Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des M S in T, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 13. März 2023, LVwG 302 10/2022 R8, betreffend Versagung einer Ausnahmebewilligung nach dem Raumplanungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde Tschagguns; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 19. September 2022, mit welchem ihm die beantragte Ausnahme vom näher bezeichneten Flächenwidmungsplan zur Errichtung eines Zubaus für einen Pkw Unterstellplatz mit einer überbauten Fläche von 21 m² an ein bestehendes Schopfgebäude mit einer überbauten Fläche von 36 m² auf einer als Freifläche Freihaltegebiet gewidmeten Fläche versagt worden war, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
5 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht soweit für den Revisionsfall relevant zunächst fest, dass auf dem gegenständlichen Grundstück ein Holzschopf auf Grundlage einer baupolizeilichen Bewilligung aus dem Jahr 1962, als noch kein Flächenwidmungsplan bestanden habe, errichtet worden sei. Der Holzschopf habe aus einem Bretterlager und einem Abstellraum bestanden, wobei der Abstellraum vor ca. 25 bis 35 Jahren abgebrochen worden sei, sodass der verbleibende Gebäudebestand nunmehr eine überbaute Fläche von 36 m² aufweise. Der im Herbst 2019 errichtete Unterstand weise eine überbaute Fläche von ca. 21 m² auf und sei statisch mit dem bestehenden Holzschopf verbunden. Der Unterstand stelle kein isoliertes Gebäude dar, sondern sei konstruktiv mit dem Holzschopf verbunden, mit welchem er optisch eine Einheit darstelle, zumal das Dach des Unterstandes auf einer Seite auf dem Dach des bestehenden Holzschopfes aufliege.
6 In der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zur Frage der Kleinräumigkeit des Vorhabens im Sinn des § 22 Abs. 2 lit. a Raumplanungsgesetz (RPG) unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zur Novelle LGBl. Nr. 34/1996, die hg. Judikatur (Hinweis auf VwGH 21.10.2004, 2001/06/0083 und 0159) und die Literatur (Hinweis auf Fleisch/Fend , Vorarlberger Raumplanungsgesetz, S 217) aus, dass der neu errichtete Unterstand zwar eine Fläche von lediglich 21 m² aufweise, dieser allerdings eine konstruktive Einheit mit dem bereits zuvor errichteten Holzschopf bilde und somit kein eigenständiges Bauvorhaben darstelle. Zur Beurteilung der Kleinräumigkeit im Sinn des § 22 RPG sei demnach nicht nur die Fläche von 21 m² des Pkw Unterstellplatzes, sondern zusätzlich auch das bestehende Schopfgebäude im Ausmaß von 36 m², sohin insgesamt 57 m² zur berücksichtigen, weshalb insgesamt keine Kleinräumigkeit mehr vorliege. Eine gegenteilige Rechtsansicht würde dazu führen, dass durch mehrere in Folge durchgeführter, an sich kleinräumiger Erweiterungen ein Bauwerk entstehen könnte, das bei weitem nicht kleinräumig sei. Für die Beurteilung der Kleinräumigkeit im Sinn des § 22 RPG sei jene Fläche maßgeblich, die nach der heutigen Sach und Rechtslage zu widmen wäre. Darüber hinaus liege die Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung im behördlichen Ermessen. Im Revisionsfall seien keine raumplanungsrechtlich relevanten Gründe zu erkennen, die die Erteilung einer Ausnahmebewilligung rechtfertigen würden.
7 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision bringt der Revisionswerber vor, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der Kleinräumigkeit gemäß § 22 Abs. 2 lit. a RPG, insbesondere dazu, ob bei der Beurteilung der Kleinräumigkeit auch Gebäude einzubeziehen seien, die keiner Änderung des Flächenwidmungsplanes bedürfen, weil sie bereits über eine rechtskräftige Baubewilligung verfügten. § 7 Abs. 1 lit. b Baugesetz bilde zudem „eine tragfähige Analogiegrundlage“ zu § 22 RPG. Beiden Bestimmungen sei gemeinsam, dass es sich um Ausnahmebestimmungen handle und auch im Revisionsfall diene die Erteilung der Ausnahmegenehmigung für 21 m² im Endergebnis der Wiederherstellung eines ursprünglich konsentierten Gebäudes, weshalb beide Bestimmungen den gleichen Zweck der Erhaltung vormals konsentierter Gebäude verfolgten. Nach der Rechtsauffassung des Revisionswerbers wären daher nur weitere Zubauten über die 21 m² bei der Beurteilung der Kleinräumigkeit zu berücksichtigen, nicht hingegen bereits konsentierte Gebäude. Darüber hinaus sei die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes denkunmöglich, da der Bestand von Gebäuden, welche über eine rechtskräftige Bewilligung verfügen, bei der Beurteilung der Kleinräumigkeit völlig irrelevant sei. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes würde darauf hinauslaufen, dass eine Ausnahmegenehmigung nie mehr erteilt werden dürfte, wenn sich im Nahebereich solcher kleinräumiger Bauvorhaben bereits Gebäude befänden, die über eine rechtskräftige Baubewilligung verfügen und keine Ausnahmegenehmigung gemäß § 22 RPG benötigen.
8 Weiters seien rechtserhebliche Tatsachen ungeprüft geblieben, weil die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 22 Abs. 2 RPG außerhalb der Kleinräumigkeit trotz entsprechendem Tatsachvorbringen des Revisionswerbers nicht geprüft worden seien, wodurch von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen worden sei (Hinweis insbesondere auf VwGH 20.4.2022, Ra 2022/06/0012 bis 0012, und VwGH 14.12.2017, Ra 2017/07/0089).
9 Schließlich sei der Begriff der Kleinräumigkeit im Zusammenhang mit den anderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 2 RPG zu sehen, da selbst 57 m² nicht als absolute Obergrenze zu sehen seien und auch noch den Tatbestand der Kleinräumigkeit erfüllten. Da jedoch 21 m² jedenfalls den Tatbestand der Kleinräumigkeit erfüllten, ergebe sich, dass im angefochtenen Erkenntnis keine Ermessensübung im Sinn des Gesetzes vorgenommen worden sei und sich das Verwaltungsgericht in Widerspruch zu näher bezeichneter hg. Judikatur begebe, wenn es im angefochtenen Erkenntnis ausführe, dass die belangte Behörde im Wesentlichen willkürlich über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Flächenwidmungsplan entscheiden dürfe.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zukäme:
10 Zunächst ist festzuhalten, dass die Frage, ob hinsichtlich eines konkreten Bauvorhabens das Tatbestandsmerkmal der Kleinräumigkeit im Sinn des § 22 Abs. 2 lit. a RPG erfüllt ist oder nicht, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes unterliegt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 10.11.2020, Ra 2020/06/0258, mwN).
11 Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt. So stellt der Pkw Unterstellplatz nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes eine konstruktive Einheit mit dem Holzschopf dar, sodass entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht von zwei verschiedenen Gebäuden, nämlich dem baubehördlich bewilligten Holzschopf und dem Pkw Unterstellplatz, auszugehen ist, sondern von einem einzigen, einheitlichen Gebäude, welches nach Errichtung des Pkw Unterstellplatzes eine überbaute Fläche von ca. 57 m² aufweist. Damit ist der auf der Prämisse des Bestehens zweier Gebäude fußenden Argumentation des Revisionswerbers der Boden entzogen, und der Revisionsfall ist deshalb insbesondere auch nicht mit dem Fall vergleichbar, dass im Nahebereich eines bereits bestehenden Gebäudes ein (weiteres) kleinräumiges Gebäude errichtet werden soll. Auch für die vom Revisionswerber vertretene Annahme, der Landesgesetzgeber habe mit der Normierung des § 22 Abs. 2 RPG den Zweck der Erhaltung vormals konsentierter Gebäude verfolgt, fehlt jeglicher Anhaltspunkt; vielmehr soll die genannte Bestimmung der Vermeidung von sehr kleinräumigen Widmungen dienen (vgl. RV Blgnr. 8/1996 XXVI. LT, S 64). Das Vorliegen einer planwidrigen Lücke, welche durch Analogie zu schließen wäre, zeigt der Revisionswerber damit nicht auf. Ebenso wenig zeigt er eine Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichtes auf, welches einen Holzschuppen mit Pkw Unterstellplatz mit einer überbauten Fläche von ca. 57 m² vor dem Hintergrund der in den Gesetzesmaterialien aufgezählten Beispiele kleinräumiger Vorhaben, nämlich kleinere Transformatorenstationen, Bienenhäuser oder Geräteschuppen, nicht als kleinräumiges Vorhaben im Sinn des § 22 Abs. 2 lit. a RPG qualifiziert hat.
12 Nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 22 Abs. 2 RPG darf eine Ausnahme nur dann erteilt werden, wenn alle in den lit. a bis d genannten Voraussetzungen kumulativ (arg.: „...und...“) erfüllt sind. Ausgehend von der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach im Revisionsfall kein kleinräumiges Vorhaben im Sinn des § 22 Abs. 2 lit. a RPG vorliegt und diese Voraussetzung sohin nicht erfüllt ist, hinsichtlich welcher, wie oben dargelegt, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird, kam die Erteilung einer Ausnahme nach § 22 Abs. 2 RPG nicht in Frage. Es kommt daher der Frage, ob allenfalls die übrigen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 RPG vorliegen, keine Relevanz (mehr) zu und eine Ermessensübung nicht in Betracht. Mit dem dazu erstatteten Zulässigkeitsvorbringen wird somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 27. April 2023