JudikaturVwGH

Ra 2023/16/0131 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der M R in M, vertreten durch Mag. Gerhard Posch, Rechtsanwalt in 4563 Micheldorf, Hauptstraße 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. September 2023, RV/5100783/2022, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 25. November 2021 forderte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde von der Revisionswerberin die für den Zeitraum April 2019 bis Juni 2021 für ihren Sohn gewährte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen in Höhe von 6.394,50 € zurück. Dieser Bescheid wurde via FinanzOnline zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

2 Mit als „Ansuchen um Bescheid Aufhebung“ bezeichnetem Schreiben vom 14. März 2022 ersuchte die Revisionswerberin „um Aufhebung des Rückforderungsbescheid“. Unter einem brachte sie ein ausgefülltes Formblatt „Beih 100“ ein, mit dem die Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Zeitraum April 2019 bis Februar 2021 beantragt wurde.

3 Mit Bescheid vom 7. September 2022 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde diesen Antrag wegen entschiedener Sache zurück. Mit dem Rückforderungsbescheid vom 25. November 2021 habe das Finanzamt bereits rechtskräftig entschieden, dass für den genannten Zeitraum keine Familienbeihilfe zustehe.

4 In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom 30. September 2022 brachte die Revisionswerberin vor, dass sie „den Antrag §§ 299 BAO korrekt mit sämtlichen Unterlagen beim Finanzamt eingebracht“ habe. Mit dem Antrag wären die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides und die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt, verbunden worden. Damit wären sämtliche Voraussetzungen erfüllt.

5 Mit Bescheid vom 7. November 2022 hob die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den Bescheid vom 7. September 2022 gemäß § 299 Abs. 1 BAO auf. Mit weiterem Bescheid vom 10. November 2022 hob sie auch den Rückforderungsbescheid vom 25. November 2021 gemäß § 299 Abs. 1 BAO auf und erließ gemäß § 299 Abs. 2 BAO am 11. November 2022 einen neuen Rückforderungsbescheid. Die Rückforderung wurde mit näherer Begründung auf die Zeiträume April 2019 bis September 2020 und April 2021 bis Juni 2021 eingeschränkt.

6 Am 15. November 2022 erging ein Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde, mit dem der mit Schreiben vom 14. März 2022 gestellte Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe neuerlich, jedoch nur für den Zeitraum April 2019 bis September 2020, zurückgewiesen wurde. Die Behörde habe bereits am 11. November 2022 mit Rückforderungsbescheid über den Anspruch auf Familienbeihilfe abgesprochen. Dieser Bescheid sei „in Rechtskraft erwachsen, somit unanfechtbar und unwiderrufbar, sodass die Abgabenbehörde in der durch den Bescheid erledigten Sache nicht neuerlich entscheiden“ könne.

7 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 17. November 2022 erklärte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Beschwerde vom 30. September 2022 gegen den Bescheid vom 7. September 2022 gemäß § 261 Abs. 1 lit. b BAO als gegenstandslos. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdebegehren „am 10.11.2022 mit der ersatzlosen Aufhebung des Rückforderungsbescheides vom 25.11.2021 Rechnung getragen“ worden sei.

8 Dagegen richtete sich der als „Beschwerde an das Bundesfinanzgericht“ bezeichnete Vorlageantrag der Revisionswerberin vom 6. Dezember 2022, infolge dessen das Bundesfinanzgericht über die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis abweisend entschieden hat. Unter einem sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

9 Das Bundesfinanzgericht wertete den Bescheid vom 15. November 2022, mit dem der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe neuerlich zurückgewiesen wurde, als Bescheid, der gemäß § 299 Abs. 2 BAO mit jenem über die Aufhebung des Zurückweisungsbescheides vom 7. September 2022 welche mit Bescheid gemäß § 299 Abs. 1 BAO vom 7. November 2022 erfolgte verbunden und daher an dessen Stelle getreten sei. Gemäß § 253 BAO gelte die Beschwerde vom 30. September 2022 auch als gegen den späteren Bescheid (den zweiten Zurückweisungsbescheid vom 15. November 2022) gerichtet.

10 Der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe vom 14. März 2022 erweise sich als unzulässig, weil diesem die durch den rechtskräftigen Rückforderungsbescheid entschiedene Sache (res iudicata) entgegenstehe. Die Beschwerde sei demnach abzuweisen.

11 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bundesfinanzgericht weiche mit dem angefochtenen Erkenntnis von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Berufsausbildung im Hinblick auf § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) ab. Der Sohn der Revisionswerberin habe sich während des Zeitraums vom 7. bis 15. Dezember 2019 in einer Berufsausbildung zum Schilehrer befunden.

16 Die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat. Dieser stellt den äußersten Rahmen dar, durch den die Angelegenheit begrenzt wird. Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen und wird dagegen Beschwerde erhoben, ist „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung. Das Verwaltungsgericht hat allein zu prüfen, ob die inhaltliche Behandlung des Antrags zu Recht verweigert worden ist (vgl. VwGH 19.12.2023, Ra 2023/19/0065, mwN).

17 Mit ihrem nicht auf die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens (Rechtmäßigkeit der Zurückweisung) bezogenen Vorbringen zeigt die Revisionswerberin das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf. Dass die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde oder das Bundesfinanzgericht zu Unrecht vom Vorliegen einer entschiedenen Sache ausgegangen wären, wird in der Revision nicht behauptet.

18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 21. Februar 2024

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