JudikaturVwGH

Ra 2023/11/0139 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Februar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des D L, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Februar 2023, Zl. VGW 101/032/13503/2022 10, betreffend grundverkehrsbehördliche Genehmigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 27. September 2022, mit dem ihm gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 Wiener Ausländergrunderwerbsgesetz (Wr. AuslGEG) die Genehmigung des Erwerbs von mit Wohnungseigentum verbundenen Anteilen an einer bestimmten Liegenschaft in Wien versagt worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst aus, der Revisionswerber, ein ukrainischer Staatsangehöriger, habe bis Februar 2021 in einer Mietwohnung in Wien gewohnt. Er sei dann in die rund 35 m 2 große Eigentumswohnung („Top 16“) seiner damaligen Lebensgefährtin gezogen, wobei von Anfang an geplant gewesen sei, dass er dort nur vorübergehend wohnen werde, um ihm „das Ansparen des nötigen Eigenkapitals für seine Eigentumswohnung zu ermöglichen“. Im November 2021 habe er als Käufer einen Kaufvertrag über die den Gegenstand des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens bildende Eigentumswohnung abgeschlossen. Im Februar 2022 habe der Revisionswerber seine Lebensgefährtin geheiratet, im März 2022 sei die ebenfalls im Eigentum seiner Frau stehende, annähernd gleich große und durch einen eigenen Eingang begehbare „Nachbarwohnung“ („Top 15“) durch eine Verbindungstüre mit der ehelichen Wohnung verbunden worden. Ebenfalls im März 2022 sei die aus der Ukraine geflüchtete Schwiegermutter des Revisionswerbers in Top 15 eingezogen. Es sei ungeachtet der Frage, ob ihm das Wohnen und Arbeiten im „Homeoffice“ in der ehelichen Wohnung, an der ihm ein familienrechtliches Nutzungsrecht auf Mitbenützung zukomme, aus näher genannten, insbesondere die beengten Platzverhältnisse betreffenden Gründen zumutbar sei nicht ersichtlich, warum das Wohnbedürfnis des Revisionswerbers nicht auch anders als durch den Erwerb einer Eigentumswohnung gedeckt werden könne. So habe er zuvor sein Wohnbedürfnis in einer Mietwohnung gedeckt, und er habe sich durch den Umzug aus seiner Mietwohnung in die Eigentumswohnung seiner Frau „von einer zumutbaren in eine für ihn auf Dauer unzumutbare Wohnsituation begeben“. Seine Wohnsituation in der Ehewohnung sei nämlich, folge man seinem Vorbringen, schon von Beginn an unzureichend gewesen. Zwar sei es zum Zeitpunkt des Einzugs des Revisionswerbers bei seiner Frau nicht absehbar gewesen, dass seine Schwiegermutter auch einziehen werde, jedoch sei „von Beginn an kein dauerhafter Aufenthalt“ des Revisionswerbers in der Wohnung seiner Frau geplant gewesen. Es würde einer Umgehung der Anforderungen des § 4 Abs. 1 Wiener Ausländergrunderwerbsgesetz gleichkommen, wenn ein soziales Interesse am Liegenschaftseigentumserwerb dadurch begründet werden könne, „ohne äußeren Zwang eine unzumutbare Wohnsituation einzugehen, um daraus ein dringendes Wohnbedürfnis abzuleiten“. Ebenso sei „der bloße Wunsch des Revisionswerbers, aus der ehelichen Wohnung wieder auszuziehen bzw. seine Präferenz, Eigentum zu erwerben, statt ein Mietverhältnis einzugehen“, nicht vom sozialen Interesse im Sinne der genannten Bestimmung umfasst.

3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 13. Juni 2023, E 917/2023 5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

4 In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein, zu der die belangte Behörde im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung erstattete.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die somit allein maßgebliche Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision moniert, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht abgewichen, indem es zur Frage, ob am Erwerb einer Wohnung ein soziales Interesse iSd § 4 Abs. 1 Wr. AuslGEG bestehe, ohne Begründung eine Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren getroffen habe. Wäre der Revisionswerber im vorliegenden Fall nicht verheiratet, wäre ihm der Erwerb einer eigenen Wohnung „mit Sicherheit genehmigt“ worden. Außerdem gäbe es, würde man den Revisionswerber darauf verweisen können, dass er eine Wohnung anmieten könne, nie ein soziales Interesse am Erwerb einer Wohnung durch einen Drittstaatsangehörigen, weil man „ja immer mieten statt kaufen“ könne. Die Begründung des Verwaltungsgerichts verstoße gegen das Gebot der Einzelfallprüfung und damit gegen (näher dargelegte) Judikatur.

9 Die von der Revision angesprochene Begründungspflicht erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 18.2.2021, Ra 2020/11/0217, mwN).

10 Das Verwaltungsgericht hat ein soziales Interesse iSd § 4 Abs. 1 Wr. AuslGEG zusammengefasst deshalb verneint, weil das Wohnbedürfnis des Revisionswerbers an sich durch sein Mitbenützungsrecht an der Ehewohnung gedeckt werde. Selbst wenn man annehmen wollte, dass ihm die Wohnsituation in der Ehewohnung aus von ihm näher beschriebenen Gründen „unzumutbar“ sei, könne dies in der gegebenen Konstellation kein soziales Interesse begründen, weil er diese „Unzumutbarkeit“ insofern selbst geschaffen habe, als er seine Mietwohnung aufgegeben habe, um durch den Einzug und nicht auf Dauer geplanten Aufenthalt in der Ehewohnung Geld zu sparen.

Durch dieses Vorgehen könne kein soziales Interesse im Sinne des § 4 Abs. 1 Wiener Ausländergrunderwerbsgesetz am Erwerb einer Eigentumswohnung begründet werden, weil dies einer Umgehung der Anforderungen der genannten Bestimmung gleichkomme.

Das Verwaltungsgericht hat damit entgegen der Revision nicht etwa ohne Begründung eine (sachlich ungerechtfertigte) Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren vorgenommen und sich mit „allgemeinen Überlegungen“ begnügt, sondern vielmehr auf die konkrete Situation des Einzelfalls und ihre Besonderheiten abgestellt, und auf dieser Basis ein soziales Interesse des Revisionswerbers verneint.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa VwGH 27.9.2022, Ra 2020/11/0017, mwN), dass ein soziales Interesse am Grundstückserwerb bzw. zur Schaffung einer Wohnmöglichkeit nicht vorliegt, wenn ein Wohnbedürfnis anders gedeckt werden kann bzw. anders gedeckt wird. Dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, in der vorliegenden Konstellation liege das für die Genehmigung erforderliche soziale Interesse am Erwerb nicht vor, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen würde, ist anhand der in der Zulässigkeitsbegründung zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht ersichtlich.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. Februar 2025

Rückverweise