JudikaturVwGH

Ra 2023/02/0041 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schörner, über die Revision des S in S, vertreten durch Mag. Roland Maier, Rechtsanwalt in 8342 Gnas 56/8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 5. Oktober 2022, LVwG 30.28 1660/2021 25, betreffend tierschutzrechtliche Übertretungen und Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark; mitbeteiligte Partei: Tierschutzombudsperson Dr. Barbara Fiala Köck in 8010 Graz, Stempfergasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird im angefochtenen Umfang, somit hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. sowie des sich darauf beziehenden Teils des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Erkenntnisses, Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass infolge der vom Revisionswerber gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 19. April 2021, GZ: BHSO/623210008798/2021, erhobenen Beschwerde das Strafverfahren hinsichtlich der Spruchpunkte 1., 2. und 3. dieses Straferkenntnisses gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG eingestellt wird.

Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Straferkenntnis vom 19. April 2021, GZ: BHSO/623210008798/2021, erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber als handelsrechtlichen Geschäftsführer eines näher bezeichneten Betriebs in sieben Spruchpunkten wegen verschiedener tierschutzrechtlicher Übertretungen (des § 13 Abs. 2 Tierschutzgesetz TSchG iVm der 2. Tierhalteverordnung THVO iVm § 38 Abs. 3 TSchG) und einer Übertretung des § 12 Abs. 2 Rückstandskontrollverordnung schuldig und verhängte jeweils Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen.

2 Dagegen erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 Beschwerde, die am 19. Mai 2021 bei der belangten Behörde einlangte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Oktober 2022 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) hinsichtlich der Spruchpunkte 1., 2., und 3. die Beschwerde dem Grunde nach (mit näher genannten Maßgabeänderungen hinsichtlich der Ergänzung der verletzten Verwaltungsvorschriften bzw Strafsanktionsnormen jeweils um die Fundstelle) ab (Spruchpunkt I.) und gab der Beschwerde insoweit Folge, als es die jeweils verhängten Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafen für die Übertretungen nach den Spruchpunkten 1., 2. und 3. des Straferkenntnisses herabsetzte (Spruchpunkt II.). Hinsichtlich der Spruchpunkte 4., 5., 6. und 7. des angefochtenen Straferkenntnisses gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge, hob die jeweiligen Spruchpunkte auf und stellte das Strafverfahren diesbezüglich ein (Spruchpunkt III.). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei (Spruchpunkt IV.).

4 Das gegenständliche Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wurde dem Revisionswerber (per E Mail) am 10. Oktober 2022 zugestellt, der belangten Behörde (per RSb) am 11. Oktober 2022.

5 Mit Beschluss vom 14. Dezember 2022, E 3157/2022 5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat gleichzeitig die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Am 31. Jänner 2023 brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein, in der er als Revisionspunkt die Verletzung seines Rechts auf die Einstellung des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens wegen des ex lege erfolgten Außerkrafttretens des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 19. April 2021 infolge Ablaufs der 15-Monatsfrist gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG geltend macht.

7 Zur Zulässigkeit bringt die Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die 15-Monats-Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG bereits abgelaufen und das Straferkenntnis außer Kraft getreten gewesen sei; das Beschwerdeverfahren hätte daher eingestellt werden müssen.

8 Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie auf die Begründung ihres Straferkenntnisses verwies.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revision ist zulässig, soweit sie sich gegen die dem Grunde nach erfolgte Bestätigung der Bestrafung des Revisionswerbers im Umfang der Spruchpunkte 1., 2. und 3. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses richtet. Sie ist diesbezüglich auch berechtigt.

10 § 43 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet (auszugsweise):

Verjährung

§ 43 . (1) Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen.

(2) ...“

11 Sind demnach seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen. Entscheidet das Verwaltungsgericht über ein nach Ablauf der 15-monatigen Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG von Gesetzes wegen außer Kraft getretenes verwaltungsbehördliches Straferkenntnis, so belastet es dadurch sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. VwGH 7.5.2021, Ra 2020/10/0174; VwGH 18.5.2018, Ro 2018/02/0007, 0008, jeweils mwN).

12 Im vorliegenden Fall ist die (zulässige und rechtzeitige) Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 19. April 2021 bei dieser am selben Tag, somit am 19. April 2021 (per E Mail) eingelangt.

13 Die 15-Monate-Frist gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG endete daher am 19. Juli 2022.

14 Das gegenständliche Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2022 wurde erst nach diesem Zeitpunkt, nämlich durch Zustellung an den Revisionswerber am 10. Oktober 2022, erlassen. Das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 19. April 2021 war daher im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (am 10. Oktober 2022) bereits gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG außer Kraft getreten; das Strafverfahren wäre daher vollumfänglich einzustellen gewesen.

15 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies trifft im vorliegenden Fall zu (vgl. auch dazu VwGH 18.5.2018, Ra 2018/02/0007, 0008).

16 Das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts war daher dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber (auch) im Umfang der in Beschwerde gezogenen Spruchpunkte 1., 2., und 3. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses vom 19. April 2021 gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG einzustellen war, weil dieses Straferkenntnis im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts bereits außer Kraft getreten war.

17 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Den Erfordernissen des Art. 6 Abs. 1 EMRK und des Art. 47 GRC wurde schon durch Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan.

18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. Mai 2023

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