JudikaturVwGH

Ra 2016/22/0013 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. März 2016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Landeshauptmannes von Niederösterreich in 3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 15. Dezember 2015, LVwG-AV-929/001-2015, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: H, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 32), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der mitbeteiligten Partei ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erteilt.

2 Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde. Den damit verbundenen Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, begründet die revisionswerbende Partei damit, dass sie - sollte keine aufschiebende Wirkung zuerkannt werden - den Aufenthaltstitel an die mitbeteiligte Partei auszufolgen hätte und der mitbeteiligten Partei somit ein Niederlassungsrecht zukäme. Sollte der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis (ex tunc) aufheben, dann wäre die Aufenthaltstitelkarte "einzuziehen", wobei das NAG keine Regelung enthalte, die das Rückfordern der Karte ermögliche. Ein allenfalls im Verlängerungsverfahren erteilter weiterer Aufenthaltstitel würde durch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof unberührt bleiben. Eine Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung wäre "mit erheblichen faktischen und rechtlichen Schwierigkeiten im Bereich der durchzuführenden Rückabwicklung" verbunden.

3 Die mitbeteiligte Partei bestreitet in ihrer Stellungnahme das Vorhandensein eines unverhältnismäßigen Nachteils für die revisionswerbende Partei und verweist ihrerseits auf die für sie mit der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels verbundenen eminenten Rechte (auf Zugang zum Arbeitsmarkt und auf Inanspruchnahme sozialer Leistungen).

4 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

5 In der hg. Rechtsprechung wurde die Zulässigkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Amtsrevision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde angenommen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 27. Oktober 2014, Ra 2014/22/0087, und vom 3. November 2014, Ra 2014/04/0035, jeweils mwN).

6 Als "unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber" ist eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Behörde zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit zu verstehen. Der Revisionswerber hat in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Konkretisierungspflicht des Antragstellers sind streng (vgl. den hg. Beschluss vom 10. Dezember 2013, AW 2013/07/0059, mwN).

7 Nach der ständigen hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beurteilen und haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben (siehe den zitierten Beschluss Ra 2014/04/0035).

8 Unter Berücksichtigung der von der mitbeteiligten Partei ins Treffen geführten, gegenteiligen Interessen vermag die revisionswerbende Partei mit ihrem Vorbringen keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen darzulegen. Soweit die revisionswerbende Partei darauf verweist, dass sie ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den Aufenthaltstitel auszufolgen hätte, ist anzumerken, dass die bloße Möglichkeit des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung für sich allein keinesfalls als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden kann (siehe bereits den hg. Beschluss vom 9. November 1976, 1966/76). Soweit sie faktische und rechtliche Schwierigkeiten für den Fall einer Rückabwicklung der Ausfolgung der Aufenthaltstitelkarte ins Treffen führt, wird - abgesehen davon, dass allfällige Schwierigkeiten bei der Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes für sich allein noch keinen unverhältnismäßigen Nachteil begründen - auf die Regelung betreffend die Einziehung ungültiger, gegenstandsloser oder erloschener Dokumente in § 10 Abs. 5 NAG verwiesen.

9 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 4. März 2016

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