JudikaturVwGH

Ra 2022/10/0027 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. September 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der S G in W, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 8. Oktober 2021, Zl. VGW 242/070/11971/2021/VOR 3, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 25. Februar 2021 wurden der Revisionswerberin für den Zeitraum vom 12. November 2020 bis zum 31. Oktober 2021 monatliche Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs in näher genannter Höhe zuerkannt. Dabei wurden (u.a.) „anrechenbare Beihilfen zu den Kursnebenkosten (Pauschalbetrag)“ von € 2,11 täglich für einen näher genannten Zeitraum als Einkommen der Revisionswerberin berücksichtigt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 8. Oktober 2021 wurde eine dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde, die sich ausschließlich gegen die Anrechnung der Beihilfen zu den Kursnebenkosten als Einkommen wendete, als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

3 Begründend ging das Verwaltungsgericht im Kern davon aus, dass für die Beurteilung, ob ein Einkommen den Anspruch auf Mindestsicherung mindern oder zum Erlöschen bringen könne, von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen sei, der alle Einkünfte des Hilfesuchenden umfasse, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen würden (Verweis auf VwGH 14.5.2007, 2005/10/0187; 9.9.2009, 2006/10/0260). Mangels einer rechtlichen Ausnahme betreffend die erwähnte Beihilfe im Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) sei diese somit dem Einkommen zuzurechnen. Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gehabt, dass eine Beihilfe zu den Kursnebenkosten als Einkommen anzurechnen sei (Verweis auf VwGH 4.5.2020, Ra 2019/10/0030).

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2022/10/0017; 24.2.2022, Ra 2021/10/0029; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081).

8 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, die vom Verwaltungsgericht genannte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beantworte „die Frage der Zulässigkeit einer um die pauschalierten Kursnebenkosten verringerten Auszahlung der Mindestsicherung“ nicht. Es bestünden diesbezüglich zwischen den Verwaltungsgerichten divergierende Rechtsansichten (dazu wird auf eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark aus dem Jahr 2012 verwiesen). Es fehle an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur Anrechnung der pauschalierten Kursnebenkosten“.

9 Dem ist zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof zum WMG bereits ausgesprochen hat, dass die Aufzählung der in § 11 WMG genannten Ausnahmen von der Anrechnung taxativ zu verstehen ist (vgl. VwGH 27.4.2016, Ra 2016/10/0026). Die Novellierungen LGBl. Nr. 2/2018 (vgl. nunmehr § 10 Abs. 6 und § 11 WMG) bzw. LGBl. Nr. 39/2021 (vgl. § 11a WMG) haben nichts daran geändert, dass von einer in den genannten Bestimmungen vorgenommenen taxativen Aufzählung der von einer Anrechnung ausgenommenen Einkünfte auszugehen ist (vgl. zum umfassenden Einkommensbegriff auch die Materialien zur Novelle LGBl. Nr. 2/2018, BlgWrLT Nr. 23/2017, S. 8). Dass pauschalierte Kursnebenkosten nach diesen Bestimmungen des WMG von der Anrechnung ausgenommen wären, wird auch in der Revision nicht behauptet. Das Verwaltungsgericht hat demnach zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den sozialhilferechtlichen Bestimmungen der Länder verwiesen, wonach mangels einer (anderslautenden) Begriffsbestimmung im jeweiligen Landesgesetz von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen ist, der alle Einkünfte des Hilfesuchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen (vgl. VwGH 22.10.2019, Ro 2018/10/0044, mit Verweis auf VwGH 11.8.2017, Ro 2015/10/0022; 23.5.2017, Ra 2017/10/0060; 9.9.2009, 2006/10/0260; 14.5.2007, 2005/10/0187). Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den sozialhilferechtlichen Bestimmungen der Länder auch bereits darauf hingewiesen, dass nur echte, d.h. nicht wie nach dem Revisionsvorbringen im Revisionsfall pauschalierte Aufwandsentschädigungen unberücksichtigt bleiben könnten (vgl. nochmals VwGH 22.10.2019, Ro 2018/10/0044, mit Verweis auf VwGH 28.2.2001, 98/03/0216; 29.6.1999, 97/08/0101).

10 Eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte erfüllt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B VG, wenn es zu der betreffenden Frage eine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt. Dies gilt erst recht, wenn sich die behauptete uneinheitliche Entscheidungspraxis im Verhältnis zu einem unabhängigen Verwaltungssenat ergibt (vgl. VwGH 10.12.2019, Ra 2016/15/0054).

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. September 2022

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