JudikaturVwGH

Ra 2023/21/0159 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und die Hofrätinnen Dr. Wiesinger und Dr. in Oswald als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2023, 1. L515 1404160 4/5E, 2. L515 2222934 2/5E, 3. L515 1306043 4/5E und 4. L515 1313978 4/5E, betreffend Entziehung von Fremdenpässen (mitbeteiligte Parteien: 1. A S, 2. I S, 3. W T S, und 4. N S, alle vertreten durch die Mutter I S in L), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

1Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. September 2023 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Beschwerden der Mitbeteiligten, aserbaidschanischen Staatsangehörigen, gegen die mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) jeweils vom 28. April 2023 (wegen rechtskräftiger Aberkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigte) gemäß § 93 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnete Entziehung ihrer am 13. März 2019 ausgestellten Fremdenpässe statt, hob die bekämpften Bescheide jeweils auf und verwies die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an die belangte Behörde zurück. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG ferner jeweils aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Dagegen wendet sich die gegenständliche außerordentliche Amtsrevision des BFA, in der mit näherer Begründung die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt wird, weil das BVwG die Beschwerden hätte inhaltlich behandeln und abweisen müssen.

3 Mit Schreiben vom 3. März 2025 gab der Verwaltungsgerichtshof dem BFA Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern, ob noch ein rechtliches Interesse an der inhaltlichen Erledigung der Revision bestehe. Die Gültigkeitsdauer der Fremdenpässe sei nämlich jeweils mit 12. März 2024 abgelaufen.

4Dazu erstattete das BFA eine Stellungnahme, in der es im Wesentlichen in Anlehnung an das PassG, dem das FPG insoweit teilweise nachgebildet sei, die Auffassung vertrat, dass auch ein abgelaufener Fremdenpass bis zur rechtskräftigen Entziehung als Identitätsnachweis herangezogen werden könne, weshalb angesichts des Schutzzwecks des § 93 FPG die Entziehung der Fremdenpässe geboten sei. Abgelaufene Fremdenpässe könnten nämlich insofern anders als nach dem PassGfür Identitätszwecke nicht behalten werden, da dies keinen „Erteilungsgrund“ iSd § 88 FPG darstelle und für diesen Zweck die Identitätskarte nach § 94a FPG vorgesehen sei. Da erst mit der vollstreckbaren Entziehung eines Fremdenpasses die Verpflichtung zur Vorlage an das BFA gemäß § 93 Abs. 2 FPG bestehe, erweise sich die formelle Entscheidung über die Entziehung auch abgelaufener Fremdenpässe als notwendig, sodass weiterhin ein Rechtsschutzinteresse bestehe.

5Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Diese Bestimmung ist nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat. Dies gilt (sinngemäß) auch für Amtsrevisionen (vgl. etwa VwGH 29.8.2024, Ra 2024/21/0131, Rn. 6, mwN).

6 Infolge des Ablaufs der Gültigkeitsdauer der Fremdenpässe ist nicht ersichtlich, weshalb eine inhaltliche Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den hier angefochtenen Beschluss für die belangte Behörde noch einen objektiven Nutzen hätte oder es sonst einen Unterschied machen würde, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird. Entgegen der vom BFA in seiner Stellungnahme vertretenen Rechtsansicht kommt nämlich eine Entziehung von Fremdenpässen nach dem hier die Sache des Beschwerdeverfahrens begrenzendenTatbestand des § 93 Abs. 1 Z 1 FPG von vornherein nur für gültige Fremdenpässe in Frage (vgl. zur Unzulässigkeit der Entziehung von nicht mehr als Reisedokument verwendungsfähigen Reisepässen, die nicht mehr gültigen Fremdenpässen gleichzuhalten sind, nach dem insoweit inhaltsgleichen § 15 Abs. 1 PassG das Erkenntnis VwGH 4.10.2006, 2006/18/0307). Für dieses Ergebnis spricht auch ganz eindeutig der in der Stellungnahme des BFA erwähnte Abs. 2 des § 93 FPG, wonach vollstreckbar entzogene Fremdenpässe „keine gültigen Reisedokumente“ darstellen, wo also darauf abgestellt wird, dass ein (sonst) noch gültiges Reisedokument entzogen wurde.

7 Im Übrigen wurde allen Mitbeteiligten was in der Stellungnahme des BFA unerwähnt bleibt bereits mit Wirksamkeit vom 4. April 2024 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen, wie sich aus den vom Verwaltungsgerichtshof eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister und aus den beigeschafften Staatsbürgerschaftsbestätigungen ergibt. In den Beschwerden hatten die Mitbeteiligten aber ausdrücklich nur beantragt, das BVwG möge die angefochtenen Bescheide dahin abändern, dass ihnen die „Beibehaltung“ der Fremdenpässe bis zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft „gewährt“ werde. Es bestehen somit keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihre (mittlerweile abgelaufenen) Fremdenpässe über entsprechende Aufforderung dem BFA nicht vorlegen würden.

8Zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht berufen (vgl. nochmals VwGH 29.8.2024, Ra 2024/21/0131, nunmehr Rn. 7, mwN).

9 Auf Grund des Wegfalls des rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof war die vorliegende Revision somitin sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Wien, am 8. Mai 2025