Leitsatz
Gesetzwidrigkeit von Wortfolgen der FixkostenzuschussV, der AusfallbonusV III und der VerlustersatzverlängerungsV betreffend den Ausschluss von Förderungen zur wirtschaftlichen Bewältigung der COVID-19 Pandemie im Falle einer finanzstrafrechtlichen Verurteilung; Unsachlichkeit des Ausschlusses mangels Normierung einer zeitlichen Grenze für eine – auch weit zurückliegende – Abgabenhinterziehung
Spruch
Die Wortfolge "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbonus darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt" in Punkt 3.1.7 des Anhanges 1 zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über eine weitere Verlängerung des Ausfallsbonus für Unternehmen mit hohem Umsatzausfall, BGBl II Nr 518/2021, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, der Verfassungsgerichtshof möge in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetz betreffend Richtlinien über eine weitere Verlängerung des Ausfallsbonus für Unternehmen mit hohem Umsatzausfall (im Folgenden: VO Ausfallsbonus III), "BGBl II 518/2021 idF BGBl II 110/2022" unter Punkt 3.1.7 im Anhang 1 die Wortfolge
"über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbonus darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt"
als gesetzwidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. §3b des Bundesgesetzes über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG Gesetz), BGBl I 51/2014, idF BGBl I 228/2021 lautete auszugsweise wie folgt:
"Richtlinien zur Gewährung von finanziellen Maßnahmen
(1) Finanzielle Maßnahmen gemäß §2 Abs2 Z7 dürfen nur zu Gunsten von Unternehmen gesetzt werden, die ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in Österreich haben und ihre wesentliche operative Tätigkeit in Österreich ausüben.
(2) Auf die Gewährung von finanziellen Maßnahmen besteht kein Rechtsanspruch.
(3) Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Vizekanzler unter Beachtung der geltenden Vorgaben des EU Beihilfenrechtes per Verordnung Richtlinien zu erlassen, die insbesondere nachstehende Regelungen zu enthalten haben und die auch im Internet zur Abfrage bereit zu halten sind:
1. Festlegung des Kreises der begünstigten Unternehmen,
2. Ausgestaltung und Verwendungszweck der finanziellen Maßnahmen,
3. Höhe der finanziellen Maßnahmen,
4. Laufzeit der finanziellen Maßnahmen,
5. Auskunfts- und Einsichtsrechte des Bundes oder des Bevollmächtigten.
6. Rückforderungen.
[…]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Aufgaben der COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG Neuordnungs und Abwicklungsgesetz COFAG NoAG), BGBl I 86/2024, lauten auszugsweise wie folgt:
"Begriffsbestimmungen
§2. (1) Förderantrag im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Antrag auf Abschluss eines Fördervertrages nach den Bestimmungen der in Abs9 angeführten Verordnungen des Bundesministers für Finanzen.
(2) […]
(9) Verordnungen im Sinne des Abs1 sind
[…]
13. Verordnung gemäß §3b Abs3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über eine weitere Verlängerung des Ausfallsbonus für Unternehmen mit hohem Umsatzausfall (VO Ausfallsbonus III), BGBl II Nr 518/2021, in der jeweils geltenden Fassung;
[…]
Verordnungsermächtigung
§3. (1) Die in §2 Abs9 angeführten Verordnungen sind auf Förderanträge, die bis zum Ende der für diese vorgesehenen Fristen eingebracht wurden, weiter anzuwenden.
(2) […]"
3. Punkt 3 und Punkt 4 des Anhanges 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über eine weitere Verlängerung des Ausfallsbonus für Unternehmen mit hohem Umsatzausfall (VO Ausfallsbonus III), BGBl II 518/2021, lauten auszugsweise wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"3 Begünstigte Unternehmen
3.1 Ein Ausfallsbonus III darf nur zu Gunsten von Unternehmen gewährt werden, bei denen sämtliche nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:
3.1.1 das Unternehmen hat im Betrachtungszeitraum und zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen Sitz oder eine Betriebsstätte in Österreich;
3.1.2 das Unternehmen übt im Betrachtungszeitraum und zum Zeitpunkt der Antragstellung eine operative Tätigkeit in Österreich aus, die in Österreich zu einer Besteuerung der Einkünfte gemäß der §§22 oder 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl Nr 400/1988, führt;
3.1.3 das Unternehmen erleidet im als Betrachtungszeitraum herangezogenen Kalendermonat einen Umsatzausfall gemäß Punkt 4.1 von mindestens 40 Prozent, sofern es sich beim Betrachtungszeitraum um den November 2021 oder den Dezember 2021 handelt, einen Umsatzausfall gemäß Punkt 4.1 von mindestens 30 Prozent;
3.1.4 beim Unternehmen darf zum Zeitpunkt der Antragstellung in den letzten drei veranlagten Jahren kein rechtskräftig festgestellter Missbrauch im Sinne des §22 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr 194/1961, vorliegen, der zu einer Änderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage von mindestens EUR 100.000 im jeweiligen Veranlagungszeitraum geführt hat;
3.1.5 das Unternehmen darf zum Zeitpunkt der Antragstellung in den letzten fünf veranlagten Jahren nicht mit einem Betrag von insgesamt mehr als EUR 100.000 vom Abzugsverbot des §12 Abs1 Z10 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 (KStG 1988), BGBl Nr 401/1988, oder von den Bestimmungen des §10a KStG 1988 (Hinzurechnungsbesteuerung, Methodenwechsel) betroffen gewesen sein; ein Ausfallsbonus III darf jedoch dennoch gewährt werden, wenn das Unternehmen bereits bei Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für das betreffende Jahr den Anwendungsfall des §12 Abs1 Z10 KStG 1988 oder des §10a KStG 1988 offengelegt, den von den Bestimmungen erfassten Betrag hinzugerechnet hat und dieser Betrag nicht EUR 500.000 übersteigt;
3.1.6 das Unternehmen darf keinen Sitz oder eine Niederlassung in einem Staat haben, der in der EUListe der nicht kooperativen Länder und Gebiete für Steuerzwecke genannt ist, und an dem Sitz oder der Niederlassung in diesem Staat im ersten nach dem 31. Dezember 2018 beginnenden Wirtschaftsjahr überwiegend Passiveinkünfte im Sinne des §10a Abs2 KStG 1988 erzielen. Es gilt die Fassung der EUListe der nicht kooperativen Länder und Gebiete für Steuerzwecke, die zum jeweiligen Abschlussstichtag des für die Beurteilung des Überwiegens der Passiveinkünfte im Sinne des §10a Abs2 KStG 1988 heranzuziehenden Wirtschaftsjahres in Geltung steht;
3.1.7 über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbonus III darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt
3.1.8 das Unternehmen hat im Rahmen einer Gesamtstrategie schadensmindernde Maßnahmen gesetzt, um den Umsatzausfall zu reduzieren (Schadensminderungspflicht mittels ex ante Betrachtung).
3.2 Ausgenommen von der Gewährung eines Ausfallsbonus III nach den gegenständlichen Richtlinien sind:
3.2.1 Unternehmen, bei denen im Betrachtungszeitraum oder zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Insolvenzverfahren anhängig ist; dies gilt nicht für Unternehmen, für die ein Sanierungsverfahren gemäß der §§166 ff des Bundesgesetzes über das Insolvenzverfahren (InsolvenzordnungIO), RGBl. Nr 337/1914, eröffnet wurde;
3.2.2 beaufsichtigte Rechtsträger des Finanzsektors, die im Inland, einem Mitgliedstaat (§2 Z5 Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 (BWG)) oder einem Drittland (§2 Z8 BWG) registriert oder zugelassen sind und hinsichtlich ihrer Tätigkeit prudentiellen Aufsichtsbestimmungen unterliegen; das sind für Österreich insbesondere Kreditinstitute gemäß BWG; Versicherungsunternehmen gemäß Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 (VAG 2016), BGBl I Nr 34/2015; Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 (WAG 2018), BGBl I Nr 107/2017; Pensionskassen gemäß Pensionskassengesetz (PKG), BGBl Nr 281/1990;
3.2.3 im alleinigen Eigentum (mittelbar oder unmittelbar) von Gebietskörperschaften und sonstigen Einrichtungen öffentlichen Rechts stehende Einrichtungen;
3.2.4 im mehrheitlichen Eigentum (mittelbar oder unmittelbar) von Gebietskörperschaften und sonstigen Einrichtungen öffentlichen Rechts stehende Einrichtungen, die einen Eigendeckungsgrad von weniger als 75% haben;
3.2.5 Non-Profit-Organisationen, die die Voraussetzungen der §§34 bis 47 BAO, erfüllen, sowie deren nachgelagerte Unternehmen und Unternehmen, die Zuschüsse aus dem mit dem Bundesgesetz über die Errichtung eines Non Profit Organisationen Unterstützungsfonds, BGBl I Nr 49/2020, eingerichteten Non Profit Organisationen Unterstützungsfonds (NPOUnterstützungsfonds) beziehen;
3.2.6 Unternehmen, die zu Beginn des Betrachtungszeitraums mehr als 250 Mitarbeiter gemessen in Vollzeitäquivalenten beschäftigt haben und die im Betrachtungszeitraum mehr als 3 Prozent dieser Mitarbeiter gekündigt haben, statt Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen. Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regelung kann nur auf Antrag gewährt werden. In dem Antrag muss das Unternehmen detailliert darlegen und begründen, warum durch die allgemeine Regelung der Fortbestand des Unternehmens beziehungsweise des Betriebsstandortes in hohem Maß gefährdet ist und es nachteilig für das Unternehmen wäre, die Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen. Über diesen Antrag entscheiden jeweils ein Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes im Konsens. Die Entscheidung ist der COFAG umgehend zu übermitteln;
3.2.7 Antragsteller, die nicht im Sinne des Umsatzsteuergesetzes 1994 (UStG 1994), BGBl Nr 663/1994, unternehmerisch tätig sind;
3.2.8 neu gegründete Unternehmen, die vor dem 1. November 2021 noch keine Umsätze erzielt haben. Wird vom antragstellenden Unternehmen ein schon vor dem 1. November 2021 existierender operativ tätiger (Teil )Betrieb oder Mitunternehmeranteil übernommen beziehungsweise fortgeführt, so kann nicht nur in Fällen der zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge ein Ausfallsbonus III gewährt werden, sondern auch in Fällen der zivilrechtlichen Einzelrechtsnachfolge, wenn
(a) der (Teil-)Betrieb oder Mitunternehmeranteil bereits vor dem 1. November 2021 mit zivilrechtlicher Wirksamkeit übernommen beziehungsweise fortgeführt wurde oder
(b) der Erwerb des (Teil )Betriebes oder Mitunternehmeranteiles oder die Umgründung aus einem der nachfolgenden Gründe stattfindet:
– der Übertragende ist gestorben und dadurch wird die Übertragung eines (Teil )Betriebes oder Mitunternehmeranteiles veranlasst oder
– es erfolgt eine unentgeltliche Übertragung und/oder eine Übertragung zwischen Angehörigen im Sinne des §25 BAO und der Übertragende ist wegenkörperlicher oder geistiger Behinderung in einem Ausmaß erwerbsunfähig, dass er nicht in der Lage ist, den (Teil-)Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen oder es erfolgt eine unentgeltliche Übertragung und/oder eine Übertragung zwischen Angehörigen im Sinne des §25 BAO und der (Teil )Betrieb oder Mitunternehmeranteil wird übertragen, weil der Übertragende das 60. Lebensjahr vollendet hat und seine Erwerbstätigkeit einstellt.
Ist der Erwerb eines (Teil-)Betriebes oder Mitunternehmeranteils oder eine Umgründung nicht wirtschaftlich begründet und dient überwiegend dazu, die Voraussetzungen für die Gewährung eines Ausfallsbonus III zu schaffen, so ist weder in Fällen der zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge, noch in Fällen der zivilrechtlichen Einzelrechtsnachfolge diesem Unternehmen ein Ausfallsbonus III zu gewähren;
3.2.9 Unternehmen, die trotz zumutbarer Kurzarbeitsinanspruchnahme-Möglichkeit und bei Beibehaltung ihres grundsätzlichen Geschäftsmodells, ihren Personalstand mit dem Ziel wesentlich verringert haben, die Umsätze beziehungsweise Umsatzerlöse im Betrachtungszeitraum zu reduzieren und so die Voraussetzungen für die Gewährung eines Ausfallsbonus III gemäß Punkt 3.1.3 zu erfüllen beziehungsweise den für einen zu gewährenden Ausfallsbonus III als Bemessungsgrundlage heranzuziehenden Umsatzausfall des Betrachtungszeitraums zu erhöhen.
4 Betrachtungszeitraum und Berechnung des Ausfallsbonus III
4.1 Der Ausfallsbonus III besteht aus einem Bonus, der gewährt wird, wenn im Betrachtungszeitraum November 2021 oder im Betrachtungszeitraum Dezember 2021 ein Umsatzausfall von mindestens 30 Prozent oder in einem der anderen Betrachtungszeiträume ein Umsatzausfall von mindestens 40 Prozent vorliegt. Der Umsatzausfall wird berechnet, indem die Differenz zwischen den Umsätzen des Betrachtungszeitraums gemäß Punkt 4.6 und den Umsätzen des Vergleichszeitraums gemäß Punkt 4.5 ermittelt wird. Umsatzausfälle, die sich in der jeweiligen Periode nur aufgrund einer Änderung des Abrechnungszeitraums oder einer Änderung der Art der Umsatzermittlung ergeben, sind nicht zu berücksichtigen. Missbräuchlich vorgenommene zeitliche Verschiebungen der Umsätze sind bei der Berechnung der Höhe des Umsatzausfalls ebenfalls nicht zu berücksichtigen.
4.2 Die Höhe des Ausfallsbonus III ergibt sich aus dem Umsatzausfall im Betrachtungszeitraum und dem jeweiligen Prozentsatz, der gemäß Anhang 2 für die Branche heranzuziehen ist, in der das Unternehmen im Betrachtungszeitraum überwiegend zur Erzielung seiner Umsätze beziehungsweise Umsatzerlöse tätig war. Der Ausfallsbonus III ist mit EUR 80.000 pro Kalendermonat gedeckelt. Die bei Vorliegen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen zu gewährende Mindesthöhe für den Ausfallsbonus III beträgt EUR 100. Betrachtungszeitraum für den Ausfallsbonus III ist das Kalendermonat. Der frühestmögliche Betrachtungszeitraum ist November 2021, der letztmögliche Betrachtungszeitraum ist März 2022."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Die in der Rechtssache vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien klagende Partei begehrte von der beklagten Partei (damals COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH [in der Folge: COFAG]) mit Klage vom 29. Mai 2024 den Betrag von € 114.290,33 auf Grund der VO Ausfallsbonus III für den Zeitraum Dezember 2021 und Jänner 2022. Die klagende Partei brachte im Wesentlichen vor, im Zuge der Corona Krise ab dem 16. März 2020 über knapp zwei Jahre hinweg mehrfach von "Lockdowns" und sonstigen staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung betroffen gewesen zu sein, was beträchtliche Ausfälle in allen Beherbergungsbetrieben der klagenden Partei zur Folge gehabt habe.
1.2. Die COFAG bestritt das Klagebegehren mit der Begründung, dass über die klagende Partei und deren Geschäftsführer im Jahr 2019 verhängte Finanzstrafen nach dem klaren Wortlaut der Verordnung einen Ausschlussgrund von der Gewährung des Ausfallsbonus III darstellten.
2. Aus Anlass der Klage stellt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien den vorliegenden Antrag gemäß Art139 Abs1 Z1 B VG. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
"Der Verfassungsgerichtshof hat mit den beiden Erkenntnissen vom 5.10.2023 zu V145/202213 und V172/2022-14 entsprechend wortgleiche Wortfolgen in anderen Verordnungen bereits als gesetzwidrig aufgehoben.
Das Gericht gründet seine Bedenken auf die damit offenkundige Gesetzwidrigkeit der Wortfolge in Punkt 3.1.7 des Anhang I zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Ausfallsbonus an Unternehmen mit einem hohen Umsatzausfall (VO Ausfallsbonus III), BGBl II 518/2021 idF BGBl II 110/2022, welche lautet: 'über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbonus darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt'.
Die genannte Regelung ist Teil einer unmittelbar anwendbaren Verordnung mit Außenwirksamkeit und scheint nach den bisherigen Erkenntnissen des VfGH wegen Unsachlichkeit gegen Art7 B VG (Gleichheitssatz) zu verstoßen bzw der ursprünglichen gesetzlichen Grundlage des §3b Abs3 ABBAG Gesetz bzw nunmehr des §3 Abs1 iVm §2 Abs9 COFAG NoAG idF BGBl I 86/2024 einen dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 B VG) widersprechenden Inhalt zu unterstellen. Der Verordnungsgeber stellt in der angefochtenen Regelung nämlich ausschließlich darauf ab, dass in den letzten fünf Jahren vor der Stellung des Antrages auf Gewährung des Lockdown Umsatzersatzes eine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße auf Grund von Vorsatz über das antragstellende Unternehmen oder dessen geschäftsführende Organe (in Ausübung ihrer Organfunktion) verhängt worden ist, jedoch ist in der Verordnung nicht normiert, in welchem Zeitraum die Abgabenhinterziehung stattgefunden haben muss. Damit sind auch jene Unternehmen von der Gewährung des Ausfallbonus III ausgeschlossen sind, die weit zurückliegend in der Vergangenheit eine Abgabenhinterziehung begangen haben. Dabei ist festzuhalten, dass nach Ansicht des Gerichts der Zusammenhang mit dem steuerlichen Fehlverhalten und der Nichtgewährung der Zahlungen sich umso stärker verdünnt und daher keine entscheidende Rolle mehr spielen kann, umso weiter die vorsätzlich begangene Finanzstraftat zurückliegt.
Darüber hinaus hat das Gericht Bedenken im Zusammenhang mit dem in Art4 7. ZP EMRK normierten Doppelbestrafungsverbot. Das COVID Maßnahmen Gesetz erkannte der VfGH nur deshalb für zulässig, weil umfangreiche Maßnahmen und Rettungspakete vorgesehen wurden, welche die wirtschaftlichen Auswirkungen des Betretungsverbotes auf die davon betroffenen Unternehmen bzw allgemein die Folgen der COVID 19 Pandemie abzufedern 21 Cg 50/24p versuchten und damit eine im Wesentlichen vergleichbare Zielrichtung wie die Einräumung von Ansprüchen auf Vergütung des Verdienstentganges nach §32 Epidemiegesetz 1950 hatten (V 408/202020). Die hier gegenständliche Verordnung ist ohne Zweifel diesen Maßnahmen und Rettungspaketen zuzurechnen. Nach Ansicht des OGH erlaubt das Doppelbestrafungsverbot der EMRK eine mehrfache Sanktionierung einer Tat nur, wenn die mehrfachen Sanktionen jeweils unterschiedliche Aspekte betreffen und zu keiner übermäßigen Belastung des Betroffenen führen (16 Ok 5/23f). Der unbeschränkte Ausschluss eines bereits zur Verantwortung gezogenen Unternehmens von - dem Grunde nach existenzsichernden - Entschädigungen kommt einer Doppelbestrafung gleich. Sowohl §33 FinStrG als auch Punkt 3.1.7 des Anhang I zur Verordnung Ausfallbonus III sollen in ihrer Stoßrichtung das Vermögen des Bundes bzw dessen Steuergebarung schützen, sodass in diesem Fall gerade nicht von einer Sanktion, welche verschiedene Aspekte betrifft ausgegangen werden kann.
Der uneingeschränkte Ausschluss der Klägerin vom Ausfallbonus III aufgrund einer bereits vorangegangenen und rechttskräftigen Verbandsverantwortlichkeit iSd VbVG erscheint daher als übermäßige Belastung und unzulässige Doppelbestrafung, welche nach Ansicht des erkennenden Gerichts mit der österreichischen Verfassung unvereinbar ist.
Fazit:
Aufgrund der dargestellten Bedenken gegen den im vorliegenden Verfahren anzuwendenden Ausnahmetatbestandes des Punkt 3.1.7 im Anhang 1 der VO Ausfallsbonus III sieht sich das Landesgericht für Zivilrechtssachen veranlasst, die Frage der Gesetz- bzw Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Wortfolge mit dem vorliegenden Verordnungsprüfungsantrag an den VfGH heranzutragen.
Der Anfechtungsumfang wurde so gewählt, dass - bei Bejahung der verfassungsrechtlichen Bedenken durch den Verfassungsgerichtshof - eine verfassungsrechtlich einwandfreie Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren hergestellt wird."
3. Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Äußerung.
4. Die im gerichtlichen Anlassverfahren klagende Partei erstattete als beteiligte Partei eine Äußerung, in der sie die Bedenken des antragstellenden Gerichtes gegen die angefochtene Verordnungsbestimmung teilt.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung in Punkt 3.1.7 des Anhanges 1 zur VO Ausfallsbonus III zweifeln ließe.
1.2. Für den Verfassungsgerichtshof besteht – nicht zuletzt angesichts der wörtlichen Wiedergabe – kein Zweifel, dass das antragstellende Gericht Punkt 3.1.7 des Anhanges 1 zur VO Ausfallsbonus III in der Stammfassung BGBl II 518/2021 anfechten wollte. Die angefochtene Bestimmung wurde durch die vom anfechtenden Gericht angeführte Verordnung BGBl II 110/2022 nicht geändert.
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag auf Aufhebung von Punkt 3.1.7 des Anhanges 1 zur VO Ausfallsbonus III, BGBl II 518/2021, als zulässig.
2. In der Sache
Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
Der Antrag ist begründet.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 5. Oktober 2023, G172/2022, V172/2022, aus, dass §3 Z4 des Bundesgesetzes, mit dem Förderungen des Bundes auf Grund der COVID 19 Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten geknüpft wurden (im Folgenden: COVID 19 WohlverhaltensG), und damit auch Punkt 3.1.7 des Anhanges zur VO Ausfallsbonus, BGBl II 74/2021, unsachlich waren, weil der Gesetz- bzw Verordnungsgeber in der Regelung ausschließlich darauf abstellte, dass in den letzten fünf Jahren vor der Stellung des Antrages auf Gewährung des Ausfallsbonus eine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße auf Grund von Vorsatz über das antragstellende Unternehmen oder dessen geschäftsführende Organe (in Ausübung ihrer Organfunktion) verhängt worden war. Es ist zwar dem Grunde nach nicht unsachlich, finanzielle Maßnahmen an das steuerliche Wohlverhalten zu knüpfen. Der Gesetz- bzw Verordnungsgeber normierte jedoch nicht, in welchem Zeitraum die Abgabenhinterziehung stattgefunden haben musste. Dies bedeutete, dass auch Unternehmen von der Gewährung der Hilfsmittel ausgeschlossen waren, die weit zurückliegend in der Vergangenheit eine Abgabenhinterziehung begangen hatten.
Die angefochtenen Regelungen hatten sohin zur Folge, dass es keine zeitliche Grenze für den Ausschluss von der Gewährung des Ausfallsbonus wegen weit in der Vergangenheit liegender vorsätzlicher Abgabenhinterziehungen geben konnte. Der Verfassungsgerichtshof hob dementsprechend §3 Z4 COVID 19 WohlverhaltensG mit Wirkung ab Ablauf des 15. April 2024 auf; desgleichen hob der Verfassungsgerichtshof die angefochtene Regelung in Punkt 3.1.7 des Anhanges zur VO Ausfallsbonus mit Wirkung ab Ablauf des 15. April 2024 auf, weil diese Verordnungsbestimmung nach Aufhebung des §3 Z4 des genannten Bundesgesetzes keine Deckung in §3b Abs3 ABBAG Gesetz fand.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hob mit dem Erkenntnis vom 5. Oktober 2023, V145/2022 ua, die Wortfolgen
– "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Lockdown Umsatzersatz darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt"in Punkt 3.1.7 des Anhanges 1 zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Lockdown Umsatzersatzes durch die COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO Lockdown Umsatzersatz), BGBl II 503/2020,
– "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbonus darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt" in Punkt 3.1.7 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Ausfallsbonus an Unternehmen mit einem hohen Umsatzausfall (VO Ausfallsbonus), BGBl II 74/2021,
– "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Lockdown Umsatzersatz darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt" in Punkt 3.1.7 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Lockdown Umsatzersatzes durch die COVID 19 Finanzierungs-agentur des Bundes GmbH (COFAG) (3. VO Lockdown Umsatzersatz), BGBl II 567/2020, sowie
– "und über das Unternehmen darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe (ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten) oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein" in Punkt 3.1.3 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetz betreffend Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen zur Deckung von Fixkosten durch die COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG), BGBl II 72/2021,
mit näherer Begründung als gesetzwidrig auf.
2.3. Die durch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien angefochtene Regelung des Punktes 3.1.7 des Anhanges 1 zur VO Ausfallsbonus III gleicht den mit den Erkenntnissen vom 5. Oktober 2023, V145/2022 ua, und G172/2022, V172/2022, aufgehobenen Verordnungsbestimmungen, weswegen auf die dortigen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden kann. Die angefochtene Regelung in Punkt 3.1.7 des Anhanges 1 zur VO Ausfallsbonus III findet nach Aufhebung des §3 Z4 COVID 19WohlverhaltensG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 2023, G172/2022, V172/2022, mit Wirkung ab Ablauf des 15. April 2024 keine Deckung in §3b Abs3 ABBAG Gesetz bzw nunmehr §3 Abs1 iVm §2 Abs9 Z13 COFAG NoAG.
2.4. Im Hinblick auf dieses Ergebnis kann eine Auseinandersetzung mit den vom antragstellenden Gericht vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot nach Art4 7. ZPEMRK unterbleiben.
V. Ergebnis
1. Die Wortfolge "über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbonus darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt" in Punkt 3.1.7 des Anhanges 1 zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG Gesetz betreffend Richtlinien über eine weitere Verlängerung des Ausfallsbonus für Unternehmen mit hohem Umsatzausfall, BGBl II 518/2021, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Der Ausspruch, dass der Bundesminister für Finanzen zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung verpflichtet ist, kann hier entfallen, weil diese Verpflichtung bereits im heutigen Erkennntnis zur Zahl V103105/2024 enthalten ist (vgl VfGH 13.12.2019, G119/2019 ua).
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.