Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der J T in W, vertreten durch Dr. Ingo Riß, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14 Top 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2023, W141 2273031 1/6E, betreffend Berichtigung und Rückforderung von Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Hauffgasse), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Notstandshilfebezug der Revisionswerberin für näher bezeichnete Zeiträume berichtigt und sie zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 2.146,24 verpflichtet werde. Die Berichtigung beruhte auf der Anrechnung des in den betreffenden Zeiträumen unstrittig bezogenen Kinderbetreuungsgelds auf die Notstandshilfe. Die Rückforderung beruhte auf der Annahme, dass die Revisionswerberin den Bezug des Kinderbetreuungsgelds verschwiegen habe, sodass der entsprechende Rückforderungstatbestand nach § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt sei.
2 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Unter diesem Gesichtspunkt mach die Revisionswerberin geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht abgewichen sei. Die Revisionswerberin habe in der Beschwerde und im Vorlageantrag vorgebracht, dass sie das AMS über den Bezug von Kinderbetreuungsgeld informiert habe. Das AMS hätte schon aus der festgestellten Meldung des Wochengeldbezugs auf einen Kinderbetreuungsgeldbezug schließen müssen. Auch durch die Angabe der Mutterkarenz habe das AMS ausreichende Informationen gehabt und hätte bei Unklarheiten nachforschen müssen. Der Tatbestand einer Meldepflichtverletzung könne nicht vorliegen, wenn die Revisionswerberin das AMS über ihre gegenwärtige Situation, die neu begründete Mutterschaft, informiert und auch Angaben zur Mutterkarenz (Mutterkarenz werde im Sprachgebrauch ebenso für das Kinderbetreuungsgeld verwendet) gemacht habe. Die Revisionswerberin habe dem AMS Auskunft über den Bezug von Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld gegeben und alle Informationen aktiv und bereitwillig offengelegt. Allein zur beweiswürdigenden Beurteilung, ob dieses Vorbringen richtig sei, hätte es jedenfalls einer mündlichen Verhandlung bedurft.
7 Die Revisionswerberin bestreitet aber nicht, dass sie wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat und auch aktenkundig ist im Antrag auf Notstandshilfe die Frage nach eigenem Einkommen mit „nein“ beantwortet hat, obwohl dort das Kinderbetreuungsgeld ausdrücklich als Beispiel für ein eigenes Einkommen genannt war und sie diese Leistung zum Zeitpunkt der Antragstellung schon bezog. Sie hatte im Verfahren auch nicht konkret behauptet, diese objektiv unwahre Angabe etwa mündlich richtiggestellt zu haben. Im Vorlageantrag brachte sie diesbezüglich ähnlich wie nun in der Revision vielmehr nur vor, sie habe angegeben, in Mutterkarenz zu sein. Mit der Meldung eines Kinderbetreuungsgeldbezugs ist das entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht nicht gleichzusetzen.
8 Es besteht auch keine Nachforschungspflicht des AMS, wenn Angaben der Arbeitslosen fehlen oder unvollständig sind. Vielmehr soll die sich aus der in § 25 Abs. 1 AlVG vorgesehenen Sanktionierung ergebende Verpflichtung, hinsichtlich maßgebender Tatsachen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, sicherstellen, dass der Behörde, die zahlreiche gleichartige Verfahren relativ rasch abzuwickeln hat, grundsätzlich die für den Leistungsanspruch maßgebenden Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zur Kenntnis gelangen. Es kommt daher beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgebender Tatsachen) nach dem offenkundigen Zweck der Norm nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Fall des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben im Antragsformular ohne Belang ist. Maßgeblich ist nur, ob der fragliche Umstand in Beantwortung der Fragen im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder dem AMS gleichzeitig oder doch rechtzeitig vor Anweisung des jeweiligen Leistungsanspruchs in einer zumindest gleichwertigen Weise (zum Beispiel durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung) mitgeteilt wurde (vgl. zum Ganzen VwGH 15.5.2013, 2011/08/0388, mwN).
9 Vor diesem Hintergrund war es nicht unvertretbar, dass das Bundesverwaltungsgericht von einem nach der Aktenlage bereits ausreichend geklärten Sachverhalt ausgegangen ist und gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat.
10 Soweit die Revisionswerberin außerdem geltend macht, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anrechenbarkeit des Kinderbetreuungsgelds nach der seit dem 1. Juli 2018 geltende Rechtslage fehle, ist die Rechtslage eindeutig (vgl. näher zu einem im Wesentlichen gleichlautenden Revisionsvorbringen den Beschluss VwGH 26.7.2023, Ra 2023/08/0075).
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem das AMS eine Revisionsbeantwortung erstattet hat zurückzuweisen.
12 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 12. März 2024