Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Finanzmarktaufsichtsbehörde in 1090 Wien, Otto Wagner Platz 5, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2023, W158 2240383 2/25E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AIFMG (mitbeteiligte Partei: L GmbH, vertreten durch die Helml Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Volksfeststraße 15), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antragnicht stattgegeben.
1 Mit Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 19. Jänner 2021 wurde der mitbeteiligten Partei aufgetragen, die unerlaubte Verwaltung eines bestimmten alternativen Investmentfonds gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 Alternative Investmentfonds Manager Gesetz AIFMG zu unterlassen, wobei die zu unterlassende Tätigkeit näher beschrieben wurde (Spruchpunkt 1.) Dies sei der Finanzmarktaufsichtsbehörde binnen sechs Wochen ab Zustellung dieses Bescheides durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen (Spruchpunkt 2.). Bei Nichtbefolgung werde über die beteiligte Partei eine Zwangsstrafe i.H.v. € 10.000, verhängt (Spruchpunkt 3.). Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Akteneinsicht in den gesamten Akt eines Verfahrens der Finanzmarktaufsichtsbehörde wurde abgewiesen (Spruchpunkt 4.). Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt 5.).
2 Mit Beschluss vom 17. März 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen Spruchpunkt 5. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) ab. Die dagegen erhobene Revision der mitbeteiligten Partei wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 2021, Ra 2021/02/0120, zurückgewiesen.
3 Mit Erkenntnis vom 3. August 2023 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen die Spruchpunkte 1. bis 3. statt und behob diese Spruchpunkte ersatzlos. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt 4. wurde teilweise stattgegeben und festgestellt, dass die Finanzmarktaufsichtsbehörde die Akteneinsicht in näher genannte Aktenteile zu Unrecht geweigert habe. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
4 Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts hat die Finanzmarktaufsichtsbehörde eine außerordentliche Amtsrevision erhoben, welche sie mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden hat.
5 Zur Begründung ihres Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die Finanzmarktaufsichtsbehörde zusammengefasst aus, dass einerseits keine zwingenden öffentlichen Interessen vorlägen, welche gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der außerordentlichen Revision sprächen. Solche würden nur etwa dann angenommen, wenn mit dem Aufschub eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben von Menschen, zum Teil auch deren Eigentum, verbunden wäre, oder etwa die Gefährdung der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches und des Abgabenanspruches als solche sowie die Gefährdung der Versorgungslage breiter Bevölkerungsteile zu erkennen sei. Demgegenüber würden die von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt. Solche seien die Pflicht der Finanzmarktaufsichtsbehörde zur Wahrung des Vertrauens in den Kapitalmarkt und der Stabilität des Finanzmarktes. Dem Vertrauen in den Kapitalmarkt werde vom österreichischen Gesetzgeber wie auch jenem der Europäischen Union sowie seitens der höchsten Gerichte ein besonderes öffentliches Interesse bescheinigt. Der Verwaltungsgerichtshof vertrete in Fällen, in denen es um Einleger- und Anlegerschutz gehe, zudem, dass das Vertrauen in die Funktion des Kapitalmarktes derart schwer gewichtet sei, dass es als „absolut öffentliches Interesse“ aufzufassen sei. Zwar spiele sich das gegenständliche Verfahren nicht in Bereich des Bankwesens ab, dennoch sei die Gefährdung zwingender öffentlicher Interessen schon dann anzunehmen, wenn „mögliche“ Nachteile für Kunden bestünden, und andererseits weise die Rechtsprechung aus, dass auch der Gläubigerschutzschutz als zwingendes öffentliches Interesse zu qualifizieren sei. Die unerlaubte Verwaltung eines alternativen Investmentfonds weise besondere Gefahren für den Anlegerschutz auf. Aus der von der mitbeteiligten Partei nach wie vor ausgeübten, aus Sicht der Finanzmarktaufsichtsbehörde unerlaubten Verwaltung eines alternativen Investmentfonds seien Nachteile für den kollektiven Schutz von Kunden und Anlegern sowie ein Verlust des Vertrauens in den Finanz- bzw. Kapitalmarkt zu befürchten, weshalb ein die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit übersteigender Nachteil für das öffentliche Wohl aus Sicht der Finanzmarktaufsichtsbehörde jedenfalls zu bejahen sei; dies auch dann, wenn Anleger bzw. Kunden oder das Vertrauen in den Kapitalmarkt bislang noch nicht unmittelbar ge- bzw. beschädigt worden sei. Zudem seien die Auswirkungen des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts auf die aufsichtliche Praxis und dem Interesse an der generellen unionsrechtlich gebotenen Aufsicht über AIF bzw. AIFM zu berücksichtigen.
6 Die mitbeteiligte Partei gab eine Stellungnahme zum Antrag der Finanzmarktaufsichtsbehörde ab.
7 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat ab Vorlage der Revision durch das Verwaltungsgericht der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zu zuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung des durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
8 Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwGH [verstärkter Senat] 25.2.1981, 2680/80, VwSlg. 10381 A) erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteile ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen.
9 Nach den bisher im gesamten Verfahren, wie etwa auch im Revisionsverfahren zu Ra 2021/02/0120 betreffend die Abweisung einer der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, unbestrittenen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts, welche sich mit den Feststellungen der Finanzmarktaufsichtsbehörde in ihrem Bescheid vom 19. Jänner 2021 decken, vertreibt die mitbeteiligte Partei die fraglichen Genussrechte seit dem 15. Juli 2019 nicht mehr, was sie auch im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlicht hat.
10 Davon ausgehend ist nicht erkennbar, dass die von der Finanzmarktaufsichtsbehörde ins Treffen geführte Gefahr, die für die Finanzmarktstabilität und den Anleger sowie Kundenschutz sowie für das Vertrauen in einen funktionierenden Kapitalmarkt durch den Vertrieb der Genussrechte bestünden, überhaupt noch gegeben sein könnte. Somit ist es der Finanzmarktaufsichtsbehörde nicht gelungen, eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von ihr zu vertretenden öffentlichen Interessen darzulegen, weshalb die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommt.
11 Soweit die Finanzmarktaufsichtsbehörde ihre Ausführungen der Sache nach auf eine angenommene Rechtswidrigkeit der in Revision angezogenen Entscheidung stützt, ist zudem darauf hinzuweisen, dass im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beurteilen ist.
Wien, am 24. Oktober 2023