umgehung der zuständigen Behörde zu treffen der Prüfung eines gestellten Antrags in der Sache selbst und damit den Parteien eine Instanz genommen werden (vgl. VwGH 17.10.2016, Ra 2016/22/0059 und 0060).
15 Das Verwaltungsgericht hat vor diesem Hintergrund zu Recht darauf abgestellt, dass auch die Vorlage eines Lichtbildes nach Erlassung des Bescheides bzw. im Beschwerdeverfahren am Vorliegen des diesbezüglichen Zurückweisungsgrundes zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde nichts geändert hätte (vgl. auch VwGH 3.3.2011, 2009/22/0080, wonach eine Verbesserung nach Erlassung eines erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheides wirkungslos ist).
16 Der Revisionswerber moniert in der Zulässigkeitsbegründung weiters, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Bestimmung des § 2a NAG DV eine Schlechterstellung für türkische Staatsangehörige im Sinn der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 darstelle.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits mit näherer Begründung festgehalten, dass die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 der Anwendung der sich aus § 2a Abs. 2 NAG DV ergebenden Anforderung, zur Erlangung eines Aufenthaltstitels nach § 8 NAG ein im Entscheidungszeitpunkt maximal sechs Monate altes Lichtbild gemäß § 2a NAG DV vorzulegen, auf türkische Staatsangehörige nicht entgegensteht (vgl. VwGH 24.8.2023, Ro 2021/22/0014 und 0015, Rn. 21).
18 Soweit der Revisionswerber schließlich meint, das Verwaltungsgericht habe den Bescheid der belangten Behörde entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 28 Abs. 3 bzw. Abs. 4 VwGVG zu Unrecht behoben und die Angelegenheit an die Behörde zurückverwiesen, genügt der Hinweis, dass das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht nach dieser Bestimmung vorgegangen ist, sondern die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen und damit den Spruch des angefochtenen Bescheides bestätigt hat (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 20.10.2021, Ra 2021/09/0133, Rn. 12).
19 Letztlich macht der Revisionswerber geltend, er habe seinen Antrag per Post bzw. per E Mail gestellt, weshalb keine wirksame Eingabe vorgelegen sei, weil die Möglichkeit der postalischen oder elektronischen Antragstellung gemäß § 19 Abs. 1a NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 am 31. Dezember 2020 außer Kraft getreten sei.
20 Dazu ist (abgesehen davon, dass § 19 Abs. 1a NAG zwar entgegen dem Revisionsvorbringen nicht am 31. Dezember 2020 außer Kraft getreten ist, sondern zunächst mit BGBl. I Nr. 146/2020 bis zum Ablauf des 30. Juni 2021 und in der Folge erneut verlängert wurde, sich diese Bestimmung aber insofern nicht als einschlägig erweist, weil sie sich auf Verlängerungsanträge und Zweckänderungsanträge bezieht, dem vorliegenden Fall aber ein Erstantrag zugrunde liegt) auf Folgendes zu verweisen: Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass § 19 Abs. 1 erster Satz NAG ein Formalerfordernis begründet. Dessen Missachtung darf nicht zur sofortigen Zurückweisung führen, sondern ist einer Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugänglich, die in einer persönlichen Bestätigung der Antragstellung besteht (vgl. VwGH 17.6.2019, Ra 2018/22/0197, Rn. 9, mwN).
21 Entgegen dem Revisionsvorbringen lag somit eine rechtswirksame der Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugängliche Eingabe des Revisionswerbers vor, die von der belangten Behörde mangels Vorlage eines Lichtbildes gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 NAG DV nach dem Gesagten zu Recht zurückgewiesen worden ist.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
23 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 25. April 2024