Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sowa-Janovsky, über die Revision der M GmbH, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2019, Zl. W134 2222370 2/40E, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungs- und Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Mag. S B in W, vertreten durch RIHS Rechtsanwalt GmbH, Kramergasse 9/3/13, 1010 Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1.1. Laut Akteninhalt liegen dem Revisionsfall folgende unstrittige Tatsachen zugrunde:
2 Die Revisionswerberin (im Folgenden: Auftraggeberin) schrieb mit Kundmachung vom 22. Juli 2019 die Tabaktrafik am Standort W, im Wege der öffentlichen Ausschreibung gemäß § 25 Tabakmonopolgesetz 1996 (TabMG 1996) als Tabakfachgeschäft mit einem geschätzten erzielbaren Tabakwarenjahresumsatz von € 966.000 aus. Den allgemeinen Ausschreibungsbedingungen war als Frist für die schriftliche Einreichung von Anträgen auf Verleihung dieser Tabaktrafik der 21. August 2019, die Erforderlichkeit der Erbringung eines näher aufgeschlüsselten Kapitalnachweises sowie ein Hinweis auf das Vorzugsrecht des § 29 TabMG 1996 zu entnehmen.
3 Mit Schriftsatz vom 2. August 2019 bewarb sich die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Antragsteller) um die ausgeschriebene Tabaktrafik.
4 Mit Schreiben an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 13. August 2019 begehrte der Antragsteller die Nichtigerklärung der am 22. Juli 2019 von der Auftraggeberin kundgemachten Ausschreibung sowie die Feststellungen, dass die Ausschreibung rechtswidrig sei und die Rechtswidrigkeiten für den Ausgang des Konzessionsvergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss seien.
5 Der Antragsteller machte geltend, das Bundesvergabegesetz Konzessionen (BVergGKonz 2018) sei auf das Verfahren der Ausschreibung von Tabaktrafiken nach dem TabMG 1996 anwendbar. Die Auftraggeberin habe in mehrfacher Weise gegen die Vorgaben des Vergaberechts verstoßen. Zur Begründung der Anwendbarkeit führte er aus, die Vergabe einer Tabaktrafik sei als Dienstleistungskonzession iSd § 6 BVergGKonz zu qualifizieren. Dienstleistungskonzessionen seien entgeltliche Verträge, mit denen ein Auftraggeber (hier: die Auftraggeberin) einen Unternehmer (hier: den bestellten Tabaktrafikanten) mit der Erbringung und der Durchführung von Dienstleistungen (Verkauf von Tabakwaren) betraue, wobei die Gegenleistung im Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen (hier: Handel mit Tabakwaren) bestehe. Das BVergGKonz sei seit 21. August 2018 in Kraft. Die Ausschreibung zum gegenständlichen Konzessionsvergabeverfahren sei mit Kundmachung vom 22. Juli 2019 erfolgt, sohin eindeutig nach Inkrafttreten. Insoweit das BVergGKonz Spezialbestimmungen zum TabMG 1996 enthalte und diesem gar derogiere, habe das BVergGKonz nach den allgemeinen Grundsätzen der Gesetzesauslegung Vorrang vor dem TabMG 1996.
6 In ihren Stellungnahmen vom 19. August 2019 und vom 23. September 2019 hielt die Auftraggeberin dem entgegen, bei der Bestellung zum Tabaktrafikanten nach dem TabMG 1996 handle es sich nicht um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession. Nach jüngsten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sei die durch Bestellungsvertrag eingeräumte Bewilligung zum Handel mit dem Tabakmonopol unterliegenden Tabakerzeugnissen ungeachtet der Rechtsform einer Ermächtigung gleichzuhalten, sodass schon rein begrifflich keine Dienstleistung vorliegen könne. Zudem gehe bereits aus den die Umformung des Tabakmonopols betreffenden Artikel der Beitrittsakte, wonach sich Österreich dazu verpflichtete, eine unabhängige Stelle zu errichten, deren Aufgabe es sei, im Einklang mit dem EG Vertrag die Genehmigungen für den Betrieb des Einzelhandels zu erteilen, hervor, dass es sich gegenständlich nicht um Aufträge oder Konzessionen im vergaberechtlichen Sinn handle, sondern um reine „Genehmigungen“.
7 Mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 teilte die Auftraggeberin dem Antragsteller den Widerruf der gegenständlichen Ausschreibung mit. Begründend wies sie darauf hin, dass für das zu besetzende Tabakfachgeschäft nach Ablauf der Angebotsfrist kein Angebot eines nach § 29 Abs. 3 TabMG 1996 vorzugsberechtigten Bewerbers vorgelegen habe.
8 Mit Eingabe vom 9. Oktober 2019 begehrte der Antragsteller die Fortführung des Nachprüfungsverfahrens als Feststellungsverfahren sowie die Feststellungen, dass die Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung und der Widerruf des Konzessionsvergabeverfahrens rechtswidrig gewesen seien.
9 In ihrer Stellungnahme vom 11. November 2019 ergänzte die Auftraggeberin ihr Vorbringen zur Nicht Anwendbarkeit des BVergGKonz 2018 dahingehend, es treffe Tabaktrafikanten keine für die Auftraggeberin durchsetzbare Leistungsverpflichtung, was vom EuGH jedoch als zwingendes Merkmal eines Auftrags und daher auch einer vergaberechtlichen Konzession gewertet werde, weshalb auch kein Beschaffungsakt als notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Vergaberechts gegeben sei.
10 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurück (Spruchpunkt A) I.), den Antrag, das Nachprüfungsverfahren als Feststellungsverfahren fortzuführen, und den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufs als unbegründet ab (Spruchpunkt A) II.). Die Revision erklärte es für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob der Abschluss eines Vertrages über den Betrieb einer Tabaktrafik in den Anwendungsbereich des BVergGKonz 2018 falle und insbesondere ob der Betrieb einer Tabaktrafik eine Dienstleistung sei, die in den Anwendungsbereich des Vergaberechts falle. Die Lösung dieser Frage ergebe sich auch nicht unmittelbar aus dem BVergGKonz 2018 oder der RL 2014/23/EU, sodass nicht von einer eindeutigen Rechtslage auszugehen sei, die keiner weiteren höchstgerichtlichen Klärung bedürfte.
11 2.2. Das Verwaltungsgericht gab zunächst die wesentlichsten Teile des Verfahrensgangs wieder und traf die folgenden Feststellungen: die Auftraggeberin habe mittels Kundmachung vom 22. Juli 2019 im Wege einer öffentlichen Ausschreibung das Verfahren der Besetzung einer Trafik/Bestellung zum Tabaktrafikanten für die besagte Trafik eingeleitet. Die Bekanntmachung sei in Österreich auf der Website www.bmvg.at der Auftraggeberin erfolgt. In den Ausschreibungsunterlagen sei ein Kapitalnachweis mit einer Gesamtsumme von € 200.160 gefordert worden. Insgesamt fünf Bewerber, darunter der Antragsteller, haben jeweils ein Angebot abgegeben. Mit Schreiben der Auftraggeberin an den Antragsteller vom 02. Oktober 2019 sei der Widerruf des Konzessionsvergabeverfahrens erklärt worden.
12 2.3. In rechtlicher Hinsicht erörterte das Verwaltungsgericht zunächst die Frage, ob das BVergGKonz 2018 auf die gegenständliche Ausschreibung anzuwenden und es für die Entscheidung über die verfahrensgegenständlichen Anträge zuständig sei. Es kam zum Schluss, dass es sich bei der gegenständlichen Ausschreibung des Konzessionsvergabeverfahrens Besetzung einer Tabaktrafik/Bestellung zum Tabaktrafikanten um die Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession im Sinne des § 6 BVergGKonz 2018 im Oberschwellenbereich handle und sich seine Zuständigkeit mithin aus § 76 BVergGKonz 2018 iVm. § 327 BVergG 2018 ergebe.
13 Der Nachprüfungsantrag gemäß Spruchpunkt A) I. sei gemäß § 78 Abs. 2 BVergGKonz 2018 zurückzuweisen gewesen, da das Vergabeverfahren widerrufen worden sei. Als Begründung für den Widerruf des Verfahrens habe die Auftraggeberin angegeben, dass nach erfolgter Angebotsprüfung kein Angebot eines nach § 29 Abs. 3 TabMG 1996 vorzugsberechtigten Bewerbers vorgelegen habe. Alle Bewerbungen bzw. Angebote bis auf jenes des Antragstellers seien auszuscheiden bzw. nicht länger zu berücksichtigen gewesen, da die vier vom Antragsteller verschiedenen Bewerber den geforderten Kapitalnachweis nicht erbracht und also die in der Ausschreibung geforderten Bedingungen nicht erfüllt haben würden. Da der Antragsteller, wie vom Antragstellervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2019 zugestanden, nicht vorzugsberechtigt im Sinne des § 29 TabMG 1996 sei, habe im gegenständlichen Fall der Widerrufsgrund des § 25 Abs. 9 TabMG 1996 und somit ein sachlicher Grund im Sinne des § 75 Abs. 1 BVergGKonz 2018 für den Widerruf vorgelegen. Der Widerruf sei somit rechtmäßig erfolgt.
14 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der Auftraggeberin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufzuheben.
15 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
16 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
19 4.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Revision nach § 34 Abs. 1 VwGG wegen fehlender Revisionsberechtigung immer dann zurückzuweisen, wenn der Verwaltungsgerichtshof zur Erkenntnis gelangt, dass der Revisionswerber durch die angefochtene Entscheidung unabhängig von der Frage ihrer Gesetzmäßigkeit in seinem Recht nicht verletzt sein kann. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht berufen (vgl. etwa VwGH 29.6.2017, Ro 2015/04/0021 mwN).
20 4.2. Ein solcher Fall liegt hier vor: Der Verwaltungsgerichtshof erkennt im Zusammenhang mit den angefochtenen Spruchpunkten A) I. und A) II. des angefochtenen Erkenntnisses, mit welchen die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausschreibung bzw. des Widerrufs der mitbeteiligten Partei zurück- bzw. abgewiesen wurden, schon deshalb kein Rechtsschutzinteresse der Auftraggeberin im oben dargestellten Sinn, weil diese in der vorliegenden Rechtssache durch die rechtskräftige Zurück- bzw. Abweisung der gegen sie gerichteten Anträge in keiner Weise belastet wird.
21 Das von der Revision vorgebrachte Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses wegen der aus der Abweisung ableitbaren Bejahung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach dem BVergGKonz 2018 ändert an dieser Beurteilung nichts: „Sache“ einer rechtskräftigen Entscheidung ist der im angefochtenen Erkenntnis enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch die Entscheidung ihre Erledigung gefunden hat. Dabei spielen die Beantwortung von Vorfragen sowie die Begründung lediglich insoweit eine Rolle, als sie zur Auslegung des Spruches heranzuziehen sind. Die getroffenen Tatsachenfeststellungen und deren rechtliche Zuordnung sind für sich allein ebenso wenig entscheidend, wie die in der Begründung beantworteten Vorfragen (vgl. wiederum VwGH Ro 2015/04/0021, mwN). Über die vorliegende Rechtssache hinaus entfaltet die vom Verwaltungsgericht in Anspruch genommene Zuständigkeit nach dem BVergGKonz 2018 keine Rechtswirkung, sodass die Revisionswerberin dadurch nicht belastet sein kann.
22 Die vorliegende Revision war daher mangels Vorliegens eines die Zulässigkeit begründenden Rechtsschutzinteresses gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Von der Durchführung der von der Revision beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 9. August 2021