JudikaturVwGH

Ro 2022/10/0015 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. November 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der M E in L, vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 10. Jänner 2022, Zl. LVwG 351126/2/KLi, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt L), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (Verwaltungsgericht) vom 10. Jänner 2022 wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 3. November 2021 auf Gewährung von Sozialhilfe zur Unterstützung des Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs nach dem Oö. Sozialhilfe Ausführungsgesetz (Oö. SOHAG) mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass keine dauerhafte Berechtigung zur Niederlassung iSd § 5 Oö. SOHAG vorliege, weil die Revisionswerberin lediglich über den befristeten Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“ verfüge. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.

2 Den zuletzt genannten Ausspruch begründete das Verwaltungsgericht damit, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vorliege, ob der der Revisionswerberin zukommende befristete Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“ nach dem Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz (NAG) sie als „dauerhaft niedergelassenen Fremden, der sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft, tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält“ iSd § 5 Oö. SOHAG qualifiziere, wobei dieser Rechtsfrage Bedeutung über den vorliegenden Einzelfall hinaus zukomme.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die sich im Rahmen ihrer Zulässigkeitsbegründung ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht dargelegte Rechtsfrage stützt.

4 Das Verwaltungsgericht legte nach Durchführung des Vorverfahrens die Akten vor. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der keine Kosten beantragt wurden.

5 Die Revision erweist sich als unzulässig:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 31.3.2021, Ro 2021/10/0002, mwN). Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. VwGH 5.10.2020, Ro 2020/10/0023, mwN).

10 Die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG vorliegen, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 21.3.2022, Ro 2021/10/0015, mwN).

11 Weder das Verwaltungsgericht noch die Revisionswerberin zeigen mit ihren jeweiligen Ausführungen zur geltend gemachten Rechtsfrage die Zulässigkeit der Revision auf:

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 28. April 2022, Ra 2021/10/0042, mit § 4 Abs. 1 erster Satz Sozialhilfe-Grundsatzgesetz auseinandergesetzt und festgehalten, dass dort in Bezug auf einen allfälligen Sozialhilfeanspruch Fremder auf einen durch eine fünfjährige „Wartefrist“ näher bestimmten „dauerhaften rechtmäßigen Aufenthalt“ des Fremden im Inland abgestellt wird, ohne das Erfordernis bestimmter Aufenthaltstitel zu normieren.

13 Im Beschluss vom 21. März 2022, Ro 2021/10/0015, hat der Verwaltungsgerichtshof (im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 Z 2 Salzburger Sozialunterstützungsgesetz SUG) schon ausgeführt, dass Fremde mit einem Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“ nicht „bereits alleine deshalb“ zu dem nach dieser Bestimmung bezugsberechtigten Personenkreis zählen.

14 Diese Rechtsprechung lässt sich auch auf den vorliegenden Fall übertragen, weil im Oö. SOHAG wie auch im Sozialhilfe Grundsatzgesetz, das mit dem Oö. SOHAG ausgeführt und umgesetzt werden sollte (vgl. AB Blg. Oö. LT 1180/2019, 28. GP, 1) der Nachweis eines bestimmten Aufenthaltstitels nicht vorgesehen, sondern lediglich bestimmt wird, dass Leistungen der Sozialhilfe „[...] im Übrigen nur dauerhaft niedergelassenen Fremden zu gewähren [sind], die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft, tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.“

15 Dass die Revisionswerberin, die nach eigenem Vorbringen in der Revision seit fast drei Jahren ordnungsgemäß niedergelassen sei, bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die unabhängig von der Art des vorliegenden Aufenthaltstitels zu erfüllenden Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Oö. SOHAG erfüllt hätte (vgl. insbesondere zu dem Umstand, dass bei der Berechnung des mindestens fünfjährigen dauerhaften rechtmäßigen Aufenthaltes im Inland die Zeiten der bloß vorläufigen Aufenthaltsberechtigung infolge der Zulassung zum Asylverfahren gemäß § 13 Abs. 1 Asylgesetz 2005 nicht zu berücksichtigen sind, VwGH 21.3.2022, Ro 2022/10/0003), wird nicht aufgezeigt.

16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. November 2022

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