Leitsatz
Auswertung in Arbeit
Spruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Landeshauptmann von Wien erteilte der beschwerdeführenden Partei, welche das städtische Verkehrsunternehmen in Wien betreibt, mit Bescheid vom 23. Juli 2001 die eisenbahnrechtliche Bewilligung für die Verlängerung der U Bahn-Linie U1 (U1-Nord Bauabschnitt U/1 "Kagraner Platz"). Der Landeshauptmann von Wien änderte diesen eisenbahnrechtlichen Bewilligungsbescheid mit Bescheid vom 14. Februar 2005.
Mit Bescheid vom 11. August 2006 erteilte der Landeshauptmann von Wien die Betriebsbewilligung für den Bauabschnitt U1/1.
2. Auf Grund der Verlängerung der U-Bahn-Linie U1 grub die beschwerdeführende Partei mehrere unterirdische Tunnelröhren, die unter zahlreichen im Privateigentum stehenden Liegenschaften, unter anderem unter der Liegenschaft EZ***, KG Kagran, verlaufen. Aus diesem Grund schloss die beschwerdeführende Partei mit den (seinerzeitigen) Eigentümern dieser Liegenschaften, darunter auch die Liegenschaft EZ***, KG Kagran, Verträge, mit denen Servitute begründet wurden, und leistete die in diesen Verträgen vereinbarten Entschädigungszahlungen. Die auf der Liegenschaft EZ***, KG Kagran, lastenden Servitute wurden in der Folge (mangels grundbuchsfähiger Urkunde) nicht verbüchert.
3. Die beschwerdeführende Partei beantragte im Jänner 2025 – rund zwanzig Jahre nach Inbetriebnahme der verlängerten U-Bahn-Linie U1 – die behördliche Einräumung der Servitute "der Duldung, der Errichtung, des Bestandes, der Erhaltung, und des Betriebes einer Verkehrs(tunnel)anlage samt aller damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen und Maßnahmen im flächenmäßigen Gesamtausmaß von ca 252 m 2" gemäß §2 Abs2 Z3 Eisenbahn-Enteignungsent-schädigungsgesetz – EisbEG hinsichtlich der Liegenschaft EZ***, KG Kagran. Die beschwerdeführende Partei begründete ihren Antrag damit, dass die Kontaktaufnahme zu acht (von insgesamt 37) Wohnungseigentümern betreffend die genannte Liegenschaft zum rechtsgeschäftlichen Erwerb der notwendigen Servitute seit März 2024 erfolglos geblieben sei. Die anderen Wohnungseigentümer hätten die Verträge zur Begründung der Servitute unterfertigt.
4. Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Enteignung gemäß §2 Abs2 Z3 EisbEG durch Einräumung der Servitute "der Duldung, der Errichtung, des Bestandes, der Erhaltung, und des Betriebes einer Verkehrs(tunnel)anlage samt aller damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen und Maßnahmen im flächenmäßigen Gesamtausmaß von ca 252 m 2 " mit Bescheid vom 10. März 2025 als unzulässig zurück. Der Landeshauptmann von Wien begründete dies damit, das Enteignungsverfahren setze als ultima ratio zur Durchsetzung der Einräumung der angestrebten Dienstbarkeiten zwingend voraus, dass die beschwerdeführende Partei den beteiligten Parteien eine der Höhe nach angemessene und auf Basis eines Sachverständigengutachtens ermittelte Entschädigung angeboten habe und dies von den beteiligten Parteien nicht angenommen worden sei. Es sei nicht auszuschließen, dass die Einverleibung der Dienstbarkeiten sich im Fall einer Veräußerung der Wohnungseigentumsobjekte wertmindernd auswirke. Es könne dahingestellt bleiben, inwiefern die an die Rechtsvorgänger der beteiligten Parteien geleisteten Entschädigungszahlungen angemessen seien, weil eine Anrechnung auf den Entgeltanspruch der beteiligten Parteien unzulässig sei.
5. Das Verwaltungsgericht Wien wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis ab. Das Verwaltungsgericht Wien begründet seine Entscheidung damit, dass die Dienstbarkeit für Personen, die keine Kenntnis vom vorgelegten Dienstbarkeitsbestellungsplan hätten, nicht offenkundig sei; ansonsten könne nicht festgestellt werden, ob die Liegenschaft tatsächlich oberhalb der Eisenbahnanlage liege. Auch aus dem Grundbuch ergebe sich kein Indiz für einen grundbücherlichen Vorrang der beschwerdeführenden Partei. Die beteiligten Parteien hätten die jeweiligen Liegenschaftsanteile in Folge gutgläubig lastenfrei erworben. Ein mit dem jeweiligen Voreigentümer geschlossener Servitutsvertrag könne den beteiligten Parteien nicht entgegengehalten werden. Dem Enteignungsverfahren liege der Grundsatz der ultima ratio zugrunde, wonach ein Enteignungsantrag unzulässig sei, wenn das jeweilige Recht auch im Zivilrechtsweg durchsetzbar oder den Enteignungsgegnern keine Entschädigung angeboten worden sei. Das Enteignungsrecht habe nicht den Sinn, einem Projektwerber auf einfachem und billigem bzw mit geringem Prozesskostenrisiko behaftetem Weg bestimmte Rechte einzuräumen. Die Rechtsansicht der beschwerdeführenden Partei widerstreite den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Für den – nicht vorliegenden – Fall, dass sich eine der beteiligten Parteien den mit ihrem Rechtsvorgänger abgeschlossenen Servitutsvertrag vorhalten lassen müsse, sei ein solcher Anspruch im Zivilrechtsweg durchzusetzen und eine Enteignung nicht notwendig.
Mit Beschluss vom 12. Juni 2025 berichtigte das Verwaltungsgericht Wien die im Erkenntnis genannten Geschäftszahlen.
6. Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien richtet sich die vorliegende, auf Art144 BVG gestützte Beschwerde, in der die beschwerdeführende Partei die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf ein faires Verfahrens (Art6 EMRK), im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 BVG, Art2 StGG) und im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B VG), behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt.
6.1. Die beschwerdeführende Partei werde durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art6 EMRK verletzt, weil weder die belangte Behörde noch das Verwaltungsgericht Wien eine mündliche Verhandlung mit ausreichender Vorbereitungszeit für die beschwerdeführende Partei durchgeführt hätten. Gemäß §11 Abs1 EisbEG seien Gegenstand und Umfang der Enteignung sowie Höhe der Entschädigung auf Grund der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer mündlichen Verhandlung festzusetzen. Die belangte Behörde habe weder eine mündliche Verhandlung anberaumt noch einen Sachverständigen zum Enteignungsentschädigungsverfahren beigezogen. Das Verwaltungsgericht Wien habe diese Rechtswidrigkeit nicht aufgegriffen. Dass die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei zurückgewiesen (und nicht abgewiesen) habe, ändere nichts daran, weil die Zurückweisung aus meritorischen Erwägungen – nämlich der Annahme, die beschwerdeführende Partei habe keine angemessene Entschädigung angeboten – erfolgt sei. Ob die beschwerdeführende Partei tatsächlich keine angemessene Entschädigung angeboten habe, müsse in einem Ermittlungsverfahren und einer mündlichen Verhandlung geklärt werden. Das Verwaltungsgericht Wien habe zwar eine mündliche Verhandlung durchgeführt, diese jedoch unter Missachtung der gesetzlich vorgesehenen zweiwöchigen Frist gemäß §44 Abs6 VwGVG anberaumt. Die beschwerdeführende Partei habe nur vier Werktage zur Vorbereitung der Verhandlung gehabt, obwohl sie auf die Frist hingewiesen und die Vertagung beantragt habe. Dadurch habe die beschwerdeführende Partei nicht genügend Zeit gehabt, die Eigentumsverhältnisse samt Rechtserwerbshistorie sowie Aspekte der Offenkundigkeit der Servitute aufzubereiten.
6.2. Das Verwaltungsgericht Wien habe nicht ausreichend ermittelt und willkürliche Sachverhaltsfeststellung getroffen. Es habe willkürlich das Vorliegen offenkundiger Dienstbarkeiten verneint und sei vom lastenfreien Erwerb aller beteiligten Parteien ausgegangen, obwohl die beteiligten Parteien auf Grund der unmittelbaren Nähe der Liegenschaft zu einer U Bahn-Station und der konkreten Lage – auch ohne Kenntnis des Dienstbarkeitsbestellungsplanes – mit dem Verlauf eines U Bahn-Tunnels unter ihrer Liegenschaft hätten rechnen müssen. Es habe zumindest ein indizierter Verdacht auf das Vorliegen von Servituten bestanden, sodass die beteiligten Parteien zu Nachforschungen verpflichtet gewesen wären und ihr Glaube an die Richtigkeit des Grundbuches nicht geschützt gewesen sei. Das Verwaltungsgericht Wien habe nicht ermittelt, ob die einzelnen beteiligten Parteien ihre Liegenschaftsanteile tatsächlich lastenfrei erworben hätten.
6.3. Das Verwaltungsgericht Wien habe sich nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die beteiligten Parteien die Schreiben der beschwerdeführenden Partei teilweise gar nicht behoben hätten und die Gründe für die Verweigerung teilweise nicht finanzieller Natur seien. Nehme ein Betroffener die ihm eingeräumte Möglichkeit, eine Entschädigung zu verlangen, nicht wahr, liege keine Verletzung von Art1 1. ZPEMRK vor. Das Verwaltungsgericht Wien habe keine – auf einem Sachverständigengutachten basierenden – Feststellungen zur Frage getroffen, ob im Falle der Veräußerung der Liegenschaftsanteile überhaupt eine Wertminderung vorliege.
6.4. Das angefochtene Erkenntnis verletze den Gleichheitsgrundsatz, weil das Verwaltungsgericht Wien den relevanten Sachverhalt nicht vollständig festgestellt habe. Es habe die die jeweiligen beteiligten Parteien betreffenden, zu trennenden Sachverhalte nicht unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten festgestellt und beurteilt. Die Feststellung des Verwaltungsgerichtes Wien, die beteiligten Parteien hätten die jeweiligen Liegenschaftsanteile lastenfrei erworben, widerspreche dem festgestellten Sachverhalt. Das Verwaltungsgericht Wien habe keine Feststellungen zu den ernsthaften Bemühungen der beschwerdeführenden Partei getroffen, eine Einigung zu erzielen, und die verfassungswidrige Interpretation der belangten Behörde, dass die beschwerdeführende Partei zwingend ein Entschädigungsangebot auf Basis eines Sachverständigengutachtens unterbreiten müsse, nicht aufgegriffen. Das Verwaltungsgericht Wien habe sich nicht mit §16 EisbEG auseinandergesetzt und sei nicht auf das Beschwerdevorbringen eingegangen, dass den beteiligten Parteien durch die Dienstbarkeiten gegebenenfalls gar kein wirtschaftlicher Nachteil entstehe. Diesbezüglich hätte das Verwaltungsgericht Wien einen Sachverständigen beiziehen müssen. Das Verwaltungsgericht Wien habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich die beteiligten Parteien Entschädigungen, die an die Rechtsvorgänger gezahlt worden seien, anrechnen lassen müssten.
6.5. Das angefochtene Erkenntnis verletze die beschwerdeführende Partei auch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B VG, weil die Zurückweisung wegen der (meritorischen) Erwägung erfolgt sei, die beschwerdeführende Partei habe keine angemessene Entschädigung angeboten. Die Frage, ob eine angemessene Entschädigung vorliege, sei im Ermittlungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung zu ermitteln und meritorisch zu erledigen. Das Verwaltungsgericht Wien habe somit zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.
7. Der Landeshauptmann von Wien legte als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der den Beschwerdebehauptungen mit näherer Begründung entgegengetreten wird.
8. Das Verwaltungsgericht Wien legte die Gerichtsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der das Beschwerdevorbringen mit näherer Begründung als verfehlt erachtet wird.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes – EisbEG, BGBl 71/1954, idF BGBl I 111/2010 lauten:
"§1. Die Ausübung des Enteignungsrechtes steht in dem vollen durch §365 ABGB. zugelassenen Umfange jedem Eisenbahnunternehmen insoweit zu, als die Gemeinnützigkeit des Unternehmens von der hiezu berufenen staatlichen Verwaltungsbehörde anerkannt ist.
I. Gegenstand und Umfang der Enteignung.
§2. (1) Das Enteignungsrecht kann zu einer dauernden oder vorübergehenden Enteignung nur insoweit ausgeübt werden, als es die Herstellung und der Betrieb der Eisenbahn notwendig machen.
(2) Es umfaßt insbesondere das Recht:
[…]
3. auf Einräumung von Servituten und anderen dinglichen Rechten an unbeweglichen Sachen, sowie auf Abtretung, Einschränkung oder Aufhebung derartiger und solcher Rechte, deren Ausübung an einen bestimmten Ort gebunden ist;
[…]
(3) Das Enteignungsrecht kann auch in Beziehung auf das Zugehör eines Gegenstandes der Enteignung ausgeübt werden.
§3. (1) Unter der im §2 bezeichneten Voraussetzung kann die dauernde oder vorübergehende Abtretung von Grundstücken insoweit begehrt werden, als es zur Herstellung der Bahn, der Bahnhöfe, der an der Bahn und an den Bahnhöfen für Zwecke des Eisenbahnbetriebes zu errichtenden Gebäude oder zu sonstigen Anlagen, deren Herstellung dem Eisenbahnunternehmen obliegt, dann zur Unterbringung des beim Bau zu entfernenden Erdmateriales und Schuttes, endlich zur Gewinnung des notwendigen Schüttungs-, Rohstein- und Schottermateriales erforderlich ist.
(2) Das Recht, die Abtretung eines Grundstückes zu einer vorübergehenden Benützung zu begehren, erstreckt sich nicht auf Gebäude und Wohnräume, noch auf solche Grundstücke, deren Substanz durch die beabsichtigte Benützung voraussichtlich wesentlich und dauernd verändert würde.
(3) Der Eigentümer eines zur vorübergehenden Benützung überlassenen Grundstückes ist berechtigt zu begehren, daß das Eisenbahnunternehmen das Grundstück an sich löse, wenn die Benützung länger als sechs Monate nach der Betriebseröffnung oder, falls die Abtretung zur Benützung erst nach der Betriebseröffnung stattfand, länger als zwei Jahre dauert.
II. Gegenstand und Umfang der Entschädigung.
§4. (1) Das Eisenbahnunternehmen ist verpflichtet, den Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile gemäß §365 ABGB. schadlos zu halten.
(2) Als Enteigneter ist jeder anzusehen, dem der Gegenstand der Enteignung gehört, oder dem an einem Gegenstande der Enteignung ein mit dem Eigentume eines anderen Gegenstandes verbundenes dingliches Recht zusteht.
§5. Bei der Ermittlung der Entschädigung ist auch auf die Nachteile Rücksicht zu nehmen, die Nutzungsberechtigte, Gebrauchsberechtigte oder Bestandnehmer durch die Enteignung erleiden, und deren Vergütung dem Enteigneten obliegt, sofern der als Ersatz für den Gegenstand der Enteignung zu leistende Betrag nicht zur Befriedigung der gegen den Enteigneten zustehenden Entschädigungsansprüche zu dienen hat.
§6. Wird nur ein Teil eines Grundbesitzes enteignet, so ist bei der Ermittlung der Entschädigung nicht nur auf den Wert des abzutretenden Grundstückes, sondern auch auf die Verminderung des Wertes, die der zurückbleibende Teil des Grundbesitzes erleidet, Rücksicht zu nehmen.
§7. (1) Bei der Ermittlung der Entschädigung ist auf Verhältnisse keine Rücksicht zu nehmen, die ersichtlich in der Absicht hervorgerufen worden sind, sie als Grundlage für die Erhöhung der Ansprüche auf Entschädigung zu benützen.
(2) Der Wert der besonderen Vorliebe, dann eine Werterhöhung, die der Gegenstand der Enteignung infolge der Anlage der Eisenbahn erfährt, bleiben bei der Berechnung der Entschädigung außer Betracht.
(3) Im Enteignungsverfahren hat der Enteignungsgegner Anspruch auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung und sachverständigen Beratung. Dem Enteignungsgegner gebührt voller Kostenersatz, soweit der Enteignungsantrag ab- oder zurückgewiesen oder in einem nicht nur geringfügigen Umfang zurückgezogen wird. In allen anderen Fällen gebührt dem Enteignungsgegner eine Pauschalvergütung in Höhe von 1,5 vH der festgesetzten Enteignungsentschädigung, mindestens aber 500 Euro und höchstens 7 500 Euro.
§8. (1) Die Entschädigung ist in barem Gelde zu leisten. Sie geschieht bei dauernder Enteignung durch Zahlung eines Kapitalsbetrages, bei vorübergehender Enteignung durch Zahlung einer Rente.
(2) Wenn jedoch infolge einer vorübergehenden Enteignung eine bei der Bestimmung der Rente nicht berücksichtigte Wertverminderung eintritt, ist dafür nach dem Aufhören der vorübergehenden Enteignung durch Zahlung eines Kapitalsbetrages Ersatz zu leisten.
§9. (1) Insoweit ein zu leistender Kapitalsbetrag nicht vollständig ermittelt werden kann, weil der abzuschätzende Nachteil sich nicht von vornherein bestimmen läßt, ist jede Partei berechtigt, in angemessenen Zeitabschnitten von mindestens einem Jahre die Festsetzung der für die in der Zwischenzeit erkennbar gewordenen Nachteile gebührenden Entschädigung zu begehren.
(2) Nach Ablauf eines Zeitraums von drei Jahren ab der Aufnahme des Betriebs der Eisenbahn oder nach dem Aufhören einer vorübergehenden Enteignung kann die endgültige Festsetzung des zu leistenden Kapitalsbetrags begehrt werden.
§10. (1) Das Eisenbahnunternehmen hat für alle Entschädigungen, die es nach dem Vollzug einer Enteignung zu leisten hat (§§8 und 9), auf Verlangen des zu Enteignenden Sicherheit zu leisten.
(2) Der Bund, die Länder und Unternehmen, für die diese Körperschaften unmittelbar haften oder für die sie die Kosten der Herstellung der Eisenbahn auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen zu tragen haben, sind von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung befreit.
(3) Der Antrag auf Leistung einer Sicherheit kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über die Enteignung gestellt werden.
(4) Die Art und die Höhe der Sicherheit hat die Behörde (§11 Abs2) im Enteignungsbescheid festzusetzen.
(5) Gegen die Entscheidung der Behörde über die Sicherheit ist eine Berufung unzulässig. Es steht beiden Streitteilen frei, binnen drei Monaten nach der Zustellung des Enteignungsbescheides eine Entscheidung des Landesgerichts (§18 Abs2) über die Sicherheit zu beantragen. Mit der Anrufung des Gerichtes tritt der verwaltungsbehördliche Bescheid außer Kraft. Die §§22 bis 26 über das gerichtliche Verfahren über die Festsetzung der Entschädigung sind anzuwenden.
III. Enteignungsverfahren
A. Verfahren vor der Verwaltungsbehörde
§11. (1) Der Gegenstand und der Umfang der Enteignung sowie die Höhe der Entschädigung werden auf Grund der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer mündlichen Verhandlung festgesetzt.
[...]
§16. In der Enteignungsverhandlung ist auch die Höhe der infolge der Enteignung zu leistenden Entschädigung auf Grund einer Bewertung durch Sachverständige zu ermitteln und zu erörtern. Die Heranziehung allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger ist auch dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des §52 Abs2 AVG, BGBl Nr 51/1991, nicht vorliegen."
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998, 16.488/2002 und 20.299/2018) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002 und 19.518/2011).
2. Ein solcher Fehler ist dem Verwaltungsgericht Wien unterlaufen:
2.1. Das Verwaltungsgericht Wien geht in seinem Erkenntnis zunächst davon aus, dass die mit den Rechtsvorgängern jener (acht) beteiligten Parteien, welche Wohnungseigentümer des auf der Liegenschaft EZ***, KG Kagran, errichteten Gebäudes sind, vertraglich begründeten Servituten nicht auf diese (acht) beteiligten Parteien als Rechtsnachfolger übergegangen seien. Ob und inwieweit auf Grund (besonderer) vertraglicher Regelungen zwischen der beschwerdeführenden Partei und den Rechtsvorgängern der (acht) beteiligten Parteien als Wohnungseigentümer oder zwischen den Rechtsvorgängern und deren Rechtsnachfolgern eine Überbindungsverpflichtung der Servituten auf die beteiligten Parteien bestanden habe, sei gegebenenfalls im ordentlichen Rechtsweg, nicht aber von den Verwaltungsbehörden und dem Verwaltungsgericht Wien zu klären.
Das Verwaltungsgericht Wien geht im angefochtenen Erkenntnis ferner davon aus, auf der Liegenschaft EZ***, KG Kagran, bestünden keine offenkundigen Servituten der beschwerdeführenden Partei zulasten der Grundeigentümer.
2.2. Von den beiden angeführten Grundlagen ausgehend begründete der Landeshauptmann von Wien und in der Folge das Verwaltungsgericht Wien die Unzulässigkeit des Antrages auf Enteignung gemäß §2 Abs2 Z3 EisbEG durch Einräumung der Servitute "der Duldung, der Errichtung, des Bestandes, der Erhaltung, und des Betriebs einer Verkehrs(tunnel)anlage samt aller damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen und Maßnahmen im flächenmäßigen Gesamtausmaß von ca 252 m²" im Wesentlichen damit, das Enteignungsverfahren setze als ultima ratio zur Durchsetzung der Einräumung der angestrebten Dienstbarkeiten zwingend voraus, dass die beschwerdeführende Partei den beteiligten Parteien eine der Höhe nach angemessene und auf Basis eines Sachverständigengutachtens ermittelte Entschädigung angeboten habe und dies von den beteiligten Parteien nicht angenommen worden sei. Das Enteignungsrecht habe nicht den Sinn, einem Projektwerber auf einfachem und billigem bzw mit geringem Prozessrisiko behaftetem Weg bestimmte Rechte einzuräumen.
2.3. Damit ignoriert das Verwaltungsgericht Wien, dass die beschwerdeführende Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien vorbrachte, mehrfach versucht zu haben, mit den beteiligten Parteien jeweils einzeln und auf unterschiedlichem Weg Kontakt aufzunehmen. Im Unterschied zu den sonstigen Eigentümern der Liegenschaft EZ***, KG Kagran, welche der beschwerdeführenden Partei auf vertraglichem Weg die von dieser begehrten Servituten einräumten, waren die beteiligten Parteien als Eigentümer der Liegenschaft EZ***, KG Kagran, gar nicht erst bereit, mit der beschwerdeführenden Partei in Kontakt zu treten. Aus eben diesem Grund beantragte die beschwerdeführende Partei die zwangsweise Einräumung der Servituten auf der im Eigentum unter anderem der beteiligten Parteien stehenden Liegenschaft.
2.4. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der zufolge eine Enteignung nur dann notwendig und erforderlich – und somit im öffentlichen Interesse im Sinne der Bundesverfassung gelegen – ist, wenn der Grundeigentümer ein angemessenes Kaufanbot abgelehnt hat (vgl zB VfSlg 13.579/1993), ist nicht dahin zu verstehen, dass Grundeigentümer durch die Verweigerung der Kontaktaufnahme bzw die Verweigerung von Verhandlungen über ein angemessenes Kaufanbot die Enteignung verhindern können. Vor dem Hintergrund des – bereits im Enteignungsantrag erbrachten und in der Beschwerde wiederholten – Vorbringens der beschwerdeführenden Partei, all ihre Versuche, mit den Antragsgegnern in Kontakt bzw Dialog zu treten, seien erfolglos geblieben, kann der beschwerdeführenden Partei nicht vorgehalten werden, sie habe nicht versucht, den Bedarf anders als durch die Enteignung zu decken.
2.5. Entgegen der Auffassung des Landeshauptmannes von Wien und des Verwaltungsgerichtes Wien kann bei einem derartigen Sachverhalt nicht davon gesprochen werden, dass die beschwerdeführende Partei den beteiligten Parteien keine der Höhe nach angemessene Entschädigung für die Einräumung der Servituten angeboten hätte.
3. Dadurch hat das Verwaltungsgericht Wien Willkür geübt.
IV. Ergebnis
1. Die beschwerdeführende Partei ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 iVm §88a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.