JudikaturVwGH

Ra 2023/06/0185 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der C L in D, vertreten durch Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Hintere Achmühlerstraße 1a/2. OG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 18. Juli 2023, LVwG 318 12/2021 R18, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde Lustenau; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde L. (Behörde) vom 15. Jänner 2021, mit dem der Revisionswerberin die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 40 Abs. 3 Baugesetz (BauG) durch vollständigen Abbruch der ohne Baubewilligung auf einem näher genannten Grundstück errichteten zwei Riedhütten und zwei Unterständen aufgetragen worden war, mit der Maßgabe ab, dass sich der Abbruchauftrag auf § 40 Abs. 2 BauG stütze, und erklärte eine Revision für unzulässig.

Das LVwG stellte fest, die Riedhütte Süd sei zwischen 1945 und 1950 und die Riedhütte Nord sowie die beiden Geräteschuppen seien in den 1960er Jahren errichtet worden. „Der Errichtungszeitpunkt der Gebäude sowie die baulichen Änderungen an den Gebäuden ergeben sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Beschwerdeschriftsatz bzw aus den schlüssigen Angaben des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung und aus den jeweiligen historischen Luftbildern, welche im Zuge des gerichtlichen Verfahrens aus dem Programm Vorarlberg Atlas eingeholt und dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin im Zuge der Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebracht wurden.“ Alle vier Gebäude seien bewilligungspflichtig, es lägen jedoch keine Baubewilligungen auch kein vermuteter Baukonsens, weil keinerlei konkrete Anhaltspunkte für die Unvollständigkeit der Archive vorlägen vor. Auch nach der Vorarlberger Landesbauordnung 1924 habe unter anderem die Errichtung von Gebäuden aller Art einer Baubewilligung bedurft. Die Behörde habe somit zu Recht die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes durch den vollständigen Abbruch der vier Gebäude verfügt.

5 In der Zulässigkeitsbegründung bringt die Revisionswerberin zusammengefasst vor, gemäß § 68 lit. b der Vorarlberger Landesbauordnung 1924 sei die Errichtung von rein landwirtschaftlichen Gebäuden nur anzeigepflichtig gewesen, wenn die Errichtung außerhalb einer Ortschaft erfolgt sei; drei Tage nach der Anzeige hätten die Arbeiten ausgeführt werden dürfen. Die Riedhütte Süd sei tatsächlich bereits 1932 als Stall errichtet worden und liege außerhalb der Ortschaft. Für die gegenständlichen Baulichkeiten seien daher entgegen der Rechtsansicht des LVwG keine Baubewilligungen, sondern lediglich Bauanzeigen erforderlich gewesen. Selbst wenn Baubewilligungen erforderlich gewesen sein sollten, wäre von einem vermuteten Baukonsens hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen alten Baulichkeiten auszugehen, zumal die Baubehörde diese Baulichkeiten über 80 (richtigerweise sogar beinahe 100 Jahre) bzw. 60 Jahre unbeanstandet gelassen habe.

6 Die Frage, ob ein Bauvorhaben bewilligungspflichtig, anzeigepflichtig oder auch bewilligungsfrei ist, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in einem solchen Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 28.3.2023, Ro 2020/05/0015, Rn. 20, mwN). Darüber hinaus ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 5.5.2020, Ra 2018/06/0283, Rn. 10, mwN).

Eine solche Unvertretbarkeit zeigt die Revision jedoch nicht auf. Das Revisionsvorbringen entfernt sich ohne Begründung vom festgestellten Sachverhalt, wonach die Riedhütte Süd zwischen 1945 und 1950 errichtet worden sei, und setzt sich überhaupt nicht mit der Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis auseinander.

7 Im Übrigen wäre ein Beseitigungsauftrag auch bezüglich anzeigepflichtiger Bauvorhaben das Vorliegen einer entsprechenden Bauanzeige wurde nicht einmal für die Riedhütte Süd behauptet rechtmäßig (§ 38 Abs. 1 lit. a iVm § 40 Abs. 1 und 2 Baugesetz). Die Tatsache, dass die Baubehörde nach Errichtung der Gebäude keinen baupolizeilichen Auftrag wegen Konsenslosigkeit erlassen hat, vermag die Annahme eines vermuteten Konsenses der Gebäude nicht zu begründen (vgl. etwa VwGH 25.11.2022, Ra 2021/05/0030, Rn. 18, mwN, ergangen zur insofern vergleichbaren Rechtslage in Oberösterreich).

8 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2023

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