JudikaturVwGH

Ra 2021/17/0151 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. September 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 6. Juli 2021, 405 12/62/1/25 2021, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt in einer Angelegenheit nach dem GSpG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Salzburg; mitbeteiligte Partei: A GmbH in S, vertreten durch Dr. Erich Greger und Dr. Günther Auer, Rechtsanwälte in 5110 Oberndorf, Salzburger Straße 77), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Am 17. Dezember 2020 erfolgte durch die Landespolizeidirektion Salzburg (LPD) unter Zuhilfenahme des Amtes für Betrugsbekämpfung und des EKO Cobra eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) in einem von der mitbeteiligten Partei betriebenen Lokal namens „C“ in S.

2 In ihrer Maßnahmenbeschwerde vom 11. Jänner 2021 wandte sich die mitbeteiligte Partei gegen das bei dieser Kontrolle stattgefundene gewaltsame Öffnen der Eingangstüre des Geschäftslokals, die damit verbundene Beschädigung des Eingangsportals sowie gegen eine ihres Erachtens bei der Kontrolle durchgeführte Hausdurchsuchung, nämlich das Durchsuchen der Räumlichkeiten des Geschäftslokals.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) der Beschwerde Folge und sprach aus, dass die mitbeteiligte Partei durch die Durchsuchung ihres Geschäftslokals in ihren Rechten verletzt worden sei (Spruchpunkt I.). Das Verwaltungsgericht schrieb dem „Rechtsträger der belangten Behörde“ Kostenersatz in der Höhe von EUR 737,60 für den Schriftsatzaufwand, von EUR 922, für den Verhandlungsaufwand sowie die Eingabengebühr von EUR 30, vor (Spruchpunkt II.). Den Antrag des Amtes für Betrugsbekämpfung auf Zuerkennung eines Aufwandersatzes nach § 35 VwGVG wies es als unzulässig zurück (Spruchpunkt III.). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, da das Geschäftslokal zu diesem Zeitpunkt (gemeint: der Kontrolle) leer gewesen sei, sei keine Rückmeldung auf die näher beschriebene Aufforderung gekommen, die Türe zu öffnen. Daraufhin hätten Beamte des EKO Cobra die Eingangstür des Geschäftslokals zwangsweise geöffnet, indem unter Zuhilfenahme eines hydraulischen Öffnungsgerätes die Tür aufgespreizt worden sei.

An der nachfolgenden Kontrolle seien zumindest vier Beamte des Amtes für Betrugsbekämpfung und drei Beamte der LPD beteiligt gewesen. Die Sichtung der Unterlagen sei durch Beamte der Finanzpolizei erfolgt, wobei Beamte der LPD mit Taschenlampen für das notwendige Licht im zu Beginn relativ dunklen Geschäftslokal gesorgt hätten. Beamte der Finanzpolizei hätten zwei Mistkübel unmittelbar vor den Augen des Leiters der Amtshandlung durchsucht.

Konkret seien zwei Ordner aus den unter dem Tresen gelegenen Fächern genommen, auf die Ablage gelegt und über mehrere Minuten durchgeblättert worden. Dabei seien Lichtbilder angefertigt worden. Der Inhalt der beiden Mistkübel sei entleert worden. Die darin befindlichen „Zettel“ seien ausgebreitet und ebenfalls zum Teil abfotografiert worden. Aus einem offenen Fach im Bereich des Tresens sei ein Schlüsselbund herausgenommen und an Geräten ausprobiert worden. Sämtliche Fächer des Tresens im linken Bereich des Geschäftslokals seien über mehrere Minuten durchsucht und dazu mit Taschenlampen hineingeleuchtet worden. Dass Kästen oder Schubladen geöffnet worden seien, sei „auf den Videos nicht zu sehen“.

Begründend führte das Verwaltungsgericht weiters aus, hier habe kein bloßes Betreten des Geschäftslokals stattgefunden, sondern es sei systematisch nach Hinweisen auf illegales Glücksspiel wie etwa Tippscheine oder Geschäftsunterlagen gesucht worden. „Die (wenn auch offenen Laden) unterhalb des Tresens [seien] systematisch durchsucht, Mappen herausgenommen und hier keineswegs nur Gegenstände in Augenschein genommen [worden], die offen und freistehend, entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, zugänglich gewesen“ seien. Für die Durchführung einer Hausdurchsuchung habe jedoch der richterliche Befehl gefehlt. Die zwangsweise Öffnung des Geschäftslokals „durch die Behörde“ sei hingegen von den gesetzlichen Bestimmungen des GSpG sehr wohl gedeckt gewesen.

4 Die vorliegende außerordentliche Amtsrevision richtet sich gegen dieses Erkenntnis im Umfang von dessen Spruchpunkten I. und II. Die mitbeteiligte Partei erstattete im vor dem Verwaltungsgerichtshof geführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Amtsrevision vor, das Verwaltungsgericht habe das angefochtene Erkenntnis als Folge der unvollständigen Erledigung des Verfahrensgegenstandes auch mit einem Widerspruch zwischen Spruch und Begründung belastet.

9 Die mitbeteiligte Partei hatte sich im Rahmen ihrer Maßnahmenbeschwerde gegen insgesamt drei Verwaltungsakte gewendet: das bei der Kontrolle stattgefundene gewaltsame Öffnen der Eingangstüre des Geschäftslokals, die damit verbundene Beschädigung desselben sowie eine ihres Erachtens bei der Kontrolle durchgeführte Hausdurchsuchung. Es handelt sich dabei um voneinander abgrenzbare, dh trennbaren Verwaltungsakte, über die das Verwaltungsgericht zu entscheiden hatte und über die es iSd § 17 VwGVG iVm § 59 Abs. 2 AVG im Falle der Zweckmäßigkeit auch gesondert absprechen durfte.

10 Nach dem eindeutigen Wortlaut des Spruchs des angefochtenen Erkenntnisses hat das Verwaltungsgericht im Revisionsfall ausschließlich über die behauptete Durchsuchung des Lokals abgesprochen (Spruchpunkt I.). Eine allfällige Säumnis hinsichtlich des Abspruchs über die übrigen in der Maßnahmenbeschwerde geltend gemachten Rechtsverletzungen führt jedoch noch nicht zur Rechtswidrigkeit des Abspruchs über die behauptete Hausdurchsuchung, zumal dieser auch nicht von einem Abspruch der beiden anderen geltend gemachten Rechtsverletzungen abhängt (vgl. etwa VwGH 31.1.2019, Ra 2018/22/0086, mwN). Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht sich in seiner Begründung mit allen in der Maßnahmenbeschwerde vorgebrachten Rechtsverletzungen beschäftigt und diese einer rechtlichen Beurteilung unterzogen hat, vermag im Revisionsfall auch noch nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Spruches des angefochtenen Erkenntnisses zu führen.

11 Schließlich macht die Revision als weitere Zulässigkeitsbegründung geltend, es sei „tatsächlich keine Hausdurchsuchung“ vorgelegen.

12 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 19.4.2023, Ra 2020/17/0134, mwN). Indem der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen lediglich der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht entgegentritt, ohne ein Abweichen von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder das Fehlen einer solchen Rechtsprechung aufzuzeigen, entspricht er diesen Anforderungen nicht.

13 Mit der im Zulässigkeitsvorbringen der Revision weiters aufgestellten Behauptung, es sei „tatsächlich zu keiner ‚Suche‘ oder ‚systematischen Besichtigung‘, sondern vielmehr zu einer Inaugenscheinnahme offen zugänglicher Beweismittel gekommen“, entfernt sich die Revision zudem von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt, wonach insbesondere zwei Ordner aus den unter dem Tresen gelegenen Fächern genommen, auf die Ablagefläche gelegt und über mehrere Minuten durchgeblättert sowie der Inhalt der beiden Mistkübel entleert und die darin befindlichen Zettel ausgebreitet und Fotos angefertigt worden seien (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, etwa neuerlich VwGH 22.5.2023, Ra 2023/17/0046, mwN). Gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen enthält die Revision kein Vorbringen.

14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

15 Kosten für die Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil die mitbeteiligte Partei gemäß § 47 Abs. 3 VwGG nur im Fall der Abweisung der Revision Anspruch auf Aufwandersatz hätte.

Wien, am 20. September 2023

Rückverweise