Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kupec, über die Revision der Mag. H Z in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft vom 13. Dezember 2013, Zl. BMWFJ-107.013/0009-Pers/2/2013, betreffend Entfall der Bezüge, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die Revisionswerberin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, ihre Dienststelle ist die belangte Behörde.
Im Jahr 2013 war sie u.a. in der Zeit zwischen 2. Mai und 2. Juli durchgehend krank gemeldet. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Dezember 2013 sprach die belangte Behörde nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (siehe dazu die tieferstehende Wiedergabe der Bescheidbegründung) Folgendes aus:
"Ihr Antrag vom 16. Juli 2013 auf Auszahlung Ihrer für den Zeitraum 2. Mai bis 12. Juni 2013 einbehaltenen Bezüge wird gemäß § 12c Abs 1 Z 2 Gehaltsgesetz 1956 (iwF. GehG) iVm § 51 Abs 2 letzter Satz Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (iwF. BDG) abgewiesen."
In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es:
"Lt. Zeitnachweis waren Sie von 2. Mai bis 2. Juli 2013 durchgehend im Krankenstand, die ärztlichen Bescheinigungen der Dienstverhinderung für diesen Zeitraum wurden von Ihnen jedoch erst am 13. Juni 2013, 45 Tage nach Erhalt der ersten Bescheinigung vom 29. April 2013, per Telefax an die Dienstbehörde übermittelt. Konkret wurden von Ihnen die am 29. April 2013 für den Zeitraum von 29. April bis 13. bzw. 16. Mai 2013 geltende ärztliche Bescheinigung der Dienstverhinderung des Arztes für Allgemeinmedizin, Dr. B., die Verlängerung derselben bis 1. Juni 2013, ein 'Transferierungsbericht' und ein 'Situationsbericht' betr. eine Spitalsbehandlung im Kaiser-Franz-Josef-Spital von 2. Juni bis 7. Juni 2013, sowie eine weitere am 10. Juni 2013 von Dr. B. ausgestellte ärztliche Bescheinigung der Dienstverhinderung für den Zeitraum 8. bis 17. Juni 2013 übermittelt.
Gem. § 12c Abs. 1 Z 2 GehG iVm. § 51 Abs. 2 BDG wurden Ihnen am 18. Juni 2013 folglich - aufgrund der Verletzung der Dienstpflicht zur zeitnahen Beibringung der ärztliche(n) Bestätigung(en) - die Bezüge für den Zeitraum von 2. Mai bis 12. Juni 2013 eingestellt.
Mit per Telefax am 24. Juni 2013 an die Dienstbehörde übermitteltem Schreiben ersuchten Sie um Aufhebung der Bezugskürzung für den Zeitraum 2. Mai bis 12. Juni 2013, übermittelten eine weitere ärztliche Bescheinigung für den Zeitraum 17. Juni bis 4. Juli 2013 (Dr. K.) und brachten vor, dass Sie nachweislich krank gewesen sowie ambulant bzw. im Krankenhaus behandelt und betreut worden wären. Sie hätten bereits am 29. April 2013 Ihre sehr schwere Erkrankung in der Abt. C2/3 gemeldet, die Krankenbestätigungen würden bei der Gesundmeldung gefordert.
Mit Schreiben der Dienstbehörde vom 3. Juli 2013, zugestellt durch Hinterlegung am 6. Juli 2013, wurden Sie über die gem. § 12c Abs. 1 Z 2 GehG iVm. § 51 Abs. 2 BDG erfolgte Einstellung Ihrer Bezüge im Zeitraum 2. Mai bis 12. Juni 2013 verständigt und auf die Pflicht zur zeitnahen Vorlage von ärztlichen Bescheinigungen bei drei Tage übersteigenden Krankenständen hingewiesen. Auch auf die dazu ergangenen Erlässe des BMWFJ, Rundschreiben 2005/025 und 2012/011 wurde verwiesen. Gleichzeitig wurden Sie aufgrund Ihrer langen Abwesenheit vom Dienst in Folge von Krankenständen - zur Feststellung der Dienstfähigkeit gem. § 51 Abs. 2 BDG - angewiesen, sich am 16. Juli 2013 von dem für das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend als Vertrauensarzt tätigen Univ.-Prof. Dr. S., FA für Innere Medizin, untersuchen zu lassen.
In dem folglich am 16. Juli 2013 erstellten Gutachten diagnostizierte Dr. S. Pneumonie (Krankenstand von 29. April bis 1. Juni 2013), Aszites und Herzinsuffizienz (Spitalsaufenthalt von
2. bis 7. Juni 2013; weiterer Krankenstand bis 2. Juli 2013), sowie Cardiomyopathie (Krankenstand ab 16. Juli 2013) und führte aus, dass Sie bei der Untersuchung am 16. Juli 2013 stabil und keineswegs kurzatmig gewesen und bei sitzender Tätigkeit nicht gefährdet gewesen seien, kardial zu dekompensieren. Auch hätten Sie in einigen Wochen die Arbeit wieder aufnehmen können. Das ggst. vertrauensärztliche Gutachten wurde Ihnen mit Schreiben vom 26. August 2013 - mit der Aufforderung zum sofortigen Dienstantritt - nachweislich zugestellt (Hinterlegung am 29. August 2013).
Mit Schreiben vom 16. Juli 2013 an die Dienstbehörde führten Sie aus, dass Ihr Krankheitsverlauf mit einer schweren Lungenentzündung begonnen und Sie innerhalb weniger Tage im Körper bis zu 231 Flüssigkeit gespeichert hätten. Sie seien dadurch bewegungsunfähig gewesen und hätten die Notaufnahme eines Wr. Spitals in Anspruch nehmen müssen und seien stationär aufgenommen worden, wobei festgestellt worden sei, dass Ihre Herzleistung auf 15% des Normalwertes abgesunken sei. Weiters gaben Sie an, dass Sie zu Beginn Ihrer schweren Erkrankung nicht daran gedacht hätten, sofort eine Telefaxmeldung vom Postamt abzusenden. Sie hätten dies nicht bewusst unterlassen, sondern darauf im Überlebenskampf vergessen. So hätten Sie auch erst am 10. Juni 2013 wieder mit Ihrer Vorgesetzten ein Telefongespräch geführt. Schlussendlich ersuchten Sie die erfolgte Gehaltseinstellung rückgängig zu machen. Unter Einem legten Sie einen Röntgen-/Ultraschallbefund des Univ.Prof. Dr. R. ... vom 21. Mai 2013, worin eine Pneumonie diagnostiziert wurde, sowie eine 'Zuweisung von der internistischen Aufnahmestation' des Kaiser Franz Josef-Spitals vom 2. Juni 2013 vor, worin als Verdachtsdiagnosen u.a. Aszites, periphere Ödeme und Dyspnoe mit den Auffälligkeiten einer Gewichtszunahme 10kg/Woche, angeführt wurden.
Der für das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend als Vertrauensarzt tätige Univ.-Prof. Dr. S., FA für Innere Medizin wurde nach Erstattung seines vertrauensärztlichen Gutachtens vom 16. Juli 2013 in der Folge nochmals befasst, und um die Beantwortung folgender Fragen gebeten:
1. War es der Revisionswerberin aufgrund Ihres Gesundheitszustandes zwischen dem 29. April 2013 und dem 2. Juni 2013 möglich, eine ärztlichen Bescheinigung - zB per Post, E-Mail, Fax oder Beibringung durch Dritte - zu übermitteln?
auch möglich gewesen.
§ 51. (1) Der Beamte, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, hat den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen.
(2) Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder Gebrechen an der Ausübung seines Dienstes verhindert, so hat er seinem Vorgesetzten eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Möglichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen, wenn er dem Dienst länger als drei Arbeitstage fernbleibt oder der Vorgesetzte oder der Leiter der Dienststelle es verlangt. Kommt der Beamte dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt."
Zur Auslegung des Regelungssystems gemäß § 12c Abs. 1 Z. 2 GehG und § 51 BDG 1979 wird insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2011, Zl. 2007/12/0011, verwiesen. Auch hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang korrekt wiedergegeben.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung war die Revisionswerberin gemäß § 51 Abs. 2 erster Satz BDG 1979 grundsätzlich verpflichtet, ihrem Vorgesetzten initiativ eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Möglichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen, wobei die Erfüllung dieser Verpflichtung zeitnah zum Beginn der Dienstverhinderung zu erfolgen gehabt hätte. Zutreffend ist auch, dass die hier erst am 13. Juni 2013 erfolgte Vorlage der ärztlichen Bestätigung nicht "zeitnah" im Verständnis der Rechtsprechung erfolgte. Die in § 51 Abs. 2 zweiter Satz BDG 1979 enthaltene unwiderlegliche Vermutung der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst mit der bezugsrechtlichen Konsequenz nach § 12c Abs. 1 Z. 2 GehG ist freilich dann ausgeschlossen, wenn dem Beamten ein tatbestandsmäßiges Verhalten weder möglich noch zumutbar war (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1996, Zl. 91/12/0135, und vom 15. Oktober 2009, Zl. 2007/09/0170).
Unterlässt es der Beamte, der in Rede stehenden Verpflichtung fristgerecht nachzukommen, wiewohl ihm dies möglich und zumutbar ist, hat dies zunächst zur Folge, dass der Zeitraum zwischen dem Beginn seiner Abwesenheit und dem Ablauf der Frist zur zeitnahen Vorlage der ärztlichen Bescheinigung unwiderleglich als solcher einer ungerechtfertigten Abwesenheit gilt, und zwar auch dann, wenn eine ärztliche Bestätigung nach dem zuletzt genannten Zeitpunkt (verspätet) nachgereicht wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht aber - jedenfalls bei aufrechtem Krankenstand - die Verpflichtung zur Vorlage der ärztlichen Bestätigung auch nach Verstreichen des zu ihrer zeitnahen Vorlage zur Verfügung stehenden Zeitraumes weiter. Unterbleibt somit die Vorlage der ärztlichen Bestätigung für Zeiträume nach Eintritt der Versäumnis, so kommt auch für diese Folgezeiträume der Eintritt der Vermutung des § 51 Abs. 2 zweiter Satz BDG 1979 in Betracht. Allerdings geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass - in Übertragung der Grundsätze der eingangs zitierten Erkenntnisse vom 30. September 1996 und vom 15. Oktober 2009 auf diese Zeiträume - der Eintritt dieser Vermutung auch voraussetzt, dass die Vorlage der ärztlichen Bestätigung dem Beamten auch während dieser Folgezeiträume möglich und zumutbar bleibt.
Vor diesem Hintergrund erweist sich aber die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung, wonach die Frage der Zumutbarkeit der Vorlage der ärztlichen Bestätigung während des Spitalsaufenthaltes der Revisionswerberin nicht zu prüfen gewesen sei, weil letztere in diesem Zeitraum nach Auffassung der belangten Behörde mit der möglichen und zumutbaren Vorlage der ärztlichen Bestätigung bereits säumig war, als rechtsirrtümlich (vgl. in diesem Zusammenhang auch die hg. Erkenntnisse vom 21. April 2004, Zl. 2003/12/0144, vom 17. Februar 1993, Zl. 91/12/0165, und vom 20. Mai 1992, Zl. 90/12/0313). Indem sie dies verkannte, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Darüber hinaus rügt die Revisionswerberin vor dem Verwaltungsgerichtshof, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, von Amts wegen ein Gutachten zur Abklärung der Möglichkeit und der Zumutbarkeit der Übermittlung der ärztlichen Bestätigung aus psychischer Sicht einzuholen. Hätte die belangte Behörde dies getan, so hätte sich ergeben, dass das Unterbleiben der Vorlage dieser Bestätigung für den gesamten strittigen Zeitraum auf Grund der psychischen Ausnahmesituation der Revisionswerberin mangels Möglichkeit bzw. Zumutbarkeit entschuldigt wäre.
Dem entgegnet die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift, dass die Verfahrensrüge der Revisionswerberin das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verkenne. Die Revisionswerberin habe ausschließlich Vorbringen dahingehend erstattet, dass sie auf Grund ihres physischen Leidenszustandes an der Vorlage der ärztlichen Bestätigung gehindert gewesen sei. Auch die von ihr vorgelegten Befunde hätten sich ausschließlich auf physische Beeinträchtigungen bezogen. Ein Antrag auf Einholung eines Gutachtens betreffend den psychischen Zustand der Revisionswerberin sei nicht gestellt worden.
Hierauf antwortete die Revisionswerberin in ihrer Replik freilich zutreffend, dass sie schon in ihrem im angefochtenen Bescheid zitierten E-Mail vom 15. Oktober 2013 vorgebracht habe, es sei zu Schockzuständen gekommen, wobei ihr "weder Denken, noch Gehen, noch Pflege, noch Essen" möglich gewesen seien.
Weiters verweist die Revisionswerberin darauf, dass in einer Stellungnahme ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 11. November 2013 Folgendes ausgeführt wurde:
"Meines Wissens hat unser Mitglied Ihnen die Schwere der Erkrankung sowie die damit verbundenen Existenzängste und Paniksituationen bereits ausführlich geschildert."
Schließlich hat die Revisionswerberin in ihrer Stellungnahme vom 3. Dezember 2013 hervorgehoben, dass sie in ihrem kritischen Zustand nur ans Gesundwerden und nicht an die Versendung der Krankenbestätigung gedacht habe.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Revisionswerberin, dass - auch vor dem Hintergrund der von ihr dargelegten physischen Beeinträchtigungen und der davon ausgehenden lebensbedrohlichen Situation - das eben wiedergegebene Vorbringen im Verwaltungsverfahren (gerade noch) ausreichend war, um gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm § 1 Abs. 1 DVG die Pflicht der belangten Behörde zur amtswegigen Einholung eines psychiatrischen Gutachtens (zur Frage der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Übermittlung einer ärztlichen Bestätigung vor dem Hintergrund der psychischen Ausnahmesituation der Revisionswerberin) auszulösen.
Der von der belangten Behörde dagegen in der Gegenschrift ins Treffen geführte Umstand, wonach die Revisionswerberin zugestanden hätte, die Übermittlung der ärztlichen Bestätigung "vergessen" zu haben, steht dem nicht entgegen, berief sich diese doch schon in ihrem Schreiben vom 16. Juli 2013 darauf, dass dieses Vergessen die Folge ihres "Überlebenskampfes" gewesen sei.
Darüber hinaus folgt aus den eingangs erstatteten Ausführungen zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch, dass sich das Erfordernis der Abklärung des psychischen Zustandes der Revisionswerberin auf den gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum zu beziehen gehabt hätte und auch eine allfällige Verschlechterung des psychischen Zustandes der Revisionswerberin nach Ablauf der Frist zur zeitnahen Vorlage der ärztlichen Bestätigung für die Frage der Rechtfertigung ihrer Abwesenheit in diesen Folgezeiträumen nicht bedeutungslos gewesen wäre.
Aus diesen Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid sowohl mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit als auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Da sich der Verwaltungsgerichtshof zu einer Entscheidung in der Sache nicht veranlasst sieht, war der angefochtene Bescheid (infolge Prävalierens der inhaltlichen Rechtswidrigkeit) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 20. Oktober 2014