Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der A GmbH in W, vertreten durch Mag. Ronald Kartnig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 5-7 (7. Stock), gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 11. Februar 2016, Zl. RV/7100344/2016, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde wegen Verspätung (§ 260 Abs. 1 lit. b BAO iVm § 278 Abs. 1 lit. a BAO), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Bei der Revisionswerberin wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Im Anschluss an die Außenprüfung erließ das Finanzamt Bescheide betreffend Körperschaft- und Kapitalertragsteuer für die Jahre 2012 und 2013 sowie einen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für November 2014.
2 Die Zustellung der angeführten Bescheide erfolgte laut Zustellnachweisen am 23. März 2015 und am 25. März 2015.
3 Mit Schreiben vom 18. Juni 2015 - eingelangt beim Finanzamt am 24. Juni 2015 - beantragte die Revisionswerberin die "Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO" hinsichtlich der mit diesen Bescheiden abgeschlossenen Verfahren, weil die gegen die Bescheide gerichtete Beschwerde offensichtlich auf dem Postweg verloren gegangen sei "und somit nach telefonischer Rücksprache nicht bei Ihnen angekommen ist". Dem Antrag legte sie - mit der Bitte um antragsgemäße Entscheidung - eine mit 3. April 2015 datierte Beschwerde bei.
4 Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 18. Juni 2015 mit Bescheid vom 9. Juli 2015 als unbegründet ab. Mit Datum 9. Juli 2015 erließ das Finanzamt weiters eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 18. Juni 2015 beigelegte Beschwerde als verspätet zurückgewiesen wurde.
5 Die Revisionswerberin stellte zur Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag und führte ergänzend aus, "dass der Brief durch meinen steuerlichen Vertreter leider nicht als Einschreiben versendet worden ist, sondern als normaler Brief". Als Nachweis legte die Revisionswerberin einen Auszug aus dem Postausgangsbuch der Buchhaltungskanzlei und eine eidesstattliche Erklärung eines Gesellschafters dieser Kanzlei vor, wonach die Beschwerde am 3. April 2015 zur Post gegeben worden sei.
6 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als nicht fristgerecht eingebracht zurück. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass die Beförderung eines Schriftstücks durch die Post auf Gefahr des Absenders erfolge und der Beweis der Postaufgabe als Beweis des Einlangens des Schriftstücks bei der Behörde nicht ausreiche. Die ordentliche Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, das Bundesfinanzgericht habe seinen Beschluss auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gestützt, das für den Revisionsfall nicht einschlägig sei. Weiters sei "die Frage, ob die postalische Beförderung einer Sendung auf die Gefahr des Absenders erfolgt", von erheblicher Bedeutung. "Eine nicht erfolgte Weiterleitung von Poststücken (vor allem von Rechtsmitteln) kann nicht im Verantwortungsbereich des Absenders liegen. Andernfalls wird für den Rechtsmittelwerber der Zugang zu dem vom B-VG eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert." Abgesehen davon hätte das Bundesfinanzgericht der Revisionswerberin insbesondere zur Frage, ob die Beschwerde vom 3. April 2015 rechtzeitig eingebracht worden sei, "volles rechtliches Gehör" gewähren müssen.
11 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
12 Da gemäß § 108 Abs. 4 BAO die Tage des Postenlaufes nicht in die Beschwerdefrist eingerechnet werden, genügt es zwar, dass der Beschwerdeschriftsatz innerhalb der Frist der Post zur Beförderung an die Einbringungsstelle übergeben wird. Die Nichteinrechnung setzt jedoch voraus, dass das Schriftstück bei der Abgabenbehörde tatsächlich einlangt (vgl. Ritz , BAO5, § 108 Tz 9, mit Judikaturnachweisen).
13 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Beförderung einer Sendung durch die Post auf Gefahr des Absenders erfolgt. Die Beweislast für das Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde trifft den Absender. Dafür reicht der Beweis der Postaufgabe nicht aus (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2011, 2008/13/0149, auf welches der angefochtene Beschluss ebenfalls verweist; nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus dem in der Zulässigkeitsbegründung der Revision angesprochenen Erkenntnis vom 15. Februar 2006, 2002/13/0165, VwSlg 8109/F, in dem die erwähnten Grundsätze nur auf die Übermittlung im Wege der elektronischen Datenverarbeitung übertragen wurden). Folglich wird mit der - unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgetragenen - Rüge, das Bundesfinanzgericht habe der Revisionswerberin hinsichtlich der Frage der erfolgten (rechtzeitigen) Postaufgabe nicht ausreichend Gehör gewährt, kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt.
14 Soweit sich die Revisionswerberin in den Revisionsgründen auf Stoll , BAO-Kommentar, 1184, beruft, ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass Stoll an der zitierten Stelle entgegen der Behauptung in der Revision nicht den Fall einer in Verlust geratenen Eingabe, sondern den davon zu unterscheidenden Fall behandelt, dass (nur) der "Briefumschlag einer Eingabe" nicht mehr vorhanden und das Datum des Poststempels daher nicht mehr feststellbar ist. Zum Nachweis des Einlangens der Eingabe verweist auch Stoll , a.a.O., 1185, auf die dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf die die Revision nicht eingeht.
15 Eine "unzumutbare Einschränkung des Rechtsschutzes" liegt in Hinblick auf den auch bei Verlust einer Sendung nach Übergabe an die Post in Betracht kommenden Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 14. Oktober 2015, 2013/17/0137, mwN).
16 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. Juli 2017