JudikaturVwGH

Ro 2022/03/0036 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. November 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer in Linz, vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Spittelwiese 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 13. Dezember 2021, Zl. LVwG 851643/4/HW, betreffend Berufsunfähigkeitsrente nach der Rechtsanwaltsordnung (mitbeteiligte Partei: Mag. N H in G, vertreten durch die Shamiyeh Reiser Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Am Schillerpark, Rainerstraße 6 8), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid vom 9. Juni 2021 erkannte die belangte Behörde (nunmehrige Revisionswerberin) dem Mitbeteiligten einen dauerhaften Rentenanspruch aus der Versorgungseinrichtung Teil A der Oö. Rechtsanwaltskammer und aus der Versorgungseinrichtung Teil A der Salzburger Rechtsanwaltskammer in näher bestimmter Höhe zu. Unter einem wurde dem Mitbeteiligten „bei sonstigem Erlöschen des Anspruchs aufgetragen“, sich vier näher bestimmten medizinischen Maßnahmen zu unterziehen (fachärztliche psychiatrische Kontrolle, Weiterführung einer Psychotherapie, psychiatrischer Reha Aufenthalt in einem psychiatrischen Rehazentrum und Teilnahme an einem tagesklinischen Programm einer psychiatrischen Fachabteilung) und jeweils nachzuweisen. Die ersten beiden genannten Auflagen seien bis zum Erreichen des für die vorzeitige Altersrente maßgeblichen Alters zu erfüllen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der gegen die Spruchauflagen (betreffend die genannten medizinischen Maßnahmen) gerichteten Beschwerde des Mitbeteiligten statt und änderte den Bescheid dahingehend ab, dass diese Auflagen zu entfallen hätten. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Inanspruchnahme einer Heilbehandlung nur dann im Sinn des § 33 Abs. 2 der Verordnung der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages über die Versorgungseinrichtungen Teil A der österreichischen Rechtsanwaltskammern (Satzung Teil A 2018) verweigert würde, wenn der berufsunfähige Rechtsanwalt sich konkreten Vorgaben für eine dienliche und zumutbare Heilbehandlung zur Beseitigung der Berufsunfähigkeit schuldhaft und damit vorwerfbar widersetze (Hinweis auf die hg. Erkenntnis vom 24. April 2018, Ra 2018/03/0017, und vom 5. September 2018, Ra 2018/03/0052). Wie diese „Vorgaben“ für eine dienliche und zumutbare Heilbehandlung zu erfolgen hätten, werde in der Verordnung nicht näher geregelt. Es sei davon auszugehen, dass dies nicht mittels Bescheid erfolgen müsse (und ein berufsunfähiger Rechtsanwalt daher auch nicht die Möglichkeit haben müsse, bereits die Vorgaben für die Heilbehandlung zu bekämpfen). Es spreche aber grundsätzlich „wohl auch nichts dagegen“, dass die „Vorgaben“ für eine Heilbehandlung gleichzeitig mit der Zuerkennung eines dauerhaften Rentenanspruches durch die belangte Behörde erfolgten.

4 Der Bescheid vom 9. Juni 2021 enthalte neben der Zuerkennung des dauerhaften Rentenanspruches Vorgaben für Heilbehandlungen, welche dem Mitbeteiligten „bei sonstigem Erlöschen des Anspruchs aufgetragen“ würden. Dies sei so zu verstehen, dass der Rentenanspruch erlösche, wenn die aufgetragenen Heilbehandlungen nicht innerhalb der im Spruch genannten Fristen durchgeführt würden. Dies sei schon deswegen unzulässig, weil das Nichtdurchführen einer vorgegebenen Heilbehandlung für sich allein noch nicht zum Erlöschen des Rentenanspruches führe. Zum Erlöschen des Anspruches könne es erst kommen, wenn sich der berufsunfähige Rechtsanwalt schuldhaft und damit vorwerfbar widersetze.

5 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil soweit ersichtlich keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, in welcher konkreten Form Vorgaben für eine dienliche und zumutbare Heilbehandlung zur Beseitigung der Berufsunfähigkeit für einen berufsunfähigen Rechtsanwalt zu erfolgen hätten.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, welche das Verwaltungsgericht unter Vorlage der Verfahrensakten vorlegte. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

7 Die Revision sieht ihre Zulässigkeit ebenso und wortgleich wie das Verwaltungsgericht im Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, in welcher konkreten Form Vorgaben für eine dienliche und zumutbare Heilbehandlung zur Beseitigung der Berufsunfähigkeit für einen berufsunfähigen Rechtsanwalt zu erfolgen hätten.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 26.3.2021, Ro 2020/03/0004, mwN).

12 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH 7.6.2022, Ro 2022/03/0038, mwN).

13 Eine solche Konstellation liegt hier vor, weil die sowohl vom Verwaltungsgericht als auch von der Revision zur Begründung der Zulässigkeit einzig angesprochene Rechtsfrage mittlerweile im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2021, Ra 2021/03/0119, ausdrücklich geklärt wurde:

14 Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, mit § 32 Abs. 4 der Satzung Teil A 2018, wonach sich Bezieher von dauerhaft zuerkannten Berufsunfähigkeitsrenten bis zum Erreichen des für die vorzeitige Altersrente maßgeblichen Alters den von der zur Entscheidung über den Leistungsanspruch zuständigen Rechtsanwaltskammer angeordneten Kontrolluntersuchungen zu unterziehen haben, werde implizit zum Ausdruck gebracht, dass die zuständige Rechtsanwaltskammer derartige Kontrolluntersuchungen anordnen kann. In welcher Form diese Anordnung zu erfolgen hat, wird in der Satzung nicht ausdrücklich geregelt. Dass die Anordnung auch in Form einer Auflage im Leistungsbescheid erfolgen darf, ist vor diesem Hintergrund nicht als fehlerhaft zu erkennen.

15 Das Verwaltungsgericht hat die Aufhebung der gegenständlichen Auflagen damit begründet, dass durch diese Auflagen rechtskraftfähig Rechtsfolgen (nämlich das Erlöschen des Rentenanspruchs) ohne Einschränkung festgelegt werden, obwohl nach § 33 Abs. 2 Z 3 der Satzung Teil A 2018 entsprechend der Auslegung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nur die schuldhafte und damit vorwerfbare Verweigerung der Heilbehandlung zu dieser Konsequenz führe. Dem hält die Revision entgegen, in der Auflage nur den Satzungstext wiedergegeben zu haben.

16 Zutreffend hat das Verwaltungsgericht erkannt, die Verweigerung der Inanspruchnahme einer zur Beseitigung der Berufsunfähigkeit dienlichen und zumutbaren Heilbehandlung setze nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass sich der berufsunfähige Rechtsanwalt konkreten Vorgaben für eine dienliche und zumutbare Heilbehandlung zur Beseitigung der Berufsunfähigkeit schuldhaft und damit vorwerfbar widersetzt (vgl. etwa VwGH 24.4.2018, Ra 2018/03/0017; VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0052).

17 Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der konkreten Auflagen dahingehend, sie würden von den gesetzlichen Voraussetzungen abweichende und strengere Rechtsfolgen vorsehen, indem sie das Erlöschen des Anspruchs bei unterbliebener Inanspruchnahme der Heilbehandlung ohne Einschränkung vorsehen, ist im Lichte des bisher Gesagten nicht als rechtswidrig zu erkennen. Auch die Revision zeigt insoweit keine im Revisionsverfahren aufzugreifende Rechtswidrigkeit auf.

18 Da somit weder in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts noch in jener der Amtsrevision Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. November 2022

Rückverweise