JudikaturBVwG

L504 2140780-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
18. Oktober 2024

Spruch

L504 2140780-3/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX geb. XXXX StA. Irak, vertreten durch RA Mag. Oliver Mathis und Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2023, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 25.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 03.11.2016 bezüglich des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der bP wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.03.2017, L524 2140780-1/6E als unbegründet abgewiesen.

Im April 2017 reiste die bP aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

Nach Antrag der bP wurde ihre befristete Aufenthaltsberechtigung durch Bescheid des BFA bis zum 04.11.2019 verlängert.

Am 11.12.2019 brachte die bP einen Antrag auf Wiedereinreise in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 03.02.2020 wurde von der ÖB Ankara ein National laissez-passer für die Rückkehr nach Österreich ausgestellt.

Im Februar 2020 reiste die bP wieder in das österreichische Bundesgebiet ein.

Am 11.02.2020 brachte die bP (nicht fristgerecht) einen Antrag auf Verlängerung der befristetet Aufenthaltsberechtigung ein.

Mit Bescheid der BFA vom 15.06.2020 wurde der bP der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der bP nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2021 als unbegründet abgewiesen.

Sie kam der Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb nicht rechtmäßig im Bundesgebiet.

Am 23.03.2023 brachte die bP den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 56 AsylG persönlich beim BFA ein.

Ausgeführt wurde, dass die bP strafgerichtlich unbescholten sei und sich seit Februar 2020 wieder durchgehend in Österreich befinde. Sie leide an Diabetes mellitus Typ 2. Die bP sei sehr bemüht, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Seit Mai 2021 sei sie als Küchenhilfe beschäftigt und verdiene monatlich EUR 2.695,69 brutto. Außerdem habe sie eine eigene Wohnung und beziehe keinerlei Sozialleistungen oder Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Die Sicherheitslage im Irak sei anhaltend dramatisch schlecht, ebenso die Versorgungslage und sei eine Abschiebung in den Irak daher nicht möglich. Dem Antrag beigelegt wurde ein Konvolut an Beweismitteln.

Mit Bescheid des BFA vom 30.08.2023 wurde der Antrag der bP auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 56 AsylG abgewiesen. Gem. § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gem. § 46 FPG zulässig ist. Gem. § 55 Abs.1-3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Dagegen wurde von der bP fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 31.07.2024 wurde die bP auf dem Luftweg nach Bagdad abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie der Stellungnahmen Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der bP:

Die volljährige bP ist Staatsangehörige des Irak, sowie der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Sie wurde in Bagdad geboren und spricht als Muttersprache arabisch.

Die bP ist verheiratet und hat mit seiner Ehegattin vier gemeinsame Kinder.

Die bP leidet an Diabetes Mellitus Typ II und ist insulinpflichtig. Die bP wurde diesbezüglich bereits im Irak behandelt.

Die bP besuchte im Irak neun Jahre lang die Schule und war danach bei der Gemeinde beschäftigt.

Von April 2017 bis Februar 2020 lebte die bP in der Türkei, wo sich auch nach wie vor die Ehegattin samt der gemeinsamen vier Kinder aufhält.

1.2. Zur Integration:

Die bP hat im Jahr 2017 am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen, im Jahr 2018 hat sei den Kurs „A1 Startpaket Prüfungsvorbereitung“ besucht. Bestätigungen über bereits absolvierte Prüfungen wurden nicht vorgelegt.

Im Mai 2021 nahm die bP eine Tätigkeit als Küchenhilfe auf. Der monatliche Bruttoverdienst beträgt EUR 2695,96.

Mit 01.09.2022 bezog die bP eine Zwei-Zimmerwohnung mit Dusche und WC. Der monatliche Gesamtmietzins wurde im Mietvertrag mit EUR 520 festgesetzt.

Die bP bezieht seit Ende 2020 keine Leistungen aus der Grundversorgung.

In Österreich leben keine Familienangehörigen oder Verwandten der bP.

Die bP ist strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Zum Vorverfahren:

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 25.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 03.11.2016 bezüglich des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der bP wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.03.2017, L524 2140780-1/6E als unbegründet abgewiesen.

Nach Antrag der bP wurde ihre befristete Aufenthaltsberechtigung durch Bescheid des BFA bis zum 04.11.2019 verlängert.

Am 11.02.2020 brachte die bP (nicht fristgerecht) einen Antrag auf Verlängerung der befristetet Aufenthaltsberechtigung ein.

Mit Bescheid der BFA vom 15.06.2020 wurde der bP der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der bP nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2021 als unbegründet abgewiesen.

Sie hat der mit diesem Erkenntnis rk. geworden Ausreiseverpflichtung keine Folge geleistet und verblieb rechtswidrig im Bundesgebiet.

Am 31.07.2024 wurde die bP auf dem Luftweg nach Bagdad abgeschoben.

1.4. Rückkehrsituation

a) Betreffend ihrer aktuellen persönlichen Sicherheit im Herkunftsstaat:

Aus der derzeitigen Lage ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht.

b) Betreffend der aktuellen, persönlichen Versorgungssituation mit Lebensnotwendigem (insb. Lebensmittel, Unterkunft, med. Versorgung) im Herkunftsstaat:

Die bP hat auch hinsichtlich ihrer persönlichen Versorgungssituation im Falle der Rückkehr keine konkrete Problemlage vorgebracht und ist sie erwerbsfähig. Den entsprechenden Ausführungen des BFA wurde in der Beschwerde nichts entgegengesetzt.

Die bP stellte keinen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

1.5. Zur abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

Aus den vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen ergibt sich zusammengefasst, dass die Sicherheit und Versorgung der Bevölkerung mit Unterkunft, Lebensmittel und medizinischen Leistungen grds. gewährleistet ist. Aus der derzeitigen Berichtslage ergibt sich im Herkunftsstaat, unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bestünde.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen unstreitig aus dem Akteninhalt bzw. auch aus den eigenen Angaben der bP einschließlich den Beschwerdeangaben. Dieser wird der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.

Ad 1.1.

Dies ergibt sich unstreitig aus der Aktenlage.

Ad 1.2.

Die Feststellungen zum Arbeitsverhältnis der bP ergibt sich aus den entsprechend von der bP im Verfahren vorgelegten Unterlagen

Die Feststellung, dass die bP aktuell keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dem Grundversorgungsauszug.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregisterauszug.

Ad 1.3.

Dies ergibt sich unstreitig aus der Aktenlage.

Ad 1.4.

Dies ergibt sich unstreitig aus den Angaben der bP und aus der Beschwerde sowie aus den Länderinformationen der Staatendokumentation.

Ad 1.5.

Dies ergibt sich aus dem zitierten und zu Gehör gebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.

In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her tragfähig ist.

Insgesamt gesehen wurde der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der belangten Behörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben. Die belangte Behörde hat auch die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und wurden entsprechende Ermittlungen angestellt.

Im Übrigen wird die Beweiswürdigung der bB in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.01.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

Nach Ansicht des BVwG hat die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, wonach das Gericht dieses zu ergänzen hätte.

Die Beschwerde richtet sich im Wesentlichen gegen die rechtliche Beurteilung.

3. Rechtliche Beurteilung

Ad A)

Zum Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 Abs. 1 AsylG

Gesetzliche Grundlagen

§ 56 AsylG - Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

§ 60 AsylG - Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde."

Entscheidung im gegenständlichen Fall:

Als unbedingte Erteilungsvoraussetzungen für eine „Aufenthaltsberechtigung“ sieht § 56 AsylG einen durchgängig fünfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet sowie die Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z1 bis Z3 AsylG 2005 vor. Darüber hinaus hat sich das BFA hinsichtlich des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Falls gemäß § 56 Abs. 3 AsylG 2005 am Grad der Integration des Antragstellers zu orientieren (Filzwieser/Franz/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar Stand 15.01.2016, S 980).

Das BFA führte im angefochtenen Bescheid zutreffend aus, dass die bP die Grundvoraussetzung eines nachweislichen, durchgängigen fünfjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht erfülle, da sie sich von April 2017 bis Februar 2020 in der Türkei aufgehalten habe.

In der Beschwerde wird dem entgegengesetzt, dass der bP die Dauer ihres Asylverfahrens bei der Berechnung iSd § 56 AsylG jedenfalls anzurechnen sei. Dieser Zeitraum und auch jener als subsidiär Schutzberechtigter seien nicht angerechnet worden bzw. hätten keine Berücksichtigung gefunden. Des Weiteren habe das BFA den Auslandsaufenthalt nicht entsprechend geprüft und beurteilt.

Dazu ist auszuführen, dass die bP erstmals im April 2015 in das österreichische Bundesgebiet einreiste, wo sie einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und ihr letztlich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gewährt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde.

Im April 2017 reiste die bP aus Österreich in die Türkei aus, wo sie sich anschließend mit ihrer Ehegattin und den gemeinsamen vier Kindern bis Februar 2020 aufhielt. Die Ehegattin und die Kinder der bP leben nach wie vor in der Türkei.

Zur Klärung der Frage, ob eine Unterbrechung des durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet iSd § 56 Abs. 1 Z1 AsylG durch Auslandsaufenthalte gegeben ist, ist § 2 Abs. 7 NAG heranzuziehen.

§ 2 Abs. 7 NAG normiert, dass kurzfristige Inlands- und Auslandsaufenthalte, insbesondere zu Besuchszwecken, nicht die anspruchsbegründende oder anspruchsbeendende Dauer eines Aufenthaltes oder einer Niederlassung unterbrechen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Fremde das Bundesgebiet in Folge einer nachträglich behobenen Entscheidung nach dem FPG verlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf die in der Regierungsvorlage BGBl. I Nr. 122/2009 (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009) zu § 2 Abs. 7 NAG enthaltenen Erläuterungen (330 BlgNR 24. GP, 41), dass mit § 2 Abs. 7 NAG klargestellt wird, dass kurzfristige Auslandsaufenthalte, wie z.B. zu Besuchszwecken oder zur Durchreise, weder eine anspruchsbegründende (z.B. für den fünfjährigen Zeitraum zur Erlangung eines Daueraufenthalt-EG), noch eine anspruchsbeendende (z.B. die Erlöschenszeiträume nach § 20 Abs. 4) Aufenthalts- oder Niederlassungsdauer unterbricht, wobei es hierbei im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor allem darauf ankommt, inwiefern sich durch den Auslands- bzw. Inlandsaufenthalt der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Betreffenden verändert. Vgl. dazu auch § 2 Abs. 2 Z 2 (vgl. VwGH 20.08.2013, 2012/22/0122).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass Aufenthalte zu Besuchszwecken oder Ferienaufenthalte von ihrer Zielrichtung her, und jedenfalls, wenn sie kurzfristig waren, keine Verschiebung des Mittelpunktes der Lebensinteressen zur Folge haben können (vgl. in diesem Sinn VwGH 27.02.2020, Ra 2019/22/0101, Rn. 20 und 21; siehe auch VwGH 16.12.2014, Ra 2014/22/0071 bis 0073; 07.10.2021, Ra 2021/21/0088).

Im Lichte dieser Judikatur unterbrach die bP mit ihrer Ausreise in die Türkei im April 2017 und ihrem bis Februar 2020 dauernden Aufenthalt dort ihren Aufenthalt im Bundesgebiet. Bei einem beinahe dreijährigen Aufenthalt in einem Land, in dem auch die Ehegattin und die vier gemeinsamen Kinder leben, kann man wohl kaum von einem (kurzfristigen) Aufenthalt lediglich zu Besuchszwecken ausgehen.

Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die bP im Verfahren bzgl. der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten offenkundig wahrheitswidrige Angaben zu ihrem Aufenthalt in der Türkei tätigte (siehe dazu Erkenntnis des BVwG vom 27.12.2021, Zl. L519 2140780-2, S. 71), sodass der Eindruck erweckt wurde, die bP wolle die (wahren) Umstände ihres Aufenthaltes in der Türkei verschleiern. Auch im nunmehr gegenständlichen Verfahren wurden von der bP keinerlei Angaben getätigt, aufgrund derer nicht von einer Unterbrechung des Aufenthaltes auszugehen wäre.

Daraus folgt, dass die Frist zur Berechnung des durchgängigen Aufenthaltes mit der Wiedereinreise der bP in das österreichische Bundesgebiet Anfang Februar 2020 neu zu laufen begann und die bP sohin zum Zeitpunkt der hier gegenständlichen Antragstellung nach § 56 AsylG sohin rund 3 Jahre durchgängig in Österreich aufhältig war.

Da das Kriterium eines fünfjährigen durchgängigen Aufenthaltes iSd § 56 Abs. 1 Z1 und 2 AsylG nicht erfüllt ist, war ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu erteilen.

Aufgrund dessen ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass auf die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen insbesondere im Hinblick auf § 60 Abs. 1 Z1 AsylG nicht mehr näher einzugehen war.

Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.):

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG abgewiesen wurde, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG zurück- oder abgewiesen wird.

Das BFA hat gegenständlich entschieden, dass zur Erreichung von in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Interessen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung dringend geboten sei.

In der Beschwerde wird diesbezüglich allgemein ausgeführt, worauf für die Interessensabwägung gem. § 9 BFA-VG Rücksicht zu nehmen sei. Konkret in Bezug auf die bP wird lediglich darauf hingewiesen, dass gegen den Verbleib in Österreich und für die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung nur spreche, dass die bP im Jahr 2015 unrechtmäßig eingereist und ihr Aufenthaltsstatus unsicher gewesen sei.

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 BFA-VG

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

Für die Beurteilung, ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt, wird auf die im Erkenntnis des BVwG v. 16.01.2019, L504 1314867-3, dargestellte höchstgerichtliche Judikatur verwiesen.

Ob eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dabei obliegt es dem Fremden integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 22.01.2014, 2012/22/0245).

Nicht näher substantiierte – bloße – Behauptungen können keine maßgebliche Verstärkung der Interessen des Fremden dartun (vgl. etwa VwGH 24.9.2009, 2009/18/0294).

Auf Grund der Ermittlungsergebnisse ergibt sich das Vorhandensein von privaten Anknüpfungspunkten der bP im Bundesgebiet und bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen an einem Verbleib mit den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendung, somit, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich

die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist;

Unter Zugrundelegung der Abwägungskriterien und der Ermittlungsergebnisse (einschließlich der Beschwerdeangaben) ergibt sich Folgendes:

Für die bP spricht im Wesentlichen, dass sie zumindest nach ihrer erstmaligen Einreise in das österreichische Bundesgebiet im Jahr 2015 Bemühungen unternommen hat, die deutsche Sprache zu erlernen. Sie ist strafrechtlich unbescholten. Zudem hat sie sich eine eigene Wohnung organisiert und eine berufliche Tätigkeit als Küchenhilfe aufgenommen.

Gegen die bP spricht, dass sie (2015) nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist. Dieses gegen die öffentliche Ordnung, konkret die geregelte Zuwanderung von Fremden, widersprechende Verhalten stellt auf Grund der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz gem. §§ 120 Abs 1 iVm Abs 7, 31 FPG bei Strafmündigen auch eine Verwaltungsübertretung dar, die von der Landespolizeidirektion als Strafbehörde zu ahnden ist. Ihr Antrag auf internationalen Schutz hat sich als unberechtigt erwiesen, dennoch kam die bP ihrer Ausreiseverpflichtung bisher nicht nach. Dies stellt eine Verwaltungsübertretung gemäß § 120 Abs 1b FPG dar und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 15.000 Euro bedroht.

Dazu kommt, dass die bP nach dem durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2021 beendete Verfahren bzgl. der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat, ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, rechtswidrig im Bundesgebiet verblieb und auch weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist ohne dafür über den notwendigen Aufenthaltstitel zu verfügen.

Es besteht ein großes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Das verlangt von Fremden grundsätzlich, dass sie nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0062). Hier hat sich die bP bewusst der österr. Rechtsordnung widersetzt.

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass es im Sinne des § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG grds. maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich die bP ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 10.04.2017, Ra 2016/01/0175). Daran kann auch eine allenfalls lange Dauer eines Rechtsmittelverfahrens, mag den Fremden daran auch kein Verschulden treffen, nichts ändern (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034).

Die strafrechtliche Unbescholtenheit kann von einem Fremden, welcher sich integrieren möchte, vorausgesetzt werden und vermag dies die privaten Interessen nicht sonderlich verstärken.

Hinsichtlich der Deutschkenntnisse konnte die bP lediglich die Absolvierung eines Kurses zur Prüfungsvorbereitung auf A1 Niveau aus dem Jahr 2017 vorweisen. Dass sie weitere Bemühungen unternommen hätte, die deutsche Sprache weiter zu erlernen, wurde nicht vorgebracht.

Bei der Interessensabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Bedacht zu nehmen (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ein diesbezügliches Vorbringen hat freilich im Rahmen der Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz. Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr – letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden [die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188 mwN).

Die bP befindet sich im Verhältnis zu ihrem Alter erst relativ kurze Zeit im Bundesgebiet. Sie wurde im Irak sozialisiert und hat dort bei weitem ihr überwiegendes Leben verbracht. Sie verfügt dort – im Gegensatz zu Österreich – auch über Familienangehörige. Sie besuchte dort die Schule, war mehrere Jahre erwerbstätig und konnte sich und ihrer Familie über die Tätigkeit bei der Gemeinde ein Auskommen sichern. Sie spricht die Mehrheitssprache ihrer Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau und deutet nichts darauf hin, dass es ihr im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Von einer Entwurzelung kann daher nicht gesprochen werden.

Ein behördliches Verschulden, welche die zeitliche Komponente dermaßen in den Vordergrund treten lassen würde, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unzulässig sei, kann aus der Aktenlage nicht entnommen werden und wurde von der bP auch nicht konkret vorgebracht (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG 2014 stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058).

Auch eine langjährige Abwesenheit vom Herkunftsstaat, unter schwierigen äußeren Verhältnissen, die bei einer Rückkehr einer Gefährdung der Existenzgrundlage nahe kommen könnte, vermag dieser Umstand, angesichts ihres Verhaltens (missbräuchlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, um unter Umgehung der fremdenrechtlichen Vorschriften ihren Aufenthalt in Österreich "quasi zu erzwingen") der Erlassung einer Rückkehrentscheidung für sich betrachtet noch nicht im Wege stehen (VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0119).

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich ein überwiegendes öffentliches Interesse – nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, konkret das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle, sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen insbesondere in Bezug auf den verwaltungsstrafrechtlich pönalisierten, nicht rechtmäßigen Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet, an der Aufenthaltsbeendigung der bP festzustellen, dass ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die Rückkehrentscheidung war daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.

Die persönlichen Bindungen in Österreich lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es der bP schlichtweg unzumutbar machen würde, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Aufenthalts- bzw. Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren (vgl. zB. VwGH 25.02.2010, 2008/18/0332; 25.02.2010, 2008/18/0411; 25.02.2010, 2010/18/0016; 21.01.2010, 2009/18/0258; 21.01.2010, 2009/18/0503; 13.04.2010, 2010/18/0087; 30.04.2010, 2010/18/0111; 30.08.2011, 2009/21/0015), wobei bei der Rückkehrentscheidung mangels gesetzlicher Anordnung hier nicht auf das mögliche Ergebnis eines nach einem anderen Gesetz durchzuführenden (Einreise- bzw. Aufenthalts)Verfahrens Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 18.09.1995, 94/18/0376).

Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung.

Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Im gegenständlichen Fall sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlicher Beschwerde nicht schlüssig dargelegt. Die vertretene bP hat auch (vor der Abschiebung) keinen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt worin sie etwa kundgetan hätte, dass sie einen solchen Schutz benötigen würde.

Auch hinsichtlich der individuellen Versorgungssituation der bP ergaben sich im Verfahren keine Hinweise, wonach es der bP im Irak nicht möglich ist, ihre Existenz hinreichend zu sichern und steht es der bP frei, zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen. Darüber hinaus verfügt die bP im Irak nach wie vor über Familienangehörige und ist davon auszugehen, dass dies die bP ebenfalls unterstützen können. Hinsichtlich der Diabetes Mellitus Typ 2 Erkrankung der bP ist auszuführen, dass eine Behandlung im Irak auch bereits vor der Ausreise nach Österreich im Jahr 2015 erfolgte.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Abschiebung der bP in ihren Herkunftsstaat zulässig. Es sind keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass - auch unter dem Gesichtspunkt des Privat- und Familienlebens der bP - unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Irak die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre (vgl VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

Gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme Beschwerde erhoben wird und sich der Fremde zum Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, festzustellen, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt ihrer Erlassung rechtmäßig war.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 27 AsylG ist unter einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter anderem auch eine Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) zu verstehen.

Da die bP am 31.07.2024 aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak abgeschoben wurde und sie sich somit aktuell nicht mehr im Bundesgebiet aufhält und gemäß den voranstehenden Ausführungen keine Anhaltspunkte für eine Unrechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung hervorgekommen sind, ist gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG festzuhalten, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme (Rückkehrentscheidung) zum Zeitpunkt ihrer Erlassung rechtmäßig war.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine hinreichenden Anhaltspunkte, die einer nochmaligen Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte.

In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Eine Verhandlung konnte auch deshalb unterbleiben, weil selbst ein darin erörtertes Privat- und Familienleben der bP unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall maßgeblichen Umstände keine anderslautende Entscheidung herbeigeführt hätte. Das BVwG hat zudem die diesbezüglichen Angaben der bP ohnedies der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.

Ad B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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