JudikaturVwGH

Ra 2022/10/0207 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
01. Juni 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Stoisser, über die Revision der S G in W, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. September 2022, Zlen. VGW 141/081/17877/2021 8 und VGW 141/081/10164/2022, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz unterbleibt.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. September 2022 wurden der Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren u.a. „für den Zeitraum von 1. Juli 2022 bis 31. Oktober 2022 keine Leistungen der Mindestsicherung“ zugesprochen (und insofern ein Einstellungsbescheid der belangten Behörde vom 4. Juli 2022 bestätigt).

2 Mit der vorliegenden, am 28. Oktober 2022 beim Verwaltungsgericht Wien eingelangten außerordentlichen Revision wird von der Revisionswerberin mit Blick auf die Versagung der Gewährung von Mindestsicherung ab 1. Juli 2022 eine Verletzung „im Recht auf Weitergewährung des Bezugs bzw. im Recht auf Nichteinstellung mit 30.6.2022“ geltend gemacht.

3 Mit nachfolgendem Bescheid der belangten Behörde vom 2. November 2022 wurde auf Grund eines neuerlichen Antrags der Revisionswerberin vom 3. Juli 2022 über Leistungen der Mindestsicherung u.a. für den Zeitraum vom 3. Juli 2022 bis zum 31. Oktober 2022 neuerlich abgesprochen (Zuerkennung von näher genannten Leistungen für August und September 2022, keine Zuerkennung für Juli 2022 und Oktober 2022). Hinsichtlich des Zeitraumes 3. Juli 2022 bis 31. Juli 2022 erfolgte deshalb kein Zuspruch, weil der Revisionswerberin (die im Verfahren den Zufluss von € 1.403,39 am 1. Juli 2022 vorgebracht hatte) ein Einkommen von € 1.044,19 angerechnet wurde; ein Einkommen in gleicher Höhe wurde der Revisionswerberin auch für den Zeitraum 1. bis 31. Oktober 2022 angerechnet. Ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid vom 2. November 2022 wurde nicht erhoben.

4 Über Aufforderung, zur Frage der Gegenstandslosigkeit der vorliegenden Revision Stellung zu nehmen, führte die Revisionswerberin in ihrer Äußerung vom 14. Mai 2023 aus, durch „den Abspruch über die Mindestsicherung ab dem 3.7.2022 klaglos gestellt“ zu sein.

5 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist mit der Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur bei formeller Klaglosstellung, sondern auch bei „Gegenstandslosigkeit“ der Revision vorzugehen. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. VwGH 1.9.2022, Ra 2021/10/0008, 0009; 30.8.2021, Ro 2020/10/0011; 31.7.2020, Ra 2020/10/0047, 0048).

7 Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben (vgl. VwGH 30.8.2021, Ro 2020/10/0011; 22.6.2022, Ra 2021/10/0193; 19.3.2021, Ro 2020/09/0012).

8 Ein derartiger Fall liegt hier schon mit Blick darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann, wenn zwei rechtswirksame Bescheide im Widerspruch stehen, der später erlassene Bescheid dem früher erlassenen derogiert, vor. Identität der Sache vorausgesetzt, tritt der spätere Bescheid zur Gänze an die Stelle des früheren (vgl. VwGH 30.3.2022, Ra 2019/11/0161; 22.5.2014, Ro 2014/15/0008; 18.9.2003, 2000/16/0606). Nichts anderes kann für den hier vorliegenden zweimaligen rechtswirksamen Abspruch über Mindestsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 3. Juli 2022 bis zum 31. Oktober 2022 gelten. Dass die Revisionswerberin durch die Nicht Zuerkennung derartiger Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum 2. Juli 2022 im geltend gemachten Recht verletzt wird, ist nicht erkennbar und wird von ihr auch nicht behauptet. Vielmehr erachtet sich die Revisionswerberin durch den nachfolgenden Abspruch vom 2. November 2022 als klaglos gestellt.

9 Die Revision war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Revisionsverfahren einzustellen.

10 Da nicht ohne Weiteres und daher nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand beurteilt werden kann, welchen Ausgang das Verfahren genommen hätte, wäre keine Gegenstandslosigkeit eingetreten, wurde gemäß § 58 Abs. 2 VwGG nach freier Überzeugung entschieden, dass ein Zuspruch von Aufwandersatz nicht stattfindet.

Wien, am 1. Juni 2023

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