Spruch
W189 2297686-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2024, Zl. 1345019703-230477669, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.06.2025, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: der BF), ein somalischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 05.03.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am Folgetag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Zu seinem Ausreisegrund gab er zu Protokoll, dass er Somalia wegen der Terrormiliz Al Shabaab und wegen Diskriminierung verlassen habe. Die Terrormiliz Al Shabaab habe seine Schwester entführt und seine Mutter getötet. Für ihn sei es nicht mehr sicher gewesen. Im Fall seiner Rückkehr in die Heimat habe er Angst, von der Terrormiliz Al Shabaab getötet zu werden.
2. In seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: das BFA) vom XXXX .2024 machte der BF nähere Ausführungen zu seinem Ausreisegrund.
3. Mit Bescheid des BFA vom 05.07.2024 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkte II. und III.).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist Beschwerde, über welche das Bundesverwaltungsgericht am 24.06.2025 in beider Anwesenheit eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchführte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF
Die Identität des BF steht nicht fest. Er ist ein Staatsangehöriger von Somalia und stammt aus dem in der Region Lower Shabelle, im Distrikt Qoryooley gelegenen Dorf XXXX (Koordinaten: XXXX ). Er gehört der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime an. Entgegen seinem Vorbringen kennt der BF die Clanzugehörigkeit seines Vaters und ist keine Person ohne Clanidentität. Er gehört einem Mehrheitsclan an und wurde nicht von der Al Shabaab bedroht.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia
1.2.1. Bevölkerungsstruktur
Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Somalia ist nach Angabe einer Quelle ethnisch sehr homogen; allerdings sei der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung unklar (AA 28.6.2022, S. 11/14). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85 % der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS 12.4.2022, S. 40). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA 3.7.2018). Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden (UNOCHA 14.3.2022; vgl. NLMBZ 1.12.2021, S. 44). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6 % bis hin zu 33 %. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ 1.12.2021, S. 44; vgl. SEM, 31.5.2017, S. 12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 18.4.2021, S. 12). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, S. 5).
Insgesamt ist das westliche Verständnis einer Gesellschaft im somalischen Kontext irreführend. Dort gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zudem herrscht eine starke Tradition der sozialen Organisation abseits des Staates. Diese beruht vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Abstammungsgruppen. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern (BS 2022, S. 34). Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S. 8).
Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S. 5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, „noble“ Clanfamilien sind meist Nomaden:
Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.
Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.
Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).
Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.
Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie (SEM 31.5.2017, S. 10). Vor dem Bürgerkrieg der 1990er war noch auf sie herabgesehen worden. Allerdings konnten sie sich bald militärisch organisieren (BS 2020, S. 9).
Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, S. 25). In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (FIS 7.8.2020, S. 38ff).
Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen „nobler“ Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, S. 5). Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, S. 9). Zudem gewinnt die Mitgliedschaft in einer islamischen Organisation immer mehr an Bedeutung. Dadurch kann eine „falsche“ Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden (BS 2022, S. 25).
1.2.2. Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit, Clanlose
Auch Angehörige starker Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gerät eine Einzelperson immer dann in die Rolle der Minderheit, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Die Position als "Gast" ist schwächer als jene des "Gastgebers". Im System von "hosts and guests" sind Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als "Gäste". Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017, S. 11f/32f). Ein Beispiel derartiger Auswirkungen stammt aus Puntland. Dort haben Sicherheitskräfte mehrere junge Männer festgenommen, von denen angenommen wird, dass sie hinter einer Reihe von Angriffen auf Mitglieder der Ogadeni [Anm.: Der in Jubaland und kenianischen Somali-Gebieten vorherrschende Clan] in Garoowe stecken. Die Übergriffe wurden ausgelöst, weil eine Gruppe Jugendlicher in Nairobi einen jungen Mann aus Garoowe angegriffen und die Tat gefilmt hat. Die Angriffe in Garoowe gelten als Vergeltung für den Angriff in Nairobi (HO 8.9.2024).
Diskriminierung: In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus. Diskriminierung erfolgt etwa auch beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Gerichtsverfahren (USDOS 22.4.2024). Angehörige eines (Sub-)Clans können in von einem anderen (Sub-)Clan dominierten Gebiete auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 18.4.2021, S. 12). Auch kann es vorkommen, dass Personen, die einer kleinen Gruppe innerhalb eines großen Clans angehören, von den Nachbarn als Minderheit wahrgenommen und diskriminiert werden (AQSOM 4 6.2024).
Menschen aus Somaliland werden in Süd-/Zentralsomalia nicht diskriminiert. Sie haben Vertreter im System, in der Regierung, im Parlament. Einige junge Somaliländer gehen trotz der schlechten Sicherheitslage der Möglichkeiten wegen nach Süd-/Zentralsomalia, insbesondere im humanitären Bereich (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).
Ashraf und Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter Mohammeds; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status. Beide Clans werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye / Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil-Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014, S. 46f/103).
Für eine Person ohne Clanidentität ist gesellschaftlicher Schutz nicht vorhanden. Dies führt nicht automatisch zu Misshandlung, fördert aber die Vulnerabilität. Sollte eine Person ohne Clanidentität und ohne Ressourcen zurückkehren, wird es im gegenwärtigen somalischen Kontext für diese physisch und wirtschaftlich sehr schwierig, zu überleben. Allerdings gibt es laut Experten so gut wie niemanden, der nicht weiß, woher er oder sie abstammt (ACCORD 31.5.2021, S. 2f/37/39f).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des BF
Mangels Vorlage von unbedenklichen Dokumenten konnte die Identität des BF nicht bewiesen werden. Zumal er aber zweifellos aus dem somalischen Kulturraum stammt, kann ihm in seinen gleichbleibenden und grundsätzlich plausiblen Angaben zu seiner Staats- und Religionszugehörigkeit sowie seiner örtlichen Herkunft gefolgt werden.
Der BF brachte zwar ebenso stets vor, die Herkunft und den Clan seines Vaters nicht zu kennen, doch konnte er dies nicht glaubhaft machen. So führte er in der Einvernahme vor dem BFA zu seinem Vater nur an, dass dieser kein Somali sei und die Mutter des BF in Äthiopien kennen gelernt habe (AS 59). Vor dem Bundesverwaltungsgericht ergänzte er dazu, dass seine Mutter in einem Flüchtlingslager in Äthiopien schwanger geworden sei (Verhandlungsprotokoll S. 7). Er konnte auf Nachfrage zunächst aber nicht angeben, ob seine Eltern verheiratet gewesen seien (Verhandlungsprotokoll S. 7). Im weiteren Lauf der Befragung durch die erkennende Richterin zu näheren Informationen über seinen Vater erklärte der BF jedoch von sich aus in augenscheinlichem Widerspruch zu seiner vorherigen Antwort, dass seine Eltern geheiratet hätten (Verhandlungsprotokoll S. 8). Ferner habe ihm seine Mutter erzählt, dass danach seine Schwester geboren und seine Mutter erneut schwanger geworden sei, bevor sie nach Somalia zurückgekehrt sei und vergeblich versucht habe, den Vater des BF zu finden (Verhandlungsprotokoll S. 8). Vor diesem Hintergrund ist aber vollkommen unverständlich, dass seine Mutter nicht einmal den Clan oder die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes kennt. Damit konfrontiert, konnte der BF keine nachvollziehbare Begründung nennen, sondern wiederholte lediglich ausweichend die erfolgte Eheschließung und wies darauf hin, dass seine Mutter wahrscheinlich gewusst habe, dass sein Vater von dort stamme (Verhandlungsprotokoll S. 8). Selbst unter der Annahme, dass der BF über keine näheren Informationen zu seinem Vater verfügt, erschließt sich nicht, weshalb er dann ausgerechnet weiß, dass dieser kein Somali sei. Zudem blieben die Antworten des BF zum Clan seiner Mutter äußerst vage. Weder konnte er nennen, welchem Hauptclan der XXXX -Clan angehört, noch wusste er, mit welchem Clan dieser vereint ist, sondern vermutete lediglich (wenn auch zutreffend), dass dies der Clan der Rahanweyn sei (Verhandlungsprotokoll S. 8). In Anbetracht der überragenden Bedeutung der Clanzugehörigkeit in der somalischen Gesellschaft, in der das Wissen um die eigene Genealogie zur Identifikation sowie Identifizierung dient und der Clan für den Somali die wichtigste Identität darstellt, sind die Darstellungen des BF keinesfalls plausibel. Zudem gibt es laut Experten bis auf sehr wenige Waisenkinder in Somalia niemanden, der nicht weiß, woher er oder sie abstammt. Nicht überzeugend ist vor diesem Hintergrund daher auch seine Argumentation, wonach seine Mutter nicht gewollt habe, dass er über deren („unseren“) Clan lerne (Verhandlungsprotokoll S. 9). Im Übrigen konnte er auf Vorhalt der notorischen Berichtslage zum identitätsstiftenden Clanwissen keine schlüssige Begründung für sein mangelndes Wissen nennen, sondern verwies bloß auf seine Asylantragstellung in Österreich wegen seiner Clanlosigkeit (Verhandlungsprotokoll S. 9).
Nicht nachvollziehbar ist ferner, dass der BF keine Angaben zu den Verwandten seiner Mutter tätigen konnte. So wich der BF der Frage, ob deren Familie immer schon in seinem Heimatort gelebt habe, mit der Antwort aus, dass er keine Verwandten von ihr gesehen habe (Verhandlungsprotokoll S. 6). Neuerlich nachgefragt, behauptete der BF sodann erstmals, seiner Mutter werde von ihrer Familie vorgeworfen, ein uneheliches Kind auf die Welt gebracht zu haben, weshalb sie ihre Kinder von ihren Verwandten ferngehalten habe (Verhandlungsprotokoll S. 6). Wie bereits erwähnt, ergibt sich aus seinen späteren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht jedoch, dass seine Eltern geheiratet hätten, wodurch weder er, noch seine Schwester uneheliche Kinder seien (Verhandlungsprotokoll S. 8). Folglich kann die gegen seine Mutter gerichtete Anschuldigung nicht nachvollzogen werden (Verhandlungsprotokoll S. 6). Abgesehen davon wäre angesichts seiner weiteren Darstellung, wonach sich seine Mutter entschlossen habe, von ihren Verwandten wegzugehen (Verhandlungsprotokoll S. 6), davon auszugehen, dass sie nicht aus dem genannten Ort stammt. Im Übrigen kann in Zusammenschau mit den von ihm beschriebenen Lebensverhältnissen seiner Familie (siehe dazu sogleich im nächsten Absatz) nicht angenommen werden, dass seine Mutter mit ihren beiden Kindern den Kontakt zu ihren Verwandten abgebrochen habe.
Darüber hinaus vermögen seine Erklärungen zur finanziellen Situation seiner Familie nicht zu überzeugen. Der BF antwortete auf Frage des BFA nach den Lebensumständen seiner Verwandten zwar, dass sie „arm“ gewesen seien (AS 60). Befragt nach Besitztümern seiner Familie, erklärte er aber, dass sie ein Haus besessen hätten (AS 59). Seine Reise nach Europa habe er ferner Großteils über Ersparnisse seiner Mutter in Höhe von EUR 2.000,- finanziert (AS 60), wodurch seine Angabe betreffend die Armut seiner Familie erheblich relativiert wird. Zudem verfügt er mit einer sechsjährigen Grundschulbildung sowie einem dreijährigen Besuch einer Universität (AS 59; Verhandlungsprotokoll S. 5) über ein für somalische Verhältnisse überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau. Arbeitserfahrung könne der im Alter von 23 Jahren aus Somalia ausgereiste BF (AS 56) – abgesehen von einem Praktikum während des Studiums – demgegenüber nicht vorweisen (AS 59, Verhandlungsprotokoll S. 5). Wäre der BF aber entsprechend seiner Behauptung in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen aufgewachsen, so wäre zu erwarten gewesen, dass seine Familie bestehend aus seiner Mutter und seiner Schwester auf die zusätzliche Arbeitskraft des BF als Einkommensquelle angewiesen gewesen wäre. Vor der erkennenden Richterin meinte der BF zwar erneut, dass die wirtschaftliche Situation seiner Familie „sehr schlecht“ gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 5). Zur Finanzierung seiner Bildung führte er allerdings aus, dass das Schulgeld „nicht sehr viel“, aber das Studium „teuer“ gewesen sei. Seine Familie habe Ziegen gehalten und deren Milch verkauft; bei Geldbedarf habe seine Mutter eine der Ziegen verkauft (Verhandlungsprotokoll S. 5). Auf weitere Nachfrage zu der mit der Ausbildung verbundenen überdurchschnittlichen Belastung für seine Familie erklärte der BF, dass seine Mutter von ihrem Vater 100 bis 120 Ziegen geerbt habe (Verhandlungsprotokoll S. 6). In Anbetracht dieses beträchtlichen Viehbestandes kann jedoch die vorangegangene Aussage des BF zur finanziell tristen Lage seiner Familie nicht nachvollzogen werden. Darauf angesprochen, musste der BF schließlich seine Angabe dahingehend einschränken, dass er sich mit seinen reichen Nachbarn verglichen habe (Verhandlungsprotokoll S. 6f). Da seine Familie in Somalia somit zusammengefasst über ein Haus, mehr als 100 Ziegen sowie ausreichende Mittel zur Finanzierung der überdurchschnittlichen Ausbildung des BF und seiner Ausreise verfügten, kann keinesfalls angenommen werden, dass er in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt habe.
Im Übrigen können seine Behauptungen betreffend das Alter seiner Schwester nicht miteinander in Einklang gebracht werden. Der BF gab in der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.03.2023 an, dass er 23 Jahre (AS 19) und seine Schwester 24 Jahre alt sei (AS 23). Mehr als ein Jahr später XXXX . 2024 erklärte der damals 24-jährige BF – etwa 1,5 Monate vor seinem 25. Geburtstag – gegenüber dem BFA aber erneut, dass diese 24 Jahre alt sei (AS 59). Davon ausgehend müsste seine Schwester aber jünger als er sein. In der Beschwerdeverhandlung erwähnte er wiederum, dass seine Schwester älter als er sei (Verhandlungsprotokoll S. 7). Zu seinen diesbezüglichen Angaben im Verlauf des Verfahrens meinte der BF vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass seine Schwester ein Jahr älter sei und er in der letzten Einvernahme ihr Alter mit 25 Jahren angeführt habe (Verhandlungsprotokoll S. 8). Das stimmt jedoch nicht mit der damals aufgenommenen Niederschrift überein (AS 59), deren Richtigkeit der BF nach Rückübersetzung ausdrücklich bestätigte (AS 64). Angesichts seines hohen Bildungsniveaus hätte der BF aber jedenfalls in der Lage sein müssen, das Alter seiner Schwester gleichbleibend zu nennen.
Aus diesem gänzlich widersprüchlichen und unplausiblen Aussageverhalten ist nur der Schluss zu ziehen, dass die Erklärungen des BF zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat sowie seinen familiären Verhältnissen nicht der Wahrheit entsprechen. Abgesehen von den Problemen mit der Familie seiner ehemaligen Frau und der Nichtaufnahme beim Militär – die er jeweils mit seiner fehlenden Clanidentität begründete – schilderte der BF keine konkreten Diskriminierungshandlungen, sondern lässt sich seinen Erzählungen vielmehr ein gutes Verhältnis zu anderen Dorfbewohnern entnehmen (Verhandlungsprotokoll S. 6 und 9). Zudem lebte seine Familie in wirtschaftlich guten Verhältnissen und konnte der BF sogar studieren. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF den Clan seines Vaters nicht kennt und als Person ohne Clanidentität angesehen wird. Vielmehr ist darauf zu schließen, dass der BF versuchte, eine Clanlosigkeit und damit verbundenen Schwierigkeiten zu konstruieren, um den Ausgang des Verfahrens zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Im Umkehrschluss ist daher festzustellen, dass er einem Mehrheitsclan in Somalia zugehört.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass sich selbst bei Wahrunterstellung der Schilderungen des BF zu seiner fehlenden Clanidentität keine verfahrensgegenständlich relevante Gefährdung annehmen ließe. Insbesondere können seinen Darstellungen keine Anhaltspunkte für eine Bedrohung seitens der Familie seiner ehemaligen Ehefrau entnommen werden. Im Übrigen führen die Länderberichte zu Somalia zwar aus, dass für eine Person ohne Clanidentität gesellschaftlicher Schutz nicht vorhanden ist. Dies fördert die Vulnerabilität, führt aber nicht automatisch zu Misshandlung. Etwaige dahingehende konkrete Indizien konnte der BF nicht glaubhaft darlegen.
Des Weiteren erklärte der BF bereits in der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinem Fluchtgrund, dass die Al Shabaab seine Schwester entführt und seine Mutter getötet habe, weshalb es nicht mehr sicher für ihn gewesen sei (AS 29). In der Einvernahme durch das BFA schilderte er dazu zusammengefasst, dass ein Anhänger der Terrororganisation versucht habe seine Schwester zu vergewaltigen. Als seine Mutter und er deren Schrei aus dem Haus gehört hätten, seien sie sofort vom Garten hineingegangen und seine Mutter habe den Mann mit einem Messer angegriffen, jedoch nicht erwischt. Der Mann habe daraufhin seine Mutter erschossen und die Al Shabaab die Tat in einer Rede mit der Ungläubigkeit seiner Mutter gerechtfertigt. Danach sei er nach Mogadischu gegangen (AS 61f). Diese in freier Erzählung präsentierte Fluchtgeschichte blieb jedoch äußerst oberflächlich gehalten und lässt wesentliche Elemente vermissen. Insbesondere bleibt in seiner Schilderung völlig offen, weshalb der BF eine gegen seine Person gerichteten Gefahr durch die Al Shabaab angenommen habe. Aber auch im Zuge der weiteren Befragung zu den fluchtauslösenden Ereignissen ergaben sich keine Anhaltspunkte, welche auf eine Bedrohung des BF durch die Terroristen schließen lassen würden. Vielmehr brachte er erst im Beschwerdeschriftsatz in erheblicher Steigerung seines bisherigen Vorbringens vor, dass die Al Shabaab auch ihn habe mitnehmen wollen (AS 231). Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung ließ er dies aber zunächst auf mehrere Fragen zu den behaupteten Vorfällen vollkommen unerwähnt und meinte abweichend zum Beschwerdevorbringen hinsichtlich einer ihn selbst treffenden Gefahr aufgrund der Probleme seiner Schwester erstmals, dass die Al Shabaab seine Familie als „Ungläubige“ angesehen habe und den BF umgebracht hätte, wenn er noch dort wäre und sie ihn gesehen hätten (Verhandlungsprotokoll S. 10). Entsprechend seiner Darstellung in der Einvernahme vor dem BFA habe die Al Shabaab aber nur seine Mutter als ungläubig bezeichnet, um deren Ermordung zu rechtfertigen (AS 62). Dass die Al Shabaab seine Familie generell für ungläubig gehalten habe, stellt somit ebenfalls eine erhebliche Intensivierung der angeblichen Bedrohungslage dar. Erst im weiteren Verlauf der Einvernahme durch die erkennende Richterin merkte der BF lediglich beiläufig hinsichtlich seiner Schwester an, dass die Al Shabaab sie beide habe mitnehmen wollen (Verhandlungsprotokoll S. 11). Nachgefragt vermochte er jedoch nicht zu erklären, weshalb er diese Absicht nicht schon früher erwähnt habe, sondern behauptete nur pauschal, dass er „überall“ gesagt habe, die Al Shabaab habe sie beide mitnehmen wollen, weil sie gedacht habe, dass sie ungläubig seien und deren Konversion zum Islam angestrebt habe (Verhandlungsprotokoll S. 12). Der BF erklärte im bisherigen Verfahren jedoch gleichbleibend, sunnitischer Moslem zu sein (AS 19, 59). Damit erschließt sich nicht, weshalb er seine Religion wechseln sollte. Im Übrigen begründete er die ihnen angeblich von allen Dorfbewohnern unterstellte Ungläubigkeit mit seinem unbekannten Vater und der angenommenen Unehelichkeit des BF und seiner Schwester (Verhandlungsprotokoll S. 12). Wie bereits dargelegt, konnte der BF jedoch nicht glaubhaft darlegen, keinerlei Informationen über seinen Vater zu kennen, und seien seine Eltern seiner Aussage zufolge verheiratet gewesen. Überdies ergibt sich aus seinen vorherigen Erzählungen nicht einmal ansatzweise, dass er mit sämtlichen Bewohnern seines Heimatdorfs Schwierigkeiten gehabt habe. Vielmehr schilderte er, dass er regelmäßig ein sehr reiches Nachbarskind besucht (Verhandlungsprotokoll S. 6) und in Mogadischu bei einem Freund aus seinem Heimatort gewohnt habe (Verhandlungsprotokoll S. 9). Auf dahingehenden Vorhalt wies der Beschwerdeführer bloß ohne nähere Begründung darauf hin, dass er dennoch bei ihnen habe wohnen können, aber man geglaubt hätte, dass der BF ein Bastard sei (Verhandlungsprotokoll S. 12). Angesichts dessen ist nicht überzeugend, dass dem BF bzw. seiner Familie Ungläubigkeit vorgeworfen worden sei. Zudem behauptete der BF auf neuerlichen Vorhalt seines gesteigerten Vorbringens wiederum erstmalig, dass die Al Shabaab – neben der vom BF entgegen seiner Behauptung zum ersten Mal vor dem Bundesverwaltungsgericht erwähnten Forderung nach einer Konversion zum Islam – sie habe ausnützen wollen, um für sie zu arbeiten (Verhandlungsprotokoll S. 12). In Anbetracht dieser vom BF im Verlauf der Beschwerdeverhandlung somit erst auf wiederholte konkrete Nachfrage und in mehrfacher Hinsicht stark divergierenden Ursache einer Gefährdungssituation bezüglich seiner Person, erweist sich seine Darstellung, in den Fokus der Al Shabaab geraten zu sein, als vollkommen unglaubhaft.
Damit konfrontiert, dass er vor dem BFA zur Al Shabaab hinsichtlich seiner Person nur die Flucht erwähnt habe, führte der BF in gravierender Diskrepanz zu der von ihm zuvor geäußerten Todesgefahr zum ersten Mal als Grund seiner Flucht an, dass er gegen die Al Shaabab habe kämpfen und Soldat werden wollen, ihn die Regierung wegen seiner Clanzugehörigkeit aber nicht aufgenommen habe (Verhandlungsprotokoll S. 12). In erheblicher Abweichung zu seiner früheren Darstellung erklärte er nunmehr außerdem, dass er zuvor Angst vor der Al Shabaab verspürt habe, aber nach dem Vorfall nicht mehr und gegen diese habe kämpfen wollen (Verhandlungsprotokoll S. 13). Eine gegen seine Person gerichtete Bedrohung von Seiten der Al Shabaab kann somit auch vor diesem Hintergrund nicht angenommen werde.
Abgesehen davon ist betreffend die vom BF beschriebenen Ereignisse vor Verlassen seines Heimatdorfes nicht nachvollziehbar, dass er den weiteren Verbleib seiner Schwester in seiner freien Erzählung des Fluchtgrundes vor dem BFA nicht einmal ansatzweise erwähnte. Zwar erklärte er schon zuvor in seiner Einvernahme betreffend seine Familie, dass seine Schwester entführt worden sei (AS 59f). Auf Nachfrage nach den Geschehnissen infolge der Ermordung seiner Mutter beschrieb er aber nur, dass das Al Shabaab-Mitglied danach „abgehauen“ und später mit weiteren Terroristen zurückgekommen sei. Sie hätten die bereits verstorbene Mutter mitgenommen und vor der gesamten Nachbarschaft die Tat gerechtfertigt (AS 64). Befragt nach der Reaktion der Nachbarschaft, verwies der BF bloß darauf, dass er auf der Flucht gewesen sei (AS 64). Wäre seine Schwester aber entsprechend seiner Darstellung von der Al Shabaab entführt worden, so wäre zu erwarten gewesen, dass er ein derart einschneidendes Erlebnis von sich aus im Zuge Schilderung der ausreisekausalen Umstände oder zumindest in der darauffolgenden Befragung angeführt und den weiteren Hergang der Entführung näher beschrieben hätte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht reagierte der BF auf zweimalige Konfrontation mit der fehlenden Erwähnung seiner Schwester stets ausweichend unter Verweis auf seine Schwester als Ursprung seines Problems (Verhandlungsprotokoll S. 10 f). Zudem nahm er auch in der Befragung durch die erkennende Richterin zu den näheren Umständen des Vorfalls nicht einmal ansatzweise auf die angebliche Entführung seiner Schwester Bezug (Verhandlungsprotokoll S. 11). Erst auf konkrete Nachfrage nach dieser erklärte der BF, dass sie bei der Ermordung der Mutter noch dort anwesend gewesen sei und er innerhalb von vier Stunden das Dorf verlassen habe. Er wisse aber nicht, was mit seiner Schwester passiert sei, sondern nur, dass die Al Shabaab sie beide gewollt habe (Verhandlungsprotokoll S. 12). Demnach handle es sich bei der angesprochenen Entführung seiner Schwester aber – entgegen seiner bisherigen Darstellung – um eine bloße Annahme des BF. Im Übrigen ist angesichts des behaupteten Interesses der Al Shabaab an beiden Geschwistern nicht nachvollziehbar, dass der BF seine Schwester nach dem Vergewaltigungsversuch alleine im Heimatdorf zurückgelassen habe und ohne sie nach Mogadischu ausgereist sei.
Zudem vermochte der BF im Zuge der Beschwerdeverhandlung auch weitere einfache Fragen zu den Vorfällen mit der Al Shabaab nicht näher zu beantworten und verstrickte sich wiederholt in eklatante Widersprüche. Beispielsweise antwortete er, befragt zur Dauer und den Vorkommnissen während der Abwesenheit des Al Shabaab-Mitglieds, dass er die zeitliche Länge nicht nennen könne und die Al Shabaab bei ihnen gewesen sei, bevor die Nachbarn gekommen seien (Verhandlungsprotokoll S. 12). Davor beschrieb der BF vor der erkennenden Richterin jedoch noch, dass Nachbarn die Leiche seiner Mutter aus dem Haus gebracht hätten (Verhandlungsprotokoll S. 11). Zwar hätten dies seiner Darstellung vor dem BFA zufolge ebenfalls Männer der Al Shabaab getan. Mit dieser erheblichen Divergenz konfrontiert, stellte der BF aber die bloße Schutzbehauptung auf, dass er auch soeben geschildert habe, die Al Shabaab Mitglieder hätten die Leiche nach draußen gebracht (Verhandlungsprotokoll S. 11). Hätte der BF aber von wahren Erlebnissen berichtet, so wäre von ihm jedenfalls zu erwarten gewesen, dass er deren grundlegenden Elemente gleichbleibend wiedergeben und Fragen zu wesentlichen Aspekten zuverlässig beantworten kann.
Im Ergebnis ist aufgrund seiner äußerst vagen, massiv widersprüchlichen und in vielfacher Weise nicht plausiblen Schilderungen somit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit darauf zu schließen, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht der Wahrheit entspricht und somit nicht glaubhaft ist.
Sonstige Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen brachte der BF nicht vor und sind auch nicht hervorgekommen.
2.2. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Situation in Somalia beruhen auf den angeführten Quellen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Somalia vom 16.01.2025 (Version 7). Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Somalia ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zum Beschwerdegegenstand
Im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz (sowie der dazu vorgelegten Vollmacht und der anlässlich der Übermittlung an das BFA verfassten E-Mail) wurde als Datum des angefochtenen Bescheides durchgehend der 22.06.2024 angeführt. Da sich aber nicht nur der Inhalt der Beschwerde eindeutig gegen den Bescheid vom 05.07.2024 über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz richtet, sondern auch die diesem Verfahren zuordenbare Geschäftszahl genannt wurde, handelt es sich bei dem wiedergegebenen Bescheiddatum offensichtlich um einen Irrtum. Auch der VwGH beurteilte bereits die Angabe eines unrichtigen Datums als offenkundiges Versehen, weil bei verständiger Auslegung der Parteienerklärung kein Zweifel bestand, welcher Bescheid bekämpft werden sollte (VwGH 21.09.2023, Ra 2023/22/0095, mwN). Die Beschwerde richtet sich somit gegen den Bescheid des BFA vom 05.07.2024 zur Zahl 1345019703-230477669.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Antragsteller bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend (VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108).
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).
Das Vorbringen des Antragstellers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit der Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 10.08.2019, Ra 2018/20/0314).
Wie beweiswürdigend dargelegt, ist das Vorbringen des BF über eine durch die Al Shabaab ebenso wenig glaubhaft wie eine Diskriminierung als Person ohne Clanidentität. Sonstige Gründe einer asylrelevanten Bedrohung sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es besteht somit keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrechtlichen Verfolgung des BF in Somalia aus Konventionsgründen.
Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das BFA war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Zu Spruchpunkt B) wegen Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen, wie sie in der rechtlichen Beurteilung dargelegt wurden. Maßgeblich für die Beurteilung der Sache waren letztlich beweiswürdigende Erwägungen über die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.