Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. I. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in den Revisionssachen 1. der N K und 2. der Z A, beide vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 27. Februar 2023, 1. L518 2256625 1/10E und 2. L518 2256624 1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der Zweitrevisionswerberin. Beide Revisionswerberinnen sind Staatsangehörige Pakistans sowie Angehörige der Ahmadiyya Religionsgemeinschaft (auch: Ahmadi). Sie stellten am 30. September 2021 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und begründeten diese im Wesentlichen damit, in ihrer Heimat als Angehörige der Ahmadis bedroht und verfolgt worden zu sein.
2 Mit Bescheiden je vom 18. Mai 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerberinnen ab, erteilte ihnen jeweils keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte jeweils fest, dass ihre Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerberinnen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Mit Mandatsbescheiden vom 14. März 2023 widerrief das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die jeweils festgelegte Frist für die freiwillige Ausreise.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revisionswerberinnen wenden sich in der Begründung zur Zulässigkeit ihrer Revisionen gegen die Versagung der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und machen geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht ausreichend mit der Frage der religiösen Verfolgung von Angehörigen der Ahmadis in Pakistan auseinandergesetzt. Vor dem Hintergrund, dass die beiden Revisionswerberinnen gläubige und aktive Ahmadis seien, habe das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und die ins Verfahren eingeführten Länderberichte nur unvollständig und grob mangelhaft in der Beweiswürdigung der Erkenntnisse gewürdigt.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.1.2023, Ra 2022/20/0313, mwN).
10 Die Revisionen berufen sich auf das Urteil des EuGH vom 5. September 2012, Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z , C 71/11 und C 99/11, wonach es Sachverhaltsermittlungen bedürfe, inwiefern es Ahmadis möglich sei, den Glauben in Pakistan öffentlich zu leben, welche Konsequenzen dies nach sich ziehe und welche beruflichen und gesellschaftlichen Nachteile drohen würden. Dazu ist allgemein festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf dieses Urteil des EuGH bereits erkannt hat, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor asylrelevanter Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Der EuGH hat in der zitierten Entscheidung auch ausdrücklich hervorgehoben, dass die Behörden bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling dem Antragsteller nicht zumuten können, auf diese religiöse Betätigung zu verzichten, um eine Verfolgung zu vermeiden (vgl. VwGH 29.6.2022, Ra 2021/20/0376; 29.1.2021, Ra 2020/01/0397, jeweils mwN).
11 Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von den Revisionswerberinnen machen konnte, mit ihrem Vorbringen zu den Gründen ihrer Flucht ausführlich auseinandergesetzt. Es ist im Rahmen einer umfassenden und schlüssigen Beweiswürdigung unter Zugrundelegung der entsprechenden Länderberichte zu dem Ergebnis gekommen, dass den Angaben der Revisionswerberinnen zur vorgebrachten Verfolgung aufgrund näher dargelegter Widersprüche, Steigerungen im Vorbringen und Ungereimtheiten in ihren Aussagen die Glaubwürdigkeit zu versagen sei. Das Verwaltungsgericht ist weiters zum Schluss gelangt, dass sie nicht an der Ausübung ihres Glaubens gehindert worden seien und sie ihren Herkunftsstaat lediglich aus persönlichen Motiven bzw. aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hätten. Aufgrund dessen hat das Bundesverwaltungsgericht eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung der Revisionswerberinnen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya verneint. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich fallbezogen auch anhand der Länderberichte zur allgemeinen Lage von Angehörigen der Ahmadis in Pakistan auseinandergesetzt und darauf basierend das Vorliegen einer Gruppenverfolgung verneint. So seien in näher genannten Städten 90 95 % der Einwohner Ahmadis, schwere Gewalttaten gegen diese fänden dort nur selten statt. Dieser Annahme setzen die Zulässigkeitsbegründungen der Revisionen nichts entgegen.
12 Die Revisionen zeigen hinsichtlich ihrer Zulässigkeit weder auf, dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts unvertretbar wären (vgl. zum insoweit im Revisionsverfahren gegebenen Prüfkalkül etwa VwGH 23.11.2022, Ra 2022/14/0308 bis 0310, mwN), noch setzen sie sich mit den rechtlichen Erwägungen in den angefochtenen Erkenntnissen in Bezug auf das Nichtvorliegen der Fluchtgründe auseinander.
13 Soweit im Zulässigkeitsvorbringen der Revisionen im Zusammenhang mit den Länderberichten Feststellungs-, Ermittlungs- und Begründungsmängel gerügt werden, machen sie Verfahrensmängel geltend. Werden solche als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl.VwGH 27.7.2022, Ra 2022/14/0201, mwN). Die Revisionen lassen eine entsprechende Darstellung jener Tatsachen, die sich bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensfehler allenfalls nach weiteren Erhebungen als erwiesen ergeben hätten, vermissen.
14 Es bleibt auch im Dunkeln, welcher „Erörterung“ es all der (aus den angefochtenen Erkenntnissen) zitierten Passagen aus den Länderberichten bedurft hätte und welche Verfahrensergebnisse dabei erzielt worden wären.
15 Wenn die Revisionen vermeinen, dass sich eine Verfolgungsgefahr schon allein aus den Länderberichten ergebe, sind sie darauf zu verweisen, dass eine Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2022/14/0122, mwN).
16 Soweit die Revisionen darüber hinaus vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe die von den Revisionswerberinnen gestellten Beweisanträge „unberechtigt und vorgreifend abgelehnt“, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen ist, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 7.3.2022, Ra 2022/14/0036, mwN).
17 Eine derart krasse Fehlbeurteilung vermögen die Revisionen mit ihrem diesbezüglich kursorischen Vorbringen nicht aufzuzeigen, zumal das Bundesverwaltungsgericht ausreichend begründet hat, warum es von der beantragten Einholung eines landeskundlichen Sachverständigengutachtens und der Zeugeneinvernahme Abstand genommen hat.
18 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 29. März 2023