Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Pfiel und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Eraslan, über die Revision des N O, vertreten durch Rast Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. April 2021, W251 1253090-2/23E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der im März 1980 geborene Revisionswerber, ein kosovarischer Staatsangehöriger, kam Anfang Juli 2004 nach Österreich und stellte in der Folge einen Asylantrag. Diesen Antrag wies der Asylgerichtshof im Instanzenweg mit Erkenntnis vom 19. September 2011 ab, erklärte jedoch die Ausweisung des Revisionswerbers auf Dauer für unzulässig. Im Anschluss daran wurde dem Revisionswerber ein befristeter und immer wieder zuletzt bis 19. November 2016 verlängerter Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“ erteilt. Den dazu im März 2017 gestellten Verlängerungsantrag des Revisionswerbers wertete die Niederlassungsbehörde im Hinblick auf seine damalige Inhaftierung als rechtzeitig.
2 Mit rechtskräftigem Urteil vom 3. Mai 2016 hatte das Landesgericht für Strafsachen Wien nämlich über den Revisionswerber wegen des als Beteiligter begangenen Verbrechens des versuchten schweren Raubes gemäß §§ 12 dritter Fall, 15, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB eine unbedingte Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt, die er bis zu seiner bedingten Entlassung im Februar 2018 verbüßte. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber habe am 1./2. Jänner 2016 zum unter Verwendung einer Schusswaffe versuchten Raub in einem Wettlokal dadurch beigetragen, dass er in Kenntnis des Tatplans, ein Wettbüro bewaffnet zu überfallen, den Ort des Überfalls in W auswählte, einen der unmittelbaren Täter von L nach W fuhr, den anderen unmittelbaren Täter vom Bahnhof abholte, Pistolen von seinem Bruder besorgte und beiden unmittelbaren Tätern zur Tatausführung aushändigte, sie zum Tatort brachte und sich in der Tatortnähe aufhielt, um den Mittätern zur Flucht zu verhelfen, wobei er ein Drittel der Beute hätte erhalten sollen.
3 Angesichts dessen erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 19. März 2019 gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG iVm § 9 BFA VG eine Rückkehrentscheidung und verband damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot. Des Weiteren stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers „nach Kosovo“ zulässig sei, und es räumte gemäß § 55 FPG eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise ein.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. April 2021 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
8 In dieser Hinsicht wendet sich die Revision zusammengefasst gegen die nach § 9 BFA VG vorgenommene Interessenabwägung und die gemäß § 53 Abs. 3 FPG erstellte Gefährdungsprognose.
9 Dem ist allerdings zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage beruht und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt ist nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B VG ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (vgl. etwa VwGH 25.3.2021, Ra 2020/21/0476, Rn. 11, mwN). Das ist hier wie die weiteren Ausführungen zeigen der Fall.
10 Im Rahmen seiner Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG den langjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet seit dem Jahr 2004, die Integration am österreichischen Arbeitsmarkt bis zu seiner Festnahme, seine Deutschkenntnisse und die Bindungen zu seinen mit ihren Familien in Österreich lebenden vier Brüdern, von denen er finanziell unterstützt werde, wobei er bei einem seiner Brüder lebe. Das dadurch begründete private Interesse des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet werde jedoch so das BVwG zusammengefasst durch das besonders hohe öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes, das aus dem strafrechtlichen Fehlverhalten des Revisionswerbers resultiere und dem aufgrund der geplanten und organisierten Vorgangsweise bei der Durchführung des Raubes ein sehr großes Gewicht beizumessen sei, überwogen.
11 Das Ergebnis dieser nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Gewinnung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber vorgenommenen Interessenabwägung ist aber jedenfalls nicht unvertretbar. Dabei wurde auch auf den in der Revision besonders ins Treffen geführten Umstand ausreichend Bedacht genommen, dass sich große Teile der Familie des Revisionswerbers im Bundesgebiet befinden. Soweit der Revisionswerber zur Frage der Intensität der Bindungen die unterlassene Einvernahme von Familienangehörigen rügt, ist außerdem zu erwidern, dass sich - entgegen den Revisionsausführungen - ein Antrag auf Einvernahme bestimmter Familienangehöriger den vorgelegten Akten nicht entnehmen lässt. Bei diesem Vorbringen wird überdies außer Acht gelassen, dass das BVwG - in vertretbarer Weise - davon ausgegangen ist, eine Trennung des Revisionswerbers von seinen in Österreich lebenden Brüdern sei im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen der in Rede stehenden Art jedenfalls hinzunehmen. Im Übrigen wies das BVwG in diesem Zusammenhang auch zutreffend unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA VG („Bindungen zum Heimatstaat“) darauf hin, dass sowohl die Ehefrau und der gemeinsame minderjährige Sohn des Revisionswerbers, mit denen er täglich Kontakt habe, als auch seine Eltern und ein weiterer Bruder im Kosovo leben.
12 Der Revisionswerber bringt dann noch vor, im Zeitraum zwischen der am 29. Juli 2020 durchgeführten Verhandlung und der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses vom 7. April 2021 hätten sich die Bindungen zu seinen Familienangehörigen in Österreich intensiviert und er habe nunmehr auch eine österreichische Lebensgefährtin. Der damit verbundene Vorwurf, das BVwG hätte vor Erlassung der Entscheidung nochmals Parteiengehör gewähren müssen, geht allerdings ins Leere, weil es am Revisionswerber gelegen wäre, allfällige maßgebliche Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen von sich aus dem BVwG mitzuteilen (vgl. ähnlich VwGH 4.4.2019, Ra 2018/21/0169, Rn. 13). Im Übrigen käme den nunmehr entgegen dem sich aus § 41 VwGG ergebenden Neuerungsverbot erstmals ins Treffen geführten Umständen fallbezogen schon unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA VG wegen des in diesem Zeitraum (qualifiziert) unsicheren Aufenthalts auch keine maßgebliche Bedeutung zu.
13 Des Weiteren macht der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision geltend, das BVwG habe seine mehrjährige Unbescholtenheit vor der überdies einzigen Straftat sowie seinen ordentlichen Lebenswandel seit der Haftentlassung im Jahr 2018 bei der für die Erlassung des Einreiseverbotes zu treffenden Gefährdungsprognose nicht ausreichend berücksichtigt; andernfalls hätte dies zu einer positiven Zukunftsprognose geführt.
14 Bei diesem Vorbringen lässt der Revisionswerber jedoch die ständige, auch vom BVwG ins Treffen geführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes außer Acht, wonach der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich nach dem Vollzug einer Haftstrafe in Freiheit wohlverhalten hat, wobei dieser Zeitraum umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat (vgl. etwa VwGH 22.2.2021, Ra 2020/21/0537, mwN).
15 Von einer solchen nachdrücklichen Manifestierung der Gefährlichkeit des Revisionswerbers durfte das BVwG aber angesichts der ihm zur Last liegenden schweren Straftat Beteiligung an einem mit zwei Mittätern geplanten und organisierten, versuchten Raub mit einer Schusswaffe im vorliegenden Fall ausgehen, sodass das Wohlverhalten seit der Haftentlassung nicht unvertretbar als noch zu kurz angesehen werden konnte, zumal das BVwG diese Annahme auch mit der näher dargelegten und in der Revision nicht bekämpften Einschätzung begründete, dass dem Revisionswerber (noch immer) die Einsicht für das Unrecht seiner Straftat fehle. Die Folgerung des BVwG, es liege (weiterhin) eine schwerwiegende Gefahr iSd § 53 Abs. 3 FPG vor, war daher trotz der davor gegebenen und vom BVwG nicht außer Acht gelassenen Unbescholtenheit im Ergebnis vertretbar. Daran hätte entgegen der Meinung in der Revision auch ein günstiger Bericht der Bewährungshilfe, dessen Vorlage vom Revisionswerber an das BVwG im Übrigen unterblieben ist (siehe zu dieser Pflicht schon die Ausführungen in Rn. 12), nichts geändert, zumal dessen Inhalt auch in der Revision nicht konkret dargelegt wird.
16 Der Revision gelingt es somit nicht, im vorliegenden Fall maßgebliche grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufzuwerfen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 5. August 2021