JudikaturBVwG

W176 2298470-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2025

Spruch

W176 2298470-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (auch XXXX ), geboren am XXXX , syrischer Staatsangehöriger, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2024, Zl. 1374767110/232231364, wegen Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der aus Syrien stammende, illegal ins Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer (BF) stellte am 24.10.2023 vor der PI Nickelsdorf (Fremdenpolizei) einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am XXXX 10.2023 gab er an, er habe Syrien verlassen, weil dort Krieg herrsche.

2. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) gab der BF bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am XXXX 06.2024 zusammengefasst an, er stamme aus Damaskus im gleichnamigen Gouvernement, wo er auch bis zu seiner Ausreise aus Syrien gelebt habe. Seine Mutter und Geschwister würden nach wie vor in Damaskus leben.

Er habe Syrien am XXXX 11.2021 verlassen und sei mit seinem Vater bei XXXX in die Türkei eingereist. Die Türkei habe er im August 2023 verlassen.

Im Falle einer Rückkehr nach Syrien drohe ihm die Einberufung zur syrischen Armee. Er wolle aber weder töten noch getötet werden.

Zugleich legte der BF Kopien seines syrischen Personalausweises und von Auszügen aus dem syrischen Personenstandsregister und dem Familienbuch vor. Den syrischen Personalausweis reichte er im Original nach.

3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 01.08.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Identität des BF nicht feststehe. Den Wehrdienst habe er nicht geleistet.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die Angaben des BF zu seinen persönlichen Lebensumständen seien glaubhaft und gingen außerdem aus den von ihm vorgelegten unbedenklichen Urkunden hervor. Seine Identität habe nicht festgestellt werden können, da keine Personsfeststellung durchgeführt worden sei.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dem BF drohe keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

4. Allein gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wendet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 27.08.2024 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem BF nach mündlicher Verhandlung den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Der BF brachte darin zusammengefasst vor, er lehne es ab sich aufseiten irgendeiner Bürgerkriegspartei am Bürgerkrieg in Syrien zu beteiligen. Er lehne es auch ab, durch Zahlung eines Wehrersatzgeldes die syrische Regierung zu unterstützen. Im Rahmen des Wehrdienstes wäre er gezwungen, sich an Kriegsverbrechen zu beteiligen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Mit Schreiben vom 02.01.2025 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF zur Wahrung des Parteiengehörs die Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 zum Machtwechsel in Syrien sowie das UNHCR-Positionspapier zur Rückkehr von syrischen Flüchtlingen vom Dezember 2024 und forderte den BF auf, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

6. Mit der dazu ergangenen Stellungnahme vom 15.01.2024 brachte der BF vor, es fehle derzeit an einer wesentlichen Grundlage für eine Entscheidung, da nicht abschätzbar sei, wie sich die Lage in Syrien entwickeln werde.

7. Am 28.02.2025 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der BF als Partei vernommen wurde.

Dabei gab der BF an, er sei ursprünglich Kurde und habe von 2005 bis 2020 im Damaszener Viertel XXXX gelebt. Er habe in Damaskus die Schule besucht.

Vor seiner Ausreise sei er drei oder vier Tage auf der Polizeiinspektion von XXXX grundlos festgehalten worden. Deswegen sei er gemeinsam mit seinem Vater am XXXX 11.2020 in die Türkei ausgereist.

XXXX , ein Onkel der Mutter des BF, sei in der Stadt Afrin von einem Milizenführer namens Abu Amsha getötet worden. Abu Amsha sei mit einigen seiner Männer in das Haus des Onkels gekommen und habe ihn sogleich erschossen. Ein zweiter Onkel seiner Mutter, XXXX , sei bei diesem Vorfall angeschossen worden. Die übrigen in Afrin lebenden Verwandten des BF seien daraufhin in den Libanon gegangen. Der Vorfall habe sich ungefähr im Jahre XXXX ereignet. Abu Amsha gehöre nun zur neuen Regierung und könne dem BF auch in Damaskus Leid zufügen. Der BF sei der kurdischen Sprache nicht mächtig.

8. Mit Schreiben vom 13.03.2025 legte der BF eine Sterbeurkunde des Onkels seiner Mutter und zwei Fotos vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der BF wurde am XXXX in Damaskus im gleichnamigen Gouvernement geboren, ist syrischer Staatsangehöriger, ist Sunnit und kurdischer Abstammung, spricht jedoch (was die in Syrien gesprochenen Sprachen angeht) nur Arabisch.

Der BF ist in Damaskus zur Schule gegangen und hat dort bis zu seiner Ausreise aus Syrien am XXXX 11.2021 gelebt. Seitdem ist er nicht nach Syrien zurückgekehrt.

Damaskus steht seit dem Machtwechsel unter der Kontrolle der neuen HTS-geführten syrischen Regierung.

XXXX , der Onkel der Mutter des BF wurde bei einem Vorfall am XXXX in Afrin getötet. Bei diesem Vorfall wurde auch ein weiterer Onkel der Mutter des BF, XXXX , verletzt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Milizenführer Mohammed AL-JASSEM (genannt Abu Amsha), der Verbindungen zum neuen syrischen Übergangspräsidenten al-Shara’a hat, oder Angehörige von dessen Miliz an diesem Vorfall beteiligt war.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF kurz vor seiner Ausreise von der syrischen Polizei festgenommen worden ist.

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der BF in Syrien von durch HTS-Angehörige begangenen Menschenrechtsverletzungen betroffen wäre.

1.2. Hinsichtlich der Lage in Syrien:

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Als die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba‘ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Demonstranten, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und regimetreuer Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein immer komplexer werdender bewaffneter Konflikt.

Ab März 2020 trat der Konflikt in eine Patt-Phase ein, in der sich im Wesentlichen drei Gebiete und mehr oder weniger statische Frontlinien herauskristallisierten. Dabei kontrollierte die syrische Regierung unter Präsident Assad rund 60% des syrischen Staatsgebietes, während die Selbstverwaltungszone im Nordosten Syriens (AANES) unter Herrschaft kurdischer Kräfte stand, mit der Türkei alliierte Rebellengruppen Teile des Nordens kontrollierten und die islamistische Gruppierung HTS über einen Teil der Provinzen Idlib und Aleppo im Nordwesten herrschte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (LIB) vom 27.03.2024, S. 16).

Für männliche syrische Staatsbürger war im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 bzw. 21 Monaten in der Syrischen Arabischen Armee (SAA) verpflichtend. Auch Rückkehrer mussten mit Zwangsrekrutierung rechnen. Männer im Alter von 17 Jahren waren gesetzlich verpflichtet, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wurde man einberufen, um den Wehrdienst zu leisten, sofern kein Ausnahmegrund (Studium, medizinische Gründe, einziger Sohn der Familie) vorlag (LIB, S. 119). Nach Ableistung des Pflichtwehrdienstes blieb ein syrischer Mann Reservist und konnte bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (LIB, S. 124). Eine Durchsetzung der Wehrpflicht durch Zwangsrekrutierung war dem syrischen Regime im Wesentlichen nur im eigenen Herrschaftsgebiet möglich (LIB, S. 123f.).

Wehrdienstverweigerung wurde aber vom syrischen Regime zuletzt nicht mehr in jedem Fall als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen. Das Regime war sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer das Land lediglich verlassen hatten, um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich gegen Bezahlung einer Geldsumme von der Wehrpflicht freizukaufen (LIB, S. 144).

Personen, die unter dem Verdacht standen, sich oppositionell zu engagieren, oder als regimekritisch wahrgenommen wurden, unterlagen einem besonders hohen Folterrisiko seitens des Regimes. In vielen Fällen wurden auch Familienmitglieder solcher Personen als vermeintliche Mitwisser oder für vermeintliche Verbrechen ihrer Angehörigen inhaftiert (LIB, S. 165).

Das HTS, welche von Seiten der US-Regierung und auch von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestuft wurde, versuchte in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Ihr wurden in dieser Zeit Menschenrechtsverletzungen (auch gegenüber religiöser Minderheiten), darunter u.a. willkürliche Verhaftungen, mangelnde Rechtsstaatlichkeit im Rahmen der auf religiösen Grundsätzen basierenden Gerichtsbarkeit, gewaltsame Niederschlagung von Protesten sowie das Verschwindenlassen von Personen vorgeworfen (LIB, S. 11, 35, 90, 169).

Durch eine am 27.11.2024 gestartete Großoffensive des HTS gegen die Regierungstruppen kam es rund um den 08.12.2024 zu einem Machtwechsel in Syrien: Assad setzte sich nach Russland ab, das HTS übernahm die Kontrolle über die staatlichen Institutionen und bildete eine unter seiner Leitung stehende Übergangsregierung. Die nunmehrigen Machthaber haben eine Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht gestellt, wobei die Erlassung einer neuen Verfassung in drei Jahren und die Abhaltung von Wahlen in vier Jahren vorgesehen ist. Die Soldaten der SAA wurden vom Armeekommando außer Dienst gestellt. Für alle Wehrpflichtigen, die in der SAA gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Aktuell existiert in Syrien keine staatliche Wehrpflicht.

Aus der Kurzinformation der Staatendokumentation des BFA zur Sicherheitslage und politischen Lage vom 10. Dezember 2024:

„Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) die Operation ‚Abschreckung der Aggression‘ […] und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. […]

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort. Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12.

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab. Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein, nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten. Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab. Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor. Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind, und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt.

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad. Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt.

[…]

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation ‚Morgenröte der Freiheit‘ […] nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein.

[…]

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet. Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen. Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union und der Türkei als Terrororganisation eingestuft. Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden. Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien. Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren.

[…]

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben.“

Aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2025, Zl. W292 2297588:

„1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

1.2.1. Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Als die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt waren die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen.

1.2.2. Ab März 2020 trat der Konflikt in eine Patt-Phase ein, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden. Das Assad-Regime kontrollierte rund 70% des syrischen Territoriums. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten – auf syrischem Territorium tätig waren und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführten.

1.2.3. Am 27.11.2024 wurde von Seiten oppositioneller Kräfte unter Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) nach umfangreicher Vorbereitung eine Operation unter dem Titel „Abschreckung der Aggression“ gestartet, welche rasch bedeutende Kontrollveränderungen auf dem syrischen Staatsgebiet zur Folge hatte. Am 08.12.2024 erlangten die Operationskräfte die Kontrolle über Damaskus und beendeten damit die Herrschaft des syrischen Regimes. Der frühere Machthaber Bashar al-Assad hat das Land verlassen und sich auf russisches Territorium begeben. Die nunmehr machtausübenden Akteure haben insgesamt eine Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht gestellt, der diesbezügliche Zeitplan beinhaltet die Installation einer neuen Verfassung in drei Jahren, die Abhaltung von Wahlen in vier Jahren sowie die Auflösung sowohl aller Geheimdienste als auch der HTS.

1.2.4. Zur Lage in Westsyrien vor 27.11.2024:

Die HTS, welche von Seiten der US-Regierung und auch von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestuft wurde, versuchte in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Ihr wurden in dieser Zeit Menschenrechtsverletzungen (auch gegenüber religiöser Minderheiten) und u.a. willkürliche Verhaftungen, mangelnde Rechtsstaatlichkeit auf Basis einer religiösen Gerichtsbarkeit, gewaltsame Niederschlagungen von Protesten sowie das Verschwindenlassen von Personen vorgeworfen.

Die Opposition versprach nach Machterlangung am 08.12.2024, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung al-Assads oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben.

Nach der Machterlangung durch oppositionelle Kräfte wurden die Soldaten der Regierung von Seiten des Armeekommandos außer Dienst gestellt. Der Militärdienst in der syrischen Armee unter dem vormaligen Regime ist nicht mehr existent, seit der oppositionellen Machtübernahme wurde bislang kein verpflichtender Militärdienst eingerichtet.

Anders als die frühere Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf. In den von den beiden Gruppierungen vor der Offensive im November 2024 kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrschte kein Mangel an Männern, die bereit waren, sich ihnen anzuschließen.

1.2.5. Die nachstehende Karte zeigt die Gebietskontrolle der verschiedenen Akteure in Syrien mit Stand 13.01.2025.

1.2.6. Seitens der Übergangsregierung bestehen bereits Bestrebungen eine neue syrische Armee zu formieren. So kündigte Syriens neuer Machthaber, Ahmed al-Scharaa, medial an, dass die HTS sowie alle bewaffneten Rebellenfraktionen im Konsens aufgelöst und unter dem Dach des Verteidigungsministeriums zusammengeführt werden. Zudem sollen die Geheimdienste der gestürzten Assad-Regierung aufgelöst werden, welche über Jahrzehnte hinweg maßgeblich an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Die neuen Machthaber haben jedenfalls die Häftlinge aus den berüchtigten Foltergefängnissen entlassen und diese für Angehörige von Inhaftierten, internationale Journalisten und Menschenrechtsorganisationen zugänglich gemacht.

1.2.7. Die neue Übergangsregierung unter der Führung von Ahmed al-Scharaa wird zudem von einer Reihe an hochrangigen Treffen ausländischer diplomatischer und politischer Vertreter legitimiert. Am 30.12.2024 besuchte der ukrainische Außenminister Andri Sibiha seinen neuen syrischen Amtskollegen, Asaad Hassan al-Shaibani, in Damaskus und sicherte Syrien Unterstützung zu. Gefolgt vom EU Diplomat, Michael Ohnmacht, reisten zuletzt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock sowie ihr Amtskollege Jean-Noël Barrot in enger Absprache mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas im Auftrag der EU nach Damaskus, wodurch sich bereits ein politischer Neuanfang zwischen Syrien und Europa abzeichnete.

1.2.8. Auch Nachbarstaaten nahmen die Beziehungen zu Syrien wieder auf. Auf Einladung reiste Najib Mikati am 11.01.2025 als erster libanesische Premierminister seit 2010 nach Syrien, um sich mit Ahmed al-Sharaa in Damaskus zu treffen. Am 15.01.2025 besuchte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Shaybani gemeinsam mit dem syrischen Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra und Geheimdienstchef Anas Chattab erstmals die Türkei. Dabei fand ein Treffen mit dem türkischen Außenminister sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt.

1.2.9. Der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus wurde am 07.01.2025 wieder aufgenommen.

1.2.10. Seit dem Machtwechsel am 08.12.2024 kehrten zuletzt – schätzungsweise 115.000 – insbesondere in benachbarte Staaten geflüchtete Syrer in ihre Heimat zurück.

1.2.11. Die Vereinigten Staaten von Amerika lockerten die Sanktionsbedingungen zur Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien für eine Dauer von sechs Monaten. Hilfsorganisationen und Firmen, die lebenswichtige Güter liefern, wird eine Ausnahmegenehmigung erteilt.

1.2.12. Kurz nach dem Machtwechsel versammelten sich hunderte Männer und Frauen friedlich miteinander auf den Straßen Damaskus um ihre Meinung für ein vereintes Syrien, Demokratie, Frauenrechte, einer freien, pluralistischen Gesellschaft und einen säkularen Staat kundzutun. Diese Demonstrationen fanden insbesondere unter Anwesenheit patrouillierender HTS-Kämpfer statt, welche keinerlei Repressionsmaßnahmen gegen Demonstrierende setzten, sondern vielmehr um Entspannung bemüht waren.

1.2.13. Den Vertretern der HTS-Übergangsregierung ist bisher ein sehr gemäßigtes Auftreten beizumessen, zumal sich diese ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat. Sie spricht sich etwa für Minderheitenschutz aus, bekennt sich zu einer „nationalistisch-religiösen Haltung“ und zum endgültigen Bruch mit Organisationen wie al-Quaida oder dem IS.“

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des BF beruhen zunächst auf den wiedergegebenen Auszügen aus dem LIB zu Syrien in der aktuellen Fassung. Da dieses wegen des Machtwechsels in Syrien im Dezember 2024 in vielen Punkten nicht mehr relevant ist, wurden für die Feststellungen zur Situation nach dem Sturz des Assad-Regimes die Kurzinformation der Staatendokumentation zum Machtwechsel in Syrien vom 10.12.2024 sowie die im Erkenntnis des BVwG vom 22.01.2025, Zl. W292 2297588-1/11E unter Punkt 1.2. (S. 6ff.) getroffenen Feststellungen sowie die dazugehörigen Quellen unter Punkt 2.2. dieses Erkenntnisses (S. 14ff.) herangezogen.

Für die Feststellungen zum BF und zu seiner (Verfolgungs-)Situation in Syrien waren folgende Erwägungen maßgeblich:

Die Feststellungen zur Person, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zum Geburtsort des BF sowie zu seinem Aufenthaltsort in Syrien ergeben sich ebenso wie die Feststellung, dass er nur Arabisch (und nicht auch Kurdisch spricht), aus seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben und den vorgelegten Dokumenten. Die Feststellung, dass der BF am XXXX 11.2021 Syrien verlassen hat und nicht – wie von ihm in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angegeben – 2020, stützt sich darauf, dass er sowohl vor der belangten Behörde als auch in seiner Beschwerde das Jahr seiner Ausreise mit 2021 angegeben hatte und vor der belangten Behörde sogar ein konkretes Datum, nämlich den XXXX 11.2021 genannt hatte. Es ist wohl davon auszugehen, dass er sich bei seiner Einvernahme vor dem BFA und bei Abfassung der Beschwerde noch besser an das genaue Datum seiner Ausreise erinnern konnte als bei seiner Befragung im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Der BF gab in Übereinstimmung mit der aktuellen Version der Syria-Live-Map (https://syria.liveuamap.com) an, dass sich Damaskus unter Kontrolle der neuen HTS-geführten Regierung befindet, weshalb die diesbezügliche Feststellung getroffen werden konnte.

Dass ein Onkel der Mutter des BF XXXX am XXXX in Afrin gestorben ist, ergibt sich aus der vom BF mit Schreiben vom 13.03.2025 vorgelegten diesbezüglichen Sterbeurkunde. Aus den insoweit glaubhaften Angaben des BF ergibt sich, dass dieser Onkel seiner Mutter bei einem Vorfall getötet und ein weiterer Onkel seiner Mutter XXXX bei demselben Vorfall angeschossen wurde. Der BF legte zwar eine Sterbeurkunde vor, aus der sich laut beglaubigter Übersetzung ergibt, dass XXXX ermordet worden sei, doch stammt diese Sterbeurkunde vom lokalen Rat der Stadt Afrin, der der Syrischen Interimsregierung und somit den damaligen Machthabern in der Gegend um Afrin zuzuordnen ist. Abu Amsha, der laut den Angaben des BF für den Tod seines Verwandten verantwortlich sein soll, gehört jedoch ebenfalls zu den die Syrische Interimsregierung unterstützenden Gruppen. Es erscheint dem erkennenden Gericht nicht als plausibel, dass die lokalen Behörden in Afrin auch nur die bloße Tatsache der Ermordung in einem offiziellen Dokument bestätigen würden, wenn der Täter zu ihren eigenen Leuten gehören würde. Zudem wird in der vorgelegten Sterbeurkunde ein Polizeiprotokoll vom XXXX 2024, also dem Tag der Ausstellung der Sterbeurkunde erwähnt. Laut den Angaben des BF sei sein Verwandte jedoch XXXX ermordet worden und geht auch die Sterbeurkunde selbst vom XXXX als Todestag aus. Vor diesem Hintergrund kommt auch der vom BF vorgelegten Foto, bei dem es sich seinem Erscheinungsbild nach um den Ausdruck eines Screenshots eines Tiktok-Beitrages handelt, auf dem XXXX als eine jener Personen dargestellt wird, die von den Machthabern in Afrin ermordet wurden, wenig Beweiswert zu.

Dass Abu Amsha über Verbindungen zum syrischen Übergangspräsidenten al-Shara’a verfügt, ergibt sich aus dem vom BF vorgelegten Lichtbild, das Abu Amsha gemeinsam mit al-Shara’a bei einem Treffen zeigt.

Da der BF erst in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht erwähnte, dass er kurz bevor er Damaskus verlassen habe, von der syrischen Polizei in XXXX verhaftet und für einige Tage festgehalten worden wäre, während er dergleichen weder in seiner Erstbefragung noch in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde noch in seiner Beschwerde vorgebracht hatte, erschien diese Behauptung dem erkennenden Gericht unglaubwürdig, zumal der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA ausdrücklich danach gefragt wurde, ob er schon einmal inhaftiert gewesen sei und er auf diese Anfrage antwortete, dass er nur in Bulgarien festgenommen worden sei.

Die Feststellung, dass der BF nach einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverletzungen durch HTS-Angehörige betroffen wäre, fußt auf folgenden Erwägungen:

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass es vor der zum Sturz des syrischen Regimes führenden Offensive in den HTS-beherrschten Gebieten im Nordwesten Syriens (in der Provinz Idlib und angrenzenden Provinzen) zu Menschenrechtsverletzung seitens der HTS-Machthaber kam. Die der HTS-Regierung in Idlib vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen betrafen vor allem Frauen, (vermeintliche) Oppositionelle und Angehörige von religiösen Minderheiten (z.B. Christen). Dass der männliche BF, der Sunnit ist und nicht durch oppositionelle Aktivitäten in Erscheinung getreten ist, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsort, der nunmehr unter HTS-Kontrolle steht, Opfer derartiger Menschenrechtsverletzungen werden könnte, ist nicht zu erwarten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten – mit Ausnahme der Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht – ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die belangte Behörde in dem Verwaltungsverfahren, das zur Erlassung des bekämpften Bescheides geführt hat, angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.

Sie ist in der Sache jedoch nicht berechtigt:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Die für die Asylgewährung erforderliche Verfolgungsgefahr ist daher in Bezug auf den Herkunftsstaat des Asylwerbers zu prüfen (VwGH 2.2.2023, Ra 2022/18/0266, m.w.N.). Auch Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK und die Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) stellen auf das Herkunftsland (vgl. etwa Art. 2 lit. n StatusRL) des Asylwerbers ab und prüfen die Asylberechtigung hinsichtlich dieses Landes.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge derselben Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die „begründete Furcht vor Verfolgung.“ Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn aus objektiver Sicht eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (vor Verfolgung aus Konventionsgründen) fürchten würde. Eine Verfolgungsgefahr i.S.d. GFK ist nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Von der maßgeblichen Gefahr einer Verfolgung ist nicht auszugehen, wenn der Verfolger keinen Zugriff auf die betroffene Person hat (VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass die schutzsuchende Person in der Vergangenheit bereits verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits geschehene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Entscheidend ist vielmehr, dass der schutzsuchenden Person im Zeitpunkt der Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz (hier: durch das Bundesverwaltungsgericht) im Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus einem der in der GFK bzw. in Art. 10 StatusRL genannten fünf Verfolgungsgründe drohen würde (VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212; VwGH 7.3.2023, Ra 2022/18/0284, m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Beurteilung, ob wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn der GFK vorliegt, die Gesamtsituation des Asylwerbers zu berücksichtigen und dürfen einzelne zusammenhängende Aspekte seiner Situation im Herkunftsstaat nicht aus dem (asylrechtlich relevanten) Zusammenhang gerissen werden (VwGH 22.01.2016, Ra 2015/20/0157 unter Hinweis auf VwGH 10.06.1998, 96/20/0287 und VwGH 23.07.1998, 96/20/0144; zum Erfordernis einer Gesamtbetrachtung VwGH 27.04.2006, 2003/20/0181).

Als Herkunftsort des BF ist Damaskus anzusehen, da er dort von seiner Geburt bis zu seiner Ausreise in die Türkei im Jahr 2021 gelebt hat.

Vorauszuschicken ist, dass der Herkunftsort des BF unter Kontrolle der HTS-geführten neuen syrischen Regierung steht.

Zunächst ist aufgrund der Herkunftsländerinformation festzuhalten, dass die Verfolgung durch das Assad-Regime, auf die der BF seinen Asylantrag mit dem Argument, ihm drohe die Einziehung zur syrischen Armee im Wesentlichen gestützt hat, weggefallen ist. So geht auch der UNHCR in seinem Positionspapier vom Dezember 2024, Position on Returns to the Syrian Arab Republic, davon aus, dass auf die Verfolgung durch die frühere Regierung bezogenen Risken zu bestehen aufgehört haben.

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, konnte der BF die Ermordung eines Onkels seiner Mutter durch den lokalen Milizenführer Abu Amsha nicht glaubhaft machen. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass dieser Milizenführer für den Tod des Verwandten des BF verantwortlich wäre, hätte dies nicht zur Folge, dass deswegen von einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung des BF in Syrien auszugehen wäre: Zum einen ist trotz des Umstands, dass Abu Amsha wie festgestellt Verbindungen zu al-Shara’a hat, keineswegs ersichtlich, dass er auch in Damaskus auf den BF zugreifen könnte. Zum anderen ist in einem seit über zehn Jahren von einem Bürgerkrieg erschütterten Land nicht anzunehmen, dass jedem Verwandten eines Mordopfers weitere Verfolgung seitens der mutmaßlichen Täter droht, zumal der BF nichts vorgebracht hat, was auf eine tiefergehende Fehde zwischen Abu Amsha und seinen Verwandten hindeuten würde.

Sofern der BF auf die Möglichkeit verweist, dass er Opfer von Übergriffen von HTS-Angehörigen werden könnte, ist ihm entgegen zu halten, dass ihm Derartiges – wie oben dargelegt – nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Selbst wenn man dies aber annähme, ist nach Art. 9 Abs. 1 StatusRL und der dazu ergangenen Rechtsprechung (EuGH 19.11.2020, C-238/19 (BAMF), Rn. 22) nicht jede Menschenrechtsverletzung als Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A GFK zu betrachten, sondern nur eine Handlung, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellt (Art. 9 Abs. 1 lit. a StatusRL) oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, besteht, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise wie der unter lit. a leg. cit. beschriebenen Weise betroffen ist (lit. b leg. cit.).

Die prekäre Sicherheitslage in Syrien erweist sich im Fall des BF als nicht asylrelevant. Der BF hat daher bloß die alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Unbilligkeiten aufgrund des Bürgerkrieges und der allgemein schlechten Lage in Syrien vorgebracht, aber keine substantiellen, stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer individuellen Gefahr der Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK dargetan. Im Fall des BF sind keine Umstände ersichtlich, die eine ihm konkret drohende individuelle Verfolgung aufgrund des Bürgerkrieges und der aktuellen Lage in Syrien untermauern würden. Einer bloß allgemeinen Bedrohung durch den Bürgerkrieg und die aktuelle Lage ist jedoch nicht mit der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten, sondern mit der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu begegnen; dieser Status wurde dem BF von der belangten Behörde bereits rechtskräftig zuerkannt.

Die im Entscheidungszeitpunkt zu erstellende Prognose über die Situation des BF im Herkunftsstaat ergibt, dass er gegenwärtig nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen von erheblicher Intensität rechnen muss. Die Furcht des BF vor einer Verfolgung im Herkunftsstaat kann daher nicht als „wohlbegründet“ im Sinn der GFK angesehen werden.

Zur Volatilität der Lage in Syrien:

Der BF verwies darauf, dass infolge des Sturzes des Assad-Regimes gegenwärtig nicht absehbar sei, wie sich die Lage in Syrien entwickeln werde, weshalb es an einer wesentlichen Grundlage für eine Entscheidung über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen fehle. Er berief sich dabei auf ein zur Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban ergangenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 19.09.2022, E 3015/2021), demzufolge das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet sei, laufende Entwicklungen zu prüfen, und das UNHCR-Positionspapier zur Rückkehr nach Syrien vom Dezember 2024, wonach UNHCR dazu aufrufe, bis auf weiteres keine negativen Asylentscheidungen zu treffen.

Zwar kommt den UNHCR-Richtlinien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung zu, doch ergibt sich daraus nicht, dass diese für das Bundesverwaltungsgericht bindend wären, sondern lediglich, dass es sich mit diesen auseinandersetzen muss und eine etwaige Abweichung von ihnen zu begründen hat (dazu beispielsweise VwGH 25.06.2024, Ra 2024/18/0151).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die Lage in Syrien in der ersten Dezemberhälfte des Jahres 2024 sehr rasch verändert hat, dass eine neuerliche Lageveränderung durchaus möglich ist und dass noch weitgehend unklar ist, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln wird. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das zitierte UNHCR-Positionspapier aus dem Dezember 2024 stammt und es seit dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024 – von den Kämpfen zwischen der SNA und den SDF im Norden abgesehen – keine größeren Kampfhandlungen mehr gegeben hat. Außerdem ist in einem seit Jahren von einem Bürgerkrieg zerrütteten Land wohl immer eine gewisse Volatilität der Sicherheitslage gegeben, sodass – auch aus Gründen der Verfahrensökonomie – nicht zugewartet werden kann, bis völlige Klarheit über die künftigen Verhältnisse herrscht, sofern dies überhaupt möglich wäre.

Das vom BF angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Lage nach der (letzten) Machtübernahme der Taliban in Afghanistan bezieht sich indes auf die Zurückweisung von Anträgen auf subsidiären Schutz und auf ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich nicht auf die aktuelle Version der relevanten Länderberichte gestützt hat. Im gegenständlichen Verfahren gibt es jedoch keine neueren oder umfassenderen Berichte als jene, die in den Feststellungen referiert werden, und ist dem Beschwerdeführer ohnehin subsidiärer Schutz gewährt worden. Der volatilen Sicherheitslage in Syrien wird durch die Gewährung subsidiären Schutzes – die im gegenständlichen Fall durch die belangte Behörde erfolgt ist – auch ausreichend Rechnung getragen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 erforderliche Glaubhaftmachung im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzustellenden Prognose genügt (VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, m.w.N.; VwGH 22.01.2021, Ra 2021/01/0003). Eine potentiell immer und zumal im generell volatilen Syrien mögliche Änderung der Lage zum Schlechteren für einen konkreten Beschwerdeführer kann daher nicht zu einer Asylgewährung führen. Sollte sich die Lage in Syrien dergestalt ändern, dass dem subsidiär schutzberechtigten Beschwerdeführer in Syrien (konkret absehbare) asylrelevante Verfolgung droht, steht ihm schließlich die Möglichkeit offen, einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden. Es ist daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

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