JudikaturVwGH

Ra 2022/05/0073 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, in der Revisionssache des Dr. R S in B, vertreten durch die Metzler Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 27. Dezember 2021, LVwG 152968/43/VG, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde P, vertreten durch die TKT Rechtsanwälte Tusek Krenn Trunez (GbR) in 4150 Rohrbach Berg, Hanriederstraße 8/16; mitbeteiligte Parteien: 1. E S, 2. S H, beide in P, beide vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt und Mag. Peter Breiteneder, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Herrenstraße 6; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Marktgemeinde Putzleinsdorf Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

1 Der Revisionswerber ist Nachbar der mitbeteiligten Parteien im Sinne des § 31 Abs. 1 der Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: Oö. BauO 1994). Er erhob bereits im baubehördlichen Verfahren Einwendungen gegen ein näher beschriebenes, von den mitbeteiligten Parteien auf ihren Grundstücken geplantes Bauvorhaben. Seine Grundstücke sind als „Bauland Wohngebiet“ gewidmet; sein Wohnhaus befindet sich auf einem Grundstück südöstlich der Hofstelle der mitbeteiligten Parteien.

2 Mit Bescheid vom 14. Jänner 2021 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde P. (belangte Behörde) den mitbeteiligten Parteien die Baubewilligung für das Bauvorhaben „Zu und Umbau Rinderlaufstall, Neubau Einstellhalle, Neubau Gartenlaube“ nach Maßgabe der Einreichunterlagen und unter der Vorschreibung von Auflagen auf näher genannten Grundstücken der KG O. mit der Flächenwidmung „Bauland Dorfgebiet“. Den Befunden der im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholten Amtssachverständigengutachten aus den Bereichen Schalltechnik und Luftreinhaltetechnik lag die nach Umsetzung des Bauvorhabens von den mitbeteiligten Parteien angestrebte Erhöhung der Anzahl der eingestellten Tiere von 24 Mutterkühen samt Nachzuchtrindern auf 39 Milchkühe, 10 Kälber und 10 Kalbinnen zugrunde.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (LVwG) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die den mitbeteiligten Parteien erteilte Baubewilligung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer für das vorliegende Verfahren unwesentlichen Maßgabe abgewiesen und eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.

4 Im Zuge des vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahrens erstatteten sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligten Parteien Revisionsbeantwortungen, in denen jeweils die Zurückweisung, in eventu Abweisung, der Revision sowie Kostenersatz beantragt wurden. Die Oberösterreichische Landesregierung verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. für viele etwa VwGH 21.12.2022, Ra 2022/05/0145, mwN).

9 Im vorliegenden Fall stellte das LVwG auf Basis der Einreichunterlagen, des verwaltungsbehördlichen Aktes sowie den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung zum Umfang des Bauvorhabens fest, dass das Bauvorhaben den Um und Zubau eines Rinderlaufstalles, den Neubau einer Einstellhalle und einer Gartenlaube auf näher genannten Grundstücken nach Maßgabe der Einreichunterlagen umfasse, insbesondere werde auf den Einreichplan Nr. 1059 vom 14. August 2020 verwiesen. Geplant sei die Erhöhung des derzeitigen Tierbestandes von 24 Mutterkühen samt Nachzuchtrindern auf künftig 39 Milchkühe, 10 Kälber und 10 Kalbinnen. Die Lüftung erfolge über offene Gebäudeseiten, versehen mit Curtains (Gitternetzen), und über den offenen First des Sheddaches. Die Flüssigmisteinlagerung sei in einem unter Spaltenböden befindlichen Güllekeller vorgesehen. Die Fütterung der Tiere erfolge derzeit wie künftig mittels Ballensilage. Im Zuge des Umbaus würden die bestehende Festmistlagerstätte und der kleinere Auslauf aufgelassen.

10 Soweit die Revision vermeint, die Begrenzung der Anzahl der zukünftig zu haltenden Tiere auf 39 Milchkühe, 10 Kälber und Kalbinnen stelle eine Antragsänderung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dar und sei vom LVwG nicht berücksichtigt, sondern vielmehr die von der belangten Behörde erteilte Bewilligung bestätigt worden, ohne dass die Änderung im Spruch ersichtlich gemacht worden wäre (wird nicht näher ausgeführt), entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und legt damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. VwGH 26.3.2021, Ra 2021/05/0043, 0044, mwN). Eine derartige Projektänderung ist den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen und insbesondere angesichts des Inhaltes der im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholten Gutachten (vgl. oben Rn 2) im Übrigen aus dem Inhalt der verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Akten auch nicht ersichtlich.

11 Rechtsfragen des Verfahrensrechtes kommt grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG nur dann zu, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte. Hiebei muss die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage des Verfahrensrechtes abhängen, wovon im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden kann, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser Mangel abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen, für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 7.10.2020, Ra 2020/05/0187, mwN).

12 Weder legt die Revision zu ihrer Zulässigkeit dar, dass tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stünden, noch, dass die durch das LVwG getroffene Beurteilung grob fehlerhaft wäre.

13 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, dass die tatsächliche Anzahl an Tieren, die im geplanten Bau untergebracht werden könnten, die Angaben der mitbeteiligten Parteien im Antrag auf Erteilung der Baubewilligung übersteige und dies im Verfahren trotz mehrerer Beweisanträge des Revisionswerbers unbeachtet geblieben wäre, ist auf Folgendes hinzuweisen:

14 Das Baubewilligungsverfahren ist ein Projektgenehmigungsverfahren. Gegenstand des Verfahrens ist die Beurteilung des in den Einreichplänen und sonstigen Projektunterlagen dargestellten Projektes, für das der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist. Die Übereinstimmung des Vorhabens mit den gesetzlichen Bestimmungen ist anhand des konkret eingereichten Projektes (Baubeschreibung, Pläne etc.) zu prüfen. Ausschlaggebend im Baubewilligungsverfahren ist der Bauwille des Bauwerbers, der einen anderen Bau als den eingereichten nicht umfasst. Es kann nur das beantragte Bauvorhaben bewilligt oder nicht bewilligt werden. Aus der Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung folgt, dass die Baubehörde über das Parteibegehren, wie es sich aus dem Ansuchen, den Plänen, der Baubeschreibung etc. ergibt, abzusprechen hat (vgl. zu allem VwGH 15.3.2021, Ra 2020/05/0011, mwN).

15 Die Revision selbst geht wie das LVwG in seinen Feststellungen und auch die belangte Behörde in ihrem Verfahren von einer Erhöhung auf 39 Milchkühe, 10 Kälber und 10 Kalbinnen gegenüber dem derzeitigen Stand nach Fertigstellung des Bauvorhabens aus.

16 Aus welchem Grund das LVwG vor diesem Hintergrund ein weiteres Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Landwirtschaft zum Beweis, dass das Bauvorhaben tatsächlich eine höhere Tieranzahl zulasse, hätte einholen müssen, legt die Revision nicht dar, weshalb auch dieses Zulässigkeitsvorbringen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht darzulegen vermag (vgl. allgemein zur einzelfallbezogenen Beurteilung der Notwendigkeit einer Beweisaufnahme VwGH 16.11.2020, Ra 2018/06/0056, mwN).

17 Schließlich wendet sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Beweiswürdigung des LVwG und begründet dies im Wesentlichen mit einer Unschlüssigkeit des dem Erkenntnis zugrundegelegten Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Luftreinhaltetechnik.

18 Ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung zu Recht als schlüssig qualifiziert wurde oder welchem von mehreren, einander widersprechenden Gutachten das Gericht folgt, stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Regelfall keine grundsätzliche Rechtsfrage, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, welche jedenfalls dann keine Zulässigkeit der Revision begründet, wenn sie zumindest vertretbar ist (vgl. etwa VwGH 29.1.2020, Ro 2019/09/0001, oder auch 21.11.2018, Ra 2018/09/0148, jeweils mwN). Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der in einem Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt wäre (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0027, mwN).

19 Im vorliegenden Fall hat sich das LVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Einholung eines Obergutachtens infolge widerstreitender Gutachten des luftreinhaltetechnischen Amtssachverständigen und des von der revisionswerbenden Partei beauftragten Privatgutachters in seinem Erkenntnis mit allen vorliegenden Gutachten auseinandergesetzt, und sich in seiner Beweiswürdigung mit näherer Begründung dem Gutachten der als Obergutachterin beigezogenen Amtssachverständigen angeschlossen und insbesondere dargelegt, aus welchen Gründen dem Privatgutachten nicht gefolgt wurde. Dass und aus welchem Grund diese im Einzelfall vorgenommene Beurteilung in einer unvertretbaren Weise erfolgt sein sollte, zeigt der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf (vgl. zu den Anforderungen der Vorgangsweise des Verwaltungsgerichtes im Fall einander widersprechender Gutachten etwa VwGH 9.5.2019, Ra 2018/02/0187, oder auch 21.4.2021, Ra 2021/03/0046, jeweils mwN).

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren der Behörde war abzuweisen, weil sich die Höhe des Schriftsatzaufwandes für eine Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG nach § 48 Abs. 2 Z 1 VwGG iVm § 1 Z 2 lit. a VwGH Aufwandersatzverordnung 2014 richtet und die Umsatzsteuer sowie der ERV Zuschlag in dem dort genannten pauschalierten Betrag bereits enthalten ist (vgl. etwa VwGH 27.4.2023, Ra 2021/06/0083; 18.1.2024, Ra 2023/21/0169, jeweils mwN).

Wien, am 15. April 2024

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