Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des K S in K, vertreten durch Dr. Frank Riel, Dr. Wolfgang Grohmann, Dr. Josef Cudlin, Dr. Frank Riel jun., Dr. Christoph Sauer und Dr. Birgit Riel Katschthaler, Rechtsanwälte in 3500 Krems an der Donau, Gartenaugasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 26. Jänner 2022, Zl. LVwG AV 1336/001 2021, betreffend eine Angelegenheit nach dem Mineralrohstoffgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten; mitbeteiligte Partei: T GmbH Co KG in H, vertreten durch Dr. Martin Kaufmann, Rechtsanwalt in 3390 Melk, Babenbergerstraße 8), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juli 2021 wurde der mitbeteiligten Partei die mineralrohstoffrechtliche Genehmigung für einen Gewinnungsbetriebsplan betreffend die obertägige Gewinnung grundeigener mineralischer Rohstoffe auf dem „Abbaufeld K [...] III“ in der Gemeinde K befristet bis 31. Dezember 2028 erteilt.
2 Sämtliche Einwendungen des Revisionswerbers, die eine Beeinträchtigung seines bestehenden Wasserbenutzungsrechtes, der Landwirtschaft sowie der Gesundheit des Revisionswerbers und eines näher bezeichneten Gebäudes betrafen, wurden von der belangten Behörde als unzulässig zurückgewiesen.
3 2.1. Die gegen den Genehmigungsbescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. Jänner 2022 als unbegründet ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.
4 2.2. In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass das Grundstück des Revisionswerbers über weite Teile unmittelbar an ein Grundstück angrenze, das einen Teil des Abbaufeldes „U [...] V“ bilde. Die Abbaugrenze des Abbaufeldes „U [...] V“ zum Wohnhaus des Revisionswerbers verlaufe im Südosten seiner Liegenschaft in einer Entfernung von etwa 250 m. Das (gegenständliche) Abbaufeld „K [...] III“ liege weiter südöstlich der rechtskräftig genehmigten Abbaufelder „K [...] IV bis VI“ und „U [...] IV bis VI“. Zwischen dem Grundstück des Revisionswerbers und dem Abbaufeld „K [...] III“ seien die genannten, rechtskräftig genehmigten Abbaufelder situiert.
5 Die geplante Erweiterung des Dolomitbergbaues auf dem „Abbaufeld K [...] III“, das eine Abbaufläche von 1.810 m 2 und ein Abbauvolumen von 7.000 m 3 umfasse, diene vor allem der Optimierung der „Tagbaugeometrie“. Abbau und Aufbereitung erfolgten mit dem bisher genehmigten Bergbauzubehör und den bisher genehmigten Bergbauanlagen. Die Quelle des Revisionswerbers könne durch das „Abbaufeld K [...] III“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht beeinträchtigt werden, weil zwischen der nördlich des Bergbaugebietes gelegene Quelle und dem „Abbaufeld K [...] III“ im südlichsten Teil des Abbaugebietes eine hydrologisch hydrogeologische Wasserscheide liege. Das gegenständliche Vorhaben verursache keine Lärmimmissionen und keinen Infraschall, die als gesundheitsschädlich zu beurteilen seien. Es seien auch im Bereich der nächsten Wohnanrainer keine erheblich nachteiligen oder belästigenden bzw. unzumutbaren Einwirkungen zu erwarten. Die Vorschreibung zusätzlicher Maßnahmen sei nicht erforderlich. Letztlich seien mit der beantragten Erweiterung des Abbaugebietes auch keine erheblich nachteiligen Auswirkungen auf Menschen und keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit durch Erschütterungen zu erwarten. Auch sei mit der beantragten Erweiterung keine erhebliche bzw. unzumutbare Belästigung von Anrainern durch Erschütterungen verbunden.
6 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht zum „Mitspracherecht der Nachbarn“ aus, dass Nachbarn im Genehmigungsverfahren nach § 116 MinroG nicht berechtigt seien, schlechthin alle tatsächlichen oder vermeintlichen Verstöße gegen Rechtsvorschriften geltend zu machen. Nur soweit diese neben dem öffentlichen Interesse auch dem Interesse des Nachbarn dienten, begründeten sie sogenannte subjektiv öffentliche Rechte. Gegen deren Verletzung könne sich der Nachbar im Bewilligungsverfahren durch die Erhebung von Einwendungen wehren. Entgegen der offensichtlichen Ansicht des Revisionswerbers besitze dieser im gegenständlichen Bewilligungsverfahren demnach kein umfassendes Mitspracherecht.
7 Aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides sei abzuleiten, dass die belangte Behörde die Einwendungen des Revisionswerbers in Bezug auf die bereits genehmigten Abbaufelder als unzulässig zurückgewiesen habe. Jene Einwendungen, die sich auf das „Abbaufeld K [...] III“ bezögen, seien mit der Erledigung als unbegründet abgewiesen worden. Eine Rechtswidrigkeit dieser Vorgangsweise könne so das Verwaltungsgericht nicht erkannt werden.
8 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 5.1. In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche ebenso wie der Bescheid der belangten Behörde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Es werde hier nämlich die Ansicht vertreten, die Behörde könne einfach im Rahmen der freien Beweiswürdigung das Fachwissen eines Sachverständigen der mangelnden Vorbildung einer widersprechenden Person gegenüberstellen und dabei den Äußerungen des Sachverständigen folgen, ohne sich mit logischen und nachvollziehbaren Argumenten des Revisionswerbers auseinander zu setzen. Dieser habe die Möglichkeit einer Grundwasserneubildung bei natürlich gewachsenem Boden jener gegenübergestellt, die bei einem durch Steinbruch beeinträchtigten Boden bestehe. Nachvollziehbar sei zudem, dass es für die Beurteilung der Gefährdungswahrscheinlichkeit eines landwirtschaftlichen Anwesens bei komplizierter Grundwassersituation nicht ausreiche, sich mit der Entnahme einer Wasserprobe bei einer einzigen Quelle, der Besichtigung des Einzugsgebietes und mit darauf basierenden naturgemäß unzureichenden (fragwürdigen) Berechnungen zu begnügen.
13 Das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem es davon ausgehe, dass die Aussagen der Amtssachverständigen für Lärmtechnik, Hydrogeologie, Sprengmitteltechnik und Humanmedizin ungeprüft heranzuziehen seien, weil der Revisionswerber seine Gegenargumente nicht auf „gleicher fachlicher Ebene“ vorgebracht bzw. dargelegt habe. Voraussetzung für die Anwendung dieses vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Grundsatzes sei aber, dass die Gutachten schlüssig und nachvollziehbar seien. Auch die Argumente eines Laien seien darauf zu prüfen, ob sie die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit von Gutachten in Frage stellten bzw. widerlegten. Es widerspreche der Rechtsprechung, dass sich die Behörde ohne konkrete Auseinandersetzung mit schlüssigen und lebensnahen Gegenargumenten sowie ohne Prüfung des Vorbringens des Revisionswerbers (also eines Laien) auf die freie Beweiswürdigung zurückziehe. Es stelle sich daher die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob der Grundsatz der freien Beweiswürdigung die Behörde ihrer Verpflichtung zur sachlichen konkreten Prüfung von Argumenten eines Laien entbinde.
14 5.2. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 22.3.2023, Ro 2019/04/0234, Rn. 28, mwN).
15 Der Revisionswerber bestreitet im vorliegenden Fall nicht, dass er den erwähnten Gutachten der Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist. Zwar haben Einwendungen gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens einschließlich der Behauptung, die Befundaufnahme sei unzureichend bzw. der Sachverständige gehe von unrichtigen Voraussetzungen aus, ebenso wie Einwendungen gegen die Vollständigkeit des Gutachtens nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann Gewicht, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind, also insbesondere auch ohne Gegengutachten erhoben werden (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2017/07/0214, Rn. 23, mwN).
Derartige Mängel der Gutachten werden vom Revisionswerber aber nicht nachvollziehbar aufgezeigt.
Auch ist das Verwaltungsgericht in seinen beweiswürdigenden Erwägungen entgegen dem Revisionsvorbringen nicht davon ausgegangen, dass den Aussagen der Amtssachverständigen ungeprüft zu folgen sei, weil der Revisionswerber seine Gegenargumente nicht auf „gleicher fachlicher Ebene“ vorgebracht habe.
Das Verwaltungsgericht hat in seinen Ausführungen vielmehr explizit eingeräumt, dass Einwendungen gegen Gutachten auch Gewicht haben könnten, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt seien, also insbesondere ohne Gegengutachten erstattet worden seien. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch ausführlich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Grundsatz der Gleichwertigkeit der Beweismittel Bezug genommen. Es setzte sich konkret mit den gegen die Gutachten vorgebrachten Einwendungen des Revisionswerbers auseinander (siehe Seite 28 f des angefochtenen Erkenntnisses) und kam dabei zum Ergebnis, es seien keine Hinweise ersichtlich, dass der Gutachtenserstellung falsche Parameter zugrunde gelegt worden wären und sich die Gutachten insoweit als mangelhaft erwiesen.
Der Kritik des Revisionswerbers an den durchgeführten lärmtechnischen Messungen hielt das Verwaltungsgericht zu Recht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Wahl der Messpunkte in den fachlichen Verantwortungsbereich des Sachverständigen fällt; sie kann daher, soweit sie nach allgemeinem Erfahrungsgut nicht bereits als unschlüssig zu erachten ist, nur durch ein auf gleicher fachlicher Ebene stehendes Vorbringen entkräftet werden (vgl. VwGH 29.11.2017, Ra 2015/04/0014, Rn. 17, mwN).
16 Ausgehend davon vermag der Revisionswerber ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darzutun.
17 6.1. In der Revision wird schließlich vorgebracht, es sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob eine entschiedene Sache (res iudicata) dann noch vorliege, wenn durch das Hinzutreten eines weiteren Abbaufeldes ein neuer Sachverhalt geschaffen werde, der in diesem Ausmaß bei Bewilligung der vorherigen Abbaufelder noch nicht bestanden habe, und daher eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze durch die gesamte Anlage und somit selbstverständlich auch durch das „Abbaufeld K [...] III“ bewirkt werde und als wesentliche Änderung der Betriebspläne zu qualifizieren sei. Wie sich schon aus dem Vergleich mit der wirtschaftswissenschaftlichen Grenznutzentheorie ergebe, schafften zusätzliche Einheiten in Ergänzung zu einer an sich guten Einheit ab einem bestimmten Ausmaß keinen zusätzlichen Nutzen. Vielmehr kippe dann die Wirkung einer zusätzlichen, für sich allein allenfalls noch nicht bedenklichen Einheit in ein schadensstiftendes Ereignis um. Damit seien aber die Daten und Fakten der ursprünglichen Bewilligungen sehr wohl ebenfalls in die Beurteilung des nunmehr verfahrensgegenständlichen Projektes einzubeziehen.
18 6.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum gewerblichen Betriebsanlagenrecht ist Gegenstand eines Verfahrens nach § 81 Abs. 1 GewO 1994 nur die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, nicht jedoch die geänderte Betriebsanlage insgesamt (vgl. VwGH 18.3.2015, Ro 2015/04/0002). Nur insoweit, als es wegen der Änderung zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist, hat die Genehmigung auch die bereits genehmigte Anlage zu umfassen; erforderlich ist es dann, wenn durch diese Änderung auch das Ausmaß der von der bestehenden Anlage ausgehenden Immissionen eine Änderung erfährt. Danach ist es nicht von Bedeutung, welches von der Betriebsanlage ausgehende Maß an Immissionen insgesamt auf die Liegenschaft der Nachbarn einwirkt, zu beurteilen ist vielmehr lediglich jenes Maß an Immissionen, um welches die von der bereits genehmigten Betriebsanlage ausgehenden Immissionen erhöht werden, sowie allfällige neu auftretende Immissionen (vgl. dazu die Judikaturnachweise bei Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher , GewO Kurzkommentar 3 [2024] § 81 Rz. 6 sowie Stolzlechner/Wendl/Bergthaler , Die gewerbliche Betriebsanlage 4 [2016] Rz. 358).
Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung auch schon in bergbaurechtlichen Verfahren zur Anwendung gebracht (vgl. VwGH 28.2.2012, 2009/04/0267, Pkt. II, 7.2.).
Dass im vorliegenden Fall das gegenständliche „Abbaufeld K [...] III“ auch zu einer Änderung des Ausmaßes der vom bestehenden (genehmigten) Abbau ausgehenden Immissionen führen würde (und damit im Sinn der obigen Rechtsprechung auch der bestehende Abbau in die Änderungsgenehmigung einzubeziehen gewesen wäre), wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.
19 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. Mai 2025