Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kienesberger, über die Revision des A M, vertreten durch Dr. Ingo Riß, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2018, W209 2163324 1/11E, betreffend Verlust der Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Währinger Gürtel), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. Mai 2018 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde (im Folgenden: Behörde) vom 21. Juni 2017, mit der unter Bestätigung des Ausgangsbescheids vom 13. April 2017 ausgesprochen worden war, dass der Revisionswerber den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 16. März bis zum 26. April 2017 gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 iVm § 38 AlVG verloren habe.
Das Verwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe sich um die ihm beim Kontrollmeldetermin am 9. März 2017 zugewiesene zumutbare Beschäftigung als Schankgehilfe bei der Firma P nicht beworben. Sein Vorbringen, er hätte den Vermittlungsvorschlag bei dem Termin nicht erhalten, der Vorschlag wäre von der mit der Sache befassten Mitarbeiterin der Behörde nicht thematisiert und ihm auch nicht ausgehändigt worden, sei durch die gegenteilige glaubwürdige Darstellung jener Mitarbeiterin widerlegt. Der Revisionswerber habe sich daher um die zugewiesene zumutbare Beschäftigung pflichtwidrig nicht beworben und dabei zumindest (mit bedingtem Vorsatz) in Kauf genommen, die angebotene Stelle nicht zu erhalten. Folglich habe er den Anspruch auf Notstandshilfe für den genannten Zeitraum verloren, berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG lägen nicht vor.
2.2. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig sei.
3 3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in den nachstehend näher erörterten Punkten behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG wird jedoch nicht aufgezeigt.
4 4. Voranzustellen ist, dass die Beurteilung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe zu erfolgen hat (vgl. etwa VwGH 7.8.2017, Ra 2015/08/0134).
5 5.1. Der Revisionswerber führt in der Zulässigkeitsbegründung aus, das Verwaltungsgericht habe aktenwidrig festgestellt, dass im Zuge des Termins am 9. März 2017 ein Vermittlungsvorschlag ausgefolgt worden sei. Da der Termin für 9.15 Uhr angesetzt gewesen sei (wobei nach den durchgeführten Ermittlungen von einer ziemlich exakten Termintaktung auszugehen sei), das Stellenangebot der Firma P jedoch bereits um 9.03 Uhr ausgedruckt worden sei, sei der Ausdruck des Angebots nicht während des Gesprächs mit dem Revisionswerber, sondern allenfalls davor im Rahmen eines anderen Gesprächs (mit einem anderen Kunden) erfolgt.
5.2. Aktenwidrigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nur dann vor, wenn sich die Behörde (das Verwaltungsgericht) bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zum Inhalt der Akten hinsichtlich der darin festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht jedoch, wenn Feststellungen getroffen wurden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. etwa VwGH 27.1.2022, Ra 2022/20/0005). Aktenwidrigkeit ist somit nur dann gegeben, wenn die Entscheidung in ihrer Begründung von einem Sachverhalt ausgeht, der sich aus dem Akt überhaupt nicht oder nicht in der angenommenen Weise ergibt, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. VwGH 6.10.2021, Ra 2019/17/0121, mwN).
Dass vorliegend der Akteninhalt in diesem Sinn nicht richtig also in unvertretbarer Weise nicht mit den vorgelegten Akten übereinstimmend wiedergegeben worden wäre, wird im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht stützte die Feststellung, dass das Stellenangebot dem Revisionswerber im Zuge des Termins am 9. März 2017 ausgefolgt wurde, auf die als glaubwürdig erachteten Angaben der Mitarbeiterin der Behörde, die es durch das elektronische Druckprotokoll (dem zufolge der Ausdruck des Angebots um 9.03 Uhr erfolgte, was für einen etwas früheren Beginn des ursprünglich für 9.15 Uhr angesetzten Termins spricht) und durch die anschließende Dokumentation des Gesprächs im EDV System bestätigt sah. Die in Rede stehende Feststellung hat somit jedenfalls eine hinreichende Grundlage in den in den Akten dokumentierten Ergebnissen des Beweisverfahrens, sodass die behauptete Aktenwidrigkeit nicht zu sehen ist.
5.3. Der Revisionswerber wendet sich der Sache nach vielmehr gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, zielt er doch mit dem oben aufgezeigten Vorbringen im Ergebnis darauf ab, die Darstellung der Mitarbeiterin der Behörde, wonach im Zuge des Termins am 9. März 2017 das Stellenangebot mit ihm erörtert und ihm ausgefolgt worden sei, als unrichtig bzw. unglaubwürdig zu widerlegen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Beweiswürdigung einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nur insofern zugänglich, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die diesbezügliche Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 9.9.2019, Ro 2016/08/0009, mwN).
Vorliegend hält die Beweiswürdigung den aufgezeigten Kriterien einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Das Verwaltungsgericht ermittelte die Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren (unter anderem im Rahmen einer mündlichen Verhandlung). Es traf die Feststellungen auf Basis der abgelegten Beweisaussagen und der vorgelegten Urkunden bzw. sonstigen Unterlagen und nahm dabei eine schlüssige Beweiswürdigung vor. Es kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass diese Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt wäre.
6 6.1. Der Revisionswerber releviert in der Zulässigkeitsbegründung weiters, der Anspruchsverlust gemäß § 10 Abs. 1 AlVG setze ein vorsätzliches Verhalten voraus. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass er die Bewerbung unterlassen und zumindest im Sinn eines bedingten Vorsatzes in Kauf genommen habe, die angebotene Stelle nicht zu erhalten. Die Frage, ob ihm Vorsatz anzulasten sei, wäre jedoch eingehender zu behandeln gewesen, insbesondere fehlten Feststellungen, aus welchen Gründen er die Bewerbung unterlassen habe. Hätte er sich bloß deshalb nicht beworben, weil er das Stellenangebot etwa verloren, verlegt oder vergessen habe, so wäre nur von einem fahrlässigen Verhalten auszugehen.
6.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt es bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, neben der Kausalität des Verhaltens für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses insbesondere darauf an, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt; indessen reicht ein bloß fahrlässiges Handeln im Sinn einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt nicht hin (vgl. etwa VwGH 15.10.2014, Ro 2014/08/0042).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist im Unterlassen jeglicher Bewerbungsschritte durch einen Vermittelten in Bezug auf eine zugewiesene Beschäftigung jedenfalls eine Vereitelungshandlung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu erkennen (vgl. VwGH 22.2.2012, 2009/08/0112). Ein Vermittelter nimmt dabei - umso mehr, wenn er bereits seit längerer Zeit Leistungen der Arbeitslosenversicherung bezieht - offenkundig bewusst in Kauf, dass sein passives Verhalten nach allgemeiner Erfahrung zwangsläufig dazu führt, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht zustande kommt (vgl. in dem Sinn etwa VwGH 20.10.2010, 2008/08/0244; 15.10.2014, 2013/08/0248).
6.3. Vorliegend hat der Revisionswerber - nach dem vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt - keinerlei Bewerbungsschritte in Bezug auf die ihm festgestellter Maßen zugewiesene zumutbare Beschäftigung entfaltet, sodass von einer Vereitelungshandlung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG auszugehen ist. Das Verwaltungsgericht ist auch ohne aufzugreifenden Rechtsirrtum zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber durch sein Verhalten das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zumindest in Kauf genommen und daher mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat.
Eine weitergehende Auseinandersetzung war mangels eines Vorbringens zu den Gründen für das Unterlassen einer Bewerbung nicht geboten. Soweit der Revisionswerber erstmals in der Revision mögliche Gründe für das Unterbleiben einer Bewerbung - wie etwa Verlust, Verlegen oder Vergessen des Stellenangebots - in den Raum stellt, liegt eine Verletzung des Neuerungsverbots vor (§ 41 VwGG).
7 7. Insgesamt werden daher in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am 10. Mai 2022