JudikaturVwGH

Ra 2016/11/0025 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
11. März 2016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. W T in W, vertreten durch die Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 18. Jänner 2016, Zl. VGW-131/012/14993/2015-1, betreffend Bestätigung gemäß § 57 Abs. 3 AVG über das Außerkrafttreten eines Mandatsbescheides (belangte Behörde: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 24. Juli 2015 wurde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers wegen Verweigerung des Atemalkoholtests für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab der am 19. Juli 2015 erfolgten vorläufigen Abnahme des Führerscheines, gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG entzogen, begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 FSG (Nachschulung, Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme und eines amtsärztlichen Gutachtens) angeordnet und Anträge auf Ausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 11. November 2015, ihm eine schriftliche Bestätigung gemäß § 57 Abs. 3 zweiter Satz AVG betreffend das Außerkrafttreten des genannten Mandatsbescheides auszustellen, abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

In der Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, am 19. Juli 2015 sei dem Revisionswerber der Führerschein wegen Verweigerung des Atemalkoholtests vorläufig abgenommen und ein diesbezügliches Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden, woraufhin der Revisionswerber zwei Anträge auf Ausfolgung des Führerscheines gestellt habe.

Am 28. Juli 2015 sei dem Revisionswerber der genannte Mandatsbescheid der belangten Behörde zugestellt und von diesem mit Vorstellung vom 11. August 2015, bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag, bekämpft worden. Daraufhin habe die belangte Behörde am 14. August 2015, dokumentiert durch einen Aktenvermerk, telefonisch bei der Verwaltungsstrafbehörde Erkundigungen über den Stand des Verwaltungsstrafverfahrens eingeholt, die ergeben hätten, dass das Verwaltungsstrafverfahren durch Zeugenvernehmungen fortgeführt werde.

Die belangte Behörde habe somit gemäß § 57 Abs. 3 erster Satz AVG binnen zwei Wochen ab Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren (betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und die daran anknüpfenden Maßnahmen) eingeleitet, sodass der Mandatsbescheid nicht außer Kraft getreten und die vom Revisionswerber diesbezüglich begehrte Bestätigung nicht auszustellen gewesen sei.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

In der vorliegenden Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei in "grober Verkennung der Rechtslage" und einer "auffallend gravierenden Fehlbeurteilung" davon ausgegangen, dass der (hier durch einen Aktenvermerk dokumentierte) bloße Anruf bei einer anderen Behörde, um sich über den Stand der im Verwaltungsstrafverfahren geplanten Beweisaufnahme zu erkundigen, nicht als Verfahrensschritt im Sinne der Rechtsprechung (eine solche wird im gegebenen Zusammenhang nicht zitiert) zu qualifizieren sei. Vielmehr hätte die belangte Behörde innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 57 Abs. 3 AVG "echte" Ermittlungshandlungen setzen müssen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zunächst schon deshalb nicht auf, weil sie nicht ausführt, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das angefochtene Erkenntnis (angeblich) abweicht (vgl. zu diesem Erfordernis etwa den hg. Beschluss vom 4. November 2015, Zl. Ra 2015/11/0078, mwN).

Vielmehr steht die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts im Einklang mit der hg. Rechtsprechung, nach der für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens iSd § 57 Abs. 3 AVG eine bestimmte Art von Ermittlungen oder eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG (2005), § 57 Rz 40, referierte hg. Judikatur). Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens kann demnach auch durch einen rein innerbehördlichen Vorgang, so auch durch eine Anfrage an eine andere Abteilung derselben Behörde, erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2004, Zl. 2004/11/0008, sowie das dort zitierte Vorerkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0276).

Die im Rahmen des Entziehungsverfahrens nach dem FSG gestellte Anfrage betreffend den Stand des Verwaltungsstrafverfahrens stellt auch, anders als die Revision in der Zulassungsbegründung meint, keineswegs einen "reinen Formalakt" bzw. eine "noch so unbedeutende Aktenbearbeitung zur Fristwahrung" dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass im Falle des Vorliegens eines rechtskräftigen Straferkenntnisses (hier: betreffend die Verweigerung des Atemalkoholtests) dieses - infolge seiner Bindungswirkung - für die Entziehung der Lenkberechtigung (und für die daran anknüpfenden Rechtsfolgen, wie sie im Spruch des Mandatsbescheides angeführt sind) von entscheidender Bedeutung ist (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 2005, Zl. 2003/11/0232, und vom 27. Jänner 2005, Zl. 2004/11/0118). Schon deshalb war im gegebenen Zusammenhang nicht weiter zu klären, ob und welchen "Ermittlungserfolg" die belangte Behörde mit dem genannten Ermittlungsschritt erwartete oder erzielte.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund wird auch mit dem Hinweis auf die gegenständlich trotz eines diesbezüglichen Antrages des Revisionswerbers unterbliebene Verhandlung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. In den Zulässigkeitsausführungen der Revision wird darauf hingewiesen, dass die Verhandlung zur Klärung des mit der Anfrage vom 14. August 2015 erwarteten "Ermittlungserfolges" notwendig gewesen wäre, auf den es jedoch, wie bereits ausgeführt wurde, nicht ankam.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war insbesondere nicht die Klärung der Tatfrage; vielmehr geht es nur um die Rechtsfrage, ob die Anfrage der belangten Behörde vom 14. August 2015 einen Ermittlungsschritt iSd § 57 Abs. 3 AVG darstellt (vgl. zum Entfall der Verhandlungspflicht, wenn Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage ist, etwa das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein).

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. März 2016

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