E2470/2020 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch die Spruchpunkte I. und III. des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B VG verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
II. Das Land Burgenland ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerin war seit 1. März 2005 Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Burgenland und wurde am 17. Dezember 2019 zum Mitglied des Landesverwaltungsgericht Burgenland ernannt.
2. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Juni 2020 wurde die Beschwerdeführerin gemäß §22 Abs1 Z2 Burgenländisches Landesverwaltungsgerichtsgesetz (im Folgenden: Bgld LVwGG) ihres Amtes als Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland wegen Amtsunfähigkeit enthoben (Spruchpunkt I.). Weiters wurde sie schuldig gesprochen, die schriftliche Weisung des Präsidenten des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 30. Juli 2019, sich am 9. August 2019 von einem näher genannten Klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen untersuchen zu lassen, nicht befolgt und dadurch eine Dienstpflichtverletzung nach §110 iVm §46 Abs1 des Burgenländischen Landesbeamten-Dienstrechtsgesetz 1997 (im Folgenden: LBDG 1997) begangen zu haben. Von der Verhängung einer Strafe wurde gemäß §131 LBDG 1997 abgesehen (Spruchpunkt III.). Von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen wurde sie mangels Schuldfähigkeit freigesprochen (Spruchpunkt II.).
3. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15. Juni 2020 eine mündliche Verhandlung durch und verkündete sogleich seine Entscheidung. In seinen Entscheidungsgründen führt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes aus:
"Gemäß §8 Bgld LVwGG ist das Bundesverwaltungsgericht als Disziplinargericht […] zuständig zur Entscheidung über eine Amtsenthebung – und zwar über Antrag der Präsidentin oder des Präsidenten des Landesverwaltungsgerichtes oder der Disziplinaranwältin oder des Disziplinaranwaltes – und zur Erlassung von Beschlüssen und Disziplinarerkenntnissen.
Gemäß §22 Abs1 Z2 Bgld LVwGG kann ein Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes seines Amtes nur durch ein richterliches Erkenntnis des Disziplinargerichtes enthoben werden, wenn es infolge seiner gesundheitlichen Verfassung seine Aufgaben als Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes nicht erfüllen kann (Amtsunfähigkeit[)].
[Gemäß] §23 Bgld LVwGG gelten für die Mitglieder des Landesverwaltungsgerichtes – bei voller Wahrung ihrer Unabhängigkeit – die Bestimmungen des Dienst , Besoldungs- und Pensionsrechts der Landesbeamtinnen und Landesbeamten sinngemäß, soweit in diesem Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß §46 Abs1 des Burgenländisches Landesbeamten Dienstrechtsgesetzes 1997 (LBDG 1997) hat der Beamte […] seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen.
Vorweg ist zu dem mit Schriftsatz vom 09.06.2010 eingebrachte[n] Vorbringen, dass das Bundesverwaltungsgericht mangels regelnder Übergangsbestimmungen der Novelle LGBl Nr 85/2019 zum Burgenländischen Landesverwaltungsgerichtsgesetz unzuständig wäre, die bereits bei der bis dahin zuständigen Vollversammlung des Landesverwaltungsgerichtes anhängigen Verfahren fortzuführen, Folgendes zu bemerken:
Gemäß den erläuternden Bemerkungen zum geänderten §8 und der in der Vorlage (XXI. Gp. RV 1986AB2027, Zu Z5) enthalten gewesenen Inkrafttretensbestimmung mit 01.01.2020, sind die mit 31.12.2019 beim Landesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht fortzuführen. Aufgrund dieser Erläuterungen besteht kein Zweifel, dass der Landesgesetzgeber jedenfalls davon ausging, dass anhängige Verfahren – auch ohne Übergangsbestimmung – vom nunmehr zuständigen Disziplinargericht fortzuführen sind. Angesichts dieser klaren Erläuterungen bleibt kein Raum für die oben angeführten Zuständigkeitsbedenken.
Zu A I)
Am 28.11.2019 übermittelte das Landesverwaltungsgericht Burgenland einen Antrag des Präsidenten des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 24.09.2019 auf Amtsenthebung […] [der Beschwerdeführerin]. Aufgrund der vom Präsidenten des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland wahrgenommenen Mängeln in der Amtsführung der Genannten, welche auch Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens sind, besteht der begründete Verdacht, dass die Genannte infolge ihrer gesundheitlichen Verfassung ihre Aufgaben als Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes nicht erfüllen kann.
Gemäß dem vom Präsidenten des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland eingeholten Gutachten [eines Facharztes] für Neurologie und Psychiatrie […] [und] zertifizierte[n] Gerichtssachverständige[n] nach dem SDG, besteht bei [der Beschwerdeführerin] ein leicht- bis mittelgrades Psychosyndrom (organische Persönlichkeits- bzw Verhaltensstörung aufgrund einer Schädigung des Gehirns), das die Fähigkeit der Genannten zu[…] zielorientierten Aktivitäten sowie ihre Durchhaltefähigkeit als auch ihre Fokussierfähigkeit reduziert und kognitive Störungen bedingt. Gemäß Gutachten […] [eines] klinischen- und Gesundheitspsychologen […] [und] zertifizierte[n] Gerichtssachverständige[n] nach dem SDG, weist [die Beschwerdeführerin] eine ausgeprägte Gedächtnisstörung auf, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Defizite in der Aufmerksamkeits- und der Exekutivfunktion beruhen. Beide Gutachter kommen zu dem Schluss, dass [die Beschwerdeführerin] aufgrund der beschrieben Beeinträchtigungen aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sowie klinisch-psychologischer Sicht das Ausüben einer Tätigkeit als Richter sachgerecht nicht mehr möglich ist.
Dem Ergebnis dieser Gutachten ist [die Beschwerdeführerin] insoweit entgegengetreten, als sie ein arbeitspsychologisches Gutachten [einer] klinischen Psychologin […] beigebracht hat, die zum Schluss kommt, dass die erforderlichen berufsspezifischen Fähigkeiten der Genannten ausreichend gegeben sind. Dieses von […] [der Beschwerdeführerin] beigebrachte Gutachten ist jedoch nicht geeignet, von einer Dienstfähigkeit der Genannten auszugehen. Dies insbesondere deshalb, weil auch [die klinische Psychologin] […] aufgrund der durchgeführten leistungsdiagnostischen Tests, die Aufmerksamkeitsleistung und das kognitive[…] Leistungstempo[…] von [der Beschwerdeführerin] als weit bzw deutlich unterdurchschnittlich, einen Teilbereich der Gedächtnisfunktion (Verlust nach zeitlicher Verzögerung) als unterdurchschnittlich und ihre Exekutivfunktionen (schlussfolgendes Denken) als grenzwertig durchschnittlich beurteilt.
Aufgrund der vorliegenden Gutachten und der darin ausgewiesenen kognitiven Störung ist davon auszugehen, dass [die Beschwerdeführerin] nicht mehr in der Lage ist, ihr Amt als Richtern sachgerecht zu führen, weshalb sie dienstunfähig ist. Im Hinblick darauf, dass die vorhandenen Symptome lt. Gutachten auf Veränderungen im Gehirn beruhen und keine Remission zu erwarten ist, ist auch nicht von einer Verbesserung auszugehen.
Angemerkt wird, dass den Ausführungen des Rechtsvertreters im Schriftsatz vom 09.06.2020, wonach aufgrund 'informeller beratender Gespräche [mit dem Präsidenten des Landesverwaltungsgerichtes] weder der äußere Anschein selbst noch jener der Unbefangenheit der Gutachter selbst gegeben war' nicht gefolgt wird. Auch wenn die Gutachteranfrage des Präsidenten am 20.05.2019 wort- und fast zeitgleich an den später herangezogenen fachärztlichen und den psychologischen Gutachter erging, folgt daraus nicht eine Anscheinsbefangenheit der Gutachter, zumal diese dem Präsidenten nach seinen Ausführungen zuvor nicht bekannt waren. Im Übrigen ist zu bemerken, dass der herangezogene ärztliche Sachverständige sein Gutachten – infolge der anfänglichen Weigerung […] [der Beschwerdeführerin] sich einer psychologischen Untersuchung zu unterziehen – bereits aus[…]fertigte, bevor eine leistungsdiagnostische Begutachtung […] [der Beschwerdeführerin] durch den psychologischen Gutachter stattfand. Auch eine Nichtübermittlung des aufgenommenen Befundes durch den Sachverständigen an [die Beschwerdeführerin] selbst[…] und die angebliche telefonische Äußerung des Sachverständigen gegenüber [der Beschwerdeführerin], dass er 'Werkzeug' des Präsidenten sei, sind kein Hinweis auf dessen Voreingenommenheit und in Folge dessen Befangenheit, sondern sind dem Umstand geschuldet, dass der Facharzt ein Gutachten im Auftrag der Dienstbehörde zu erstatten hat.
Wenn vorgebracht wird, dass die Gutachtenserteilung insofern unschlüssig gewesen sei, als das Disziplinarverfahren nicht unterbrochen wurde, um die Schuldfähigkeit […] [der Beschwerdeführerin] zu überprüfen, ist darauf zu verweisen, dass die Schuldfähigkeit vom Disziplinargericht als Rechtsfrage zu klären ist und keine Vorfrage, die eine Unterbrechung des Disziplinarverfahrens rechtfertigen würde.
Zu A II.1. und II.2.)
Im Hinblick auf die bei [der Beschwerdeführerin] vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigung, die ihre Dienstunfähigkeit bewirkt, ist ihrer bisherigen Verantwortung zu den im Einleitungsbeschluss vom 09.09.2019 angelasteten Dienstpflichtverletzungen, wonach sie die ihr zugeteilten Verfahren stets nach beste[m] Wissen und Gewissen geführt habe und sie an etwaigen Versäumnissen kein Verschulden träfe, im Ergebnis zu folgen. Nach Ansicht des Disziplinargerichtes sind die dargestellten Versäumnisse und Fehlbeurteilungen […] der Beschwerdeführerin auch nicht fahrlässig begangen worden, sondern sind diese eine Folge der bei ihr festgestellten psychischen Beeinträchtigung, weshalb sie ihr nicht vorwerfbar sind. Mangels Verschulden war [die Beschwerdeführerin] daher von diesen Anlastungen freizusprechen.
Dies gilt auch für den Verdacht der Nichtbefolgung einer Weisung des Präsidenten vom 31.07.2019 zur Auskunftserteilung betreffend gesetzte Schritte bzw Erledigung in einem näher genannten Verfahren. Es ist davon auszugehen, dass [die Beschwerdeführerin] die geforderte Auskunftserteilung an den Präsidenten aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung übersehen oder vergessen hat, dies insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass sie das betreffende Verfahren am 13.08.2019 zum Abschluss gebracht hat[.]
Zu A III.)
Zur spruchgemäßen Anlastung gibt [die Beschwerdeführerin] an, dass sie der nach Remonstration schriftlich erteilten Weisung, sich am 09.08.2019 einer vom ärztlichen Sachverständigen empfohlenen psychologischen Untersuchung zur näheren Abklärung der Ausprägung der von ihm diagnostizierten psychischen Beeinträchtigungen zu unterziehen, nicht Folge leisten habe müssen, weil diese Weisung willkürlich erfolgt sei. Gemäß §66 Abs1 LBDG 1997 sei sie nur verpflichtet, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Pflicht zur Befolgung einer Weisung dann zu verneinen, wenn einer der in Art20 Abs1 dritter Satz B VG genannten Tatbestände vorliegt – also die Weisung von einem unzuständigen Organ erteilt wird oder ihre Befolgung gegen strafrechtliche Vorschriften verstößt –, wenn die Weisung nach erfolgter Remonstration nicht schriftlich wiederholt wurde oder wenn ihre Erteilung gegen das Willkürverbot verstößt (vgl VwGH zuletzt vom 28.02.2019, Ra 2018/12/0018).
Die Erlassung einer Weisung gegenüber einem Beamten hat ihre Schranke in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten des Beamten, wobei in erster Linie an den Gleichheitsgrundsatz (Art[.]7 B VG) zu denken ist, aus dem sich ein Willkürverbot und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, sowie an den Schutz der Privatsphäre, wie er in Art8 [E]MRK verankert ist (vgl VwGH vom 19.12.2001, ZI 98/12/0139)
Im Zusammenhang mit Untersuchungen betreffend die Dienstfähigkeit eines Beamten wird insbesondere dann, wenn die Dienstfähigkeit aufgrund psychischer Störungen oder Beeinträchtigungen fraglich ist, oftmals zusätzlich zur fachärztlichen neurologisch-psychiatrischen Untersuchung[…] eine klinisch-psychologische Untersuchungen durchgeführt. So hatte sich auch der Verwaltungsgerichtshof in der Vergangenheit wiederholt mit Verfahren betreffend Versetzung in den Ruhestand oder Überprüfung der Dienstfähigkeit, bei denen behördlicherseits zusätzlich zu einer ärztlichen Untersuchung eine psychologische veranlasst wurde, befasst und hat diesbezüglich nicht festgestellt, dass durch eine derartige Weisung[…] in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte eines Beamten eingegriffen wurde. Diesbezüglich sei auch auf das bereits im Einleitungsbeschluss zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 29.01.2014, Zl 2012/12/0152, verwiesen, aus dem sich die Zulässigkeit der zusätzlichen Heranziehung der Expertise eines Psychologen ergibt.
Im Übrigen kann auch nicht erkannt werden, dass die Untersuchung durch einen klinischen Psychologen im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung der Dienstfähigkeit in unverhältnismäßiger Weise in die durch Art[.]8 EMRK geschützten Rechte des Beamten eingreift, wenn diese – wie im gegenständlichen Fall – unter ausdrücklicher Schonung der Untersuchten durchgeführt wird. Im gegenständlichen Fall wurde ein Test, der sich für [die Beschwerdeführerin] als zu belastend erwiesen hat, umgehend abgebrochen.
Da [die Beschwerdeführerin] die im Spruch dargestellte Weisung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes – ungeachtet des Umstandes, dass sie sie für rechtswidrig hielt – hätte befolgen müssen, stellt deren Nichtbefolgung eine Pflichtverletzung gemäß §46 Abs1 LBDG 1997 dar.
Gemäß §131 LBDG 1997 kann im Falle eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten.
Nach dem von [der Beschwerdeführerin] in der mündlichen Verhandlung gewonnen[en] persönlichen Eindruck kann unter Bedachtnahme auf die disziplinäre Unbescholtenheit […] [der Beschwerdeführerin] von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, zumal dies auch die Umstände des Falles nahelegen. Zum einen hat [die Beschwerdeführerin] schließlich, wenn auch verspätet, der Weisung Folge geleistet und ergibt sich aus der Aktenlage (Mails), dass [die Beschwerdeführerin] wohl eher aus nicht ganz unverständlicher Angst vor einer klinisch-psychologischen Begutachtung[…] der Weisung nicht folgen wollte. Zudem fallen im Hinblick auf den heute ausgesprochenen Amtsverlust auch jegliche spezialpräventiven Erwägungen einer Strafzumessung weg."
4. Am 16. Juni 2020 beantragte die Beschwerdeführerin die schriftliche Ausfertigung dieser Entscheidung gemäß §29 Abs4 VwGVG.
5. Gegen die Spruchpunkte I. und III. dieser Entscheidung richtet sich die vorliegende auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.
6. Der Verfassungsgerichtshof leitete am 29. Juli 2020 ein vierwöchiges Vorverfahren ein. Mit Verfügung vom 3. August 2020 teilte das Bundesverwaltungsgericht mit, dass die Gerichts- und Verwaltungsakten bereits dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt worden seien. Auf Nachfrage durch den Verfassungsgerichtshof, wann mit der Ausfertigung der Entscheidung zu rechnen sei, teilte das Bundesverwaltungsgericht am 4. November 2020 mit, dass sich die Akten auf Grund der erhobenen Revision beim Verwaltungsgerichtshof befänden und die Entscheidung mangels Akten vorerst nicht ausgefertigt werde. Eine schriftliche Ausfertigung wurde auch bis dato nicht nachgereicht.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 27. Juni 2013 über das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Burgenländisches Landesverwaltungsgerichtsgesetz – Bgld LVwGG), LGBl 44/2013 idF LGBl 25/2020, lauten wie folgt:
"§8
Disziplinargericht
(1) Disziplinargericht ist das Bundesverwaltungsgericht, welches durch einen Senat entscheidet.
(2) Das Disziplinargericht ist zuständig zur Entscheidung über eine Amtsenthebung – und zwar über Antrag der Präsidentin oder des Präsidenten des Landesverwaltungsgerichtes oder der Disziplinaranwältin oder des Disziplinaranwaltes – und zur Erlassung von Beschlüssen und Disziplinarerkenntnissen.
[…]
§22
Amtsenthebung
(1) Ein Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes kann seines Amtes nur durch ein richterliches Erkenntnis des Disziplinargerichtes enthoben werden, wenn
1. sich herausstellt, dass es die im Zeitpunkt seiner Ernennung maßgeblichen Ernennungsvoraussetzungen für Mitglieder des Landesverwaltungsgerichtes (§21 Abs2) nicht erfüllt hat oder nicht mehr erfüllt,
2. es infolge seiner gesundheitlichen Verfassung seine Aufgaben als Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes nicht erfüllen kann (Amtsunfähigkeit),
3. es schriftlich darum ansucht und ihm von der Landesregierung die Verwendung bei einer anderen Dienststelle mit Bescheid zugesagt wurde oder
4. es trotz festgestellter Unvereinbarkeit eine nach §5 unzulässige Tätigkeit weiterhin ausgeübt hat.
(2) Ein Mitglied gilt seines Amtes als enthoben, wenn
1. es schriftlich darum ansucht, ohne dass ihm von der Landesregierung die Verwendung bei einer anderen Dienststelle mit Bescheid zugesagt wurde; dieses Ansuchen gilt als Erklärung des Austritts gemäß §22 LBDG 1997,
2. es seinen Austritt gemäß §22 LBDG 1997 erklärt,
3. eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung im Sinne des §27 Abs1 des Strafgesetzbuches vorliegt,
4. es auf seinen Antrag oder über seine Erklärung gemäß §15a oder §16 LBDG 1997 in den Ruhestand versetzt wird,
5. es die Voraussetzungen für den Übertritt in den Ruhestand (§14 Abs1 LBDG 1997) erfüllt,
6. ein Disziplinarerkenntnis auf Entlassung lautet oder
7. über das Mitglied durch drei aufeinanderfolgende Kalenderjahre die Feststellung getroffen worden ist, dass es den von ihm zu erwartenden Arbeitserfolg trotz Ermahnung nicht aufweist.
(3) In den Fällen des Abs1 kann auch die Landesregierung die Amtsenthebung bei der Vollversammlung beantragen."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 20. November 1997 über das Dienstrecht der Landesbeamten (Burgenländisches Landesbeamten Dienstrechtsgesetz 1997 – LBDG 1997), LGBl 17/1998 idF LGBl 25/2020, lauten wie folgt:
"§46
Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten
(1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
(2) Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
(3) Hält der Beamte eine Weisung eines vorgesetzten Beamten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.
[…]
§110
Dienstpflichtverletzungen
Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.
[…]
§131
Absehen von der Strafe
Im Falle eines Schuldspruches kann von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, daß ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.
Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Verwaltungsgericht diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn das Verwaltungsgericht Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist dem Bundesverwaltungsgericht ein willkürliches Vorgehen anzulasten:
3.1. Gemäß §29 Abs2 VwGVG sind Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte mit den wesentlichen Entscheidungsgründen zu verkünden. Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen darauf beschränkt, das Ergebnis seiner rechtlichen Beurteilung auszuführen, es bleibt aber eine nachvollziehbare Begründung mit seinen knappen Ausführungen schuldig (vgl VfGH 13.12.2017, E940/2017; 11.6.2019, E183/2019; 28.11.2019, E3541/2019).
3.2. In Zusammenhang mit Richtern sind in Art88 Abs2 B VG besondere Voraussetzungen verankert; so dürfen Richter nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen und auf Grund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses ihres Amtes entsetzt oder wider ihren Willen an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Dies gilt auf Grund von Art134 Abs7 B VG auch für Verwaltungsrichter.
Die in Art88 Abs2 B VG festgelegte Förmlichkeit des richterlichen Erkenntnisses bei einer Amtsenthebung, Versetzung oder Versetzung in den Ruhestand eines Richters liegt in der Sensibilität der Angelegenheit und der Bedeutung dieses Vorganges im Hinblick auf die durch Art87 Abs1 B VG gewährleistete richterliche Unabhängigkeit begründet. Unter Förmlichkeit der Entscheidung ist einerseits zu verstehen, dass der richterlichen Entscheidungsfindung ein Verfahren vorangegangen sein muss, das gesetzlich geregelt ist und bei dem die Entscheidungs- sowie Versetzungsvoraussetzungen gesetzlich vorgegeben sind. Andererseits beinhaltet das Erfordernis der Förmlichkeit, dass das Erkenntnis förmlich – also durch schriftliche Ausführung – zu ergehen hat (das Erkenntnis hat die Entscheidung und deren Gründe zu enthalten [innere Form] sowie "mündlich verkündet, schriftlich ausgefertigt und mit der Unterschrift des erkennenden Organs oder dessen Vorsitzenden unterzeichnet" zu sein [äußere Form]: Walter , Verfassung und Gerichtsbarkeit, 1960, 80). Zweck der Bestimmung ist es, die richterliche Unabhängigkeit zu sichern (VfSlg 20.254/2018).
3.3. Aus Art88 Abs2 und Art87 Abs1 iVm Art134 Abs7 B VG ist somit ableitbar, dass es sich bei der Amtsenthebung von Verwaltungsrichtern um einen besonders sensiblen Bereich handelt. Den sich aus Art88 Abs2 B VG ergebenden besonderen Vorgaben an ein Erkenntnis, mit dem ein Richter seines Amtes enthoben wird, kann das angefochtene Erkenntnis mit seiner knappen, nicht näher ausgeführten Begründung nicht gerecht werden. Es wird lediglich wiedergegeben, dass es je ein vom Landesverwaltungsgericht Burgenland eingeholtes neurologisches Gutachten sowie ein arbeitspsychologisches Gutachten gebe, in denen gewisse Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin festgestellt würden und die zu dem Ergebnis kämen, dass das Ausüben einer Tätigkeit als Richterin nicht mehr möglich sei. Hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin selbst beigebrachten Gutachtens, das zu dem Schluss kommt, dass diese nach wie vor dienstfähig sei, wird lediglich ausgeführt, dass auch in diesem arbeitspsychologischen Gutachten in manchen Bereichen Beeinträchtigungen festgestellt worden seien, sodass auf Grund der vorliegenden Gutachten davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin dienstunfähig sei.
Die Beurteilung der Dienstfähigkeit im Hinblick auf die Ausübung des Richteramtes ist eine Rechtsfrage, die nicht durch ein ärztliches Gutachten vorweggenommen werden kann, sondern durch das Bundesverwaltungsgericht auf Grund der beruflichen Anforderungen, des gesundheitlichen Zustands und einer möglichen Umgestaltung der Arbeit im Rahmen des Richterberufes zu beurteilen ist (vgl zB VwGH 28.3.2007, 2006/12/0135; 27.5.2019, Ra 2019/12/0007). In der Begründung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wird insbesondere nicht dargelegt, in welcher Weise sich der diagnostizierte Gesundheitszustand auf die konkret wahrzunehmenden Aufgaben auswirkt und daher die Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin ausschließt (vgl VwGH 4.9.2012, 2009/12/0148; zur Beurteilung des gesundheitlichen Zustandes im Hinblick auf die dienstlichen Aufgaben vgl VfGH 27.2.2020, E3442/2019; vgl auch VwGH 4.9.2012, 2009/12/0148; 27.5.2019, Ra 2019/12/0007).
3.4. Die Ausführungen in Punkt 3.2. zu besonderen Erfordernissen bei Richter betreffenden Verfahren gelten auch für Disziplinarverfahren gegenüber Richtern, da in diesen unter anderem auch die Entlassung (Amtsenthebung) ausgesprochen werden kann (VfSlg 20.254/2018; vgl zum auf Grund der Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit von Richtern [Art87 und 88 B VG] anzulegenden strengen Maßstab in Disziplinarverfahren gegenüber Richtern VwGH 2.11.2020, Ro 2020/09/0014, wonach das entscheidende Verwaltungsgericht als Disziplinargericht den Sachverhalt zu ermitteln und resultierend aus einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung klare und vollständige Feststellungen aller relevanten Merkmale des für eine rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhaltes zu treffen hat). Entgegen dieser Vorgaben ist auch Spruchpunkt III. betreffend die Nichtbefolgung der Weisung, sich einer psychologischen Untersuchung zu unterziehen, nur knapp und unzureichend begründet. Dies ergibt sich schon daraus, dass aus der Begründung nicht hervorgeht, weshalb zwar die unter Spruchpunkt II. behandelten Dienstverfehlungen auf Grund der Krankheit der Beschwerdeführerin nicht vorwerfbar sind, die Nichtbefolgung der Weisung in Spruchpunkt III. jedoch schon.
3.5. Ergibt sich die Begründung der Entscheidung – wie im vorliegenden Fall – weder aus der Niederschrift der mündlichen Verkündung noch aus einer (zeitnahen) schriftlichen Ausfertigung gemäß §29 Abs4 VwGVG (vgl VwGH 19.4.2016, Ra 2016/11/0033), widerspricht dies sowohl den Anforderungen des §29 Abs2 VwGVG als auch den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung gerichtlicher Entscheidungen. Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes entspricht nicht diesen Anforderungen; sie ist einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof nicht zugänglich und ist daher mit Willkür belastet (VfSlg 20.267/2018; 11.6.2019, E183/2019; 28.11.2019, E3541/2019). In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass es ein Gericht nicht von der ihm gemäß §29 Abs4 VwGVG obliegenden Verpflichtung, den Parteien eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen, entbindet, wenn sich die Gerichts- und Verwaltungsakten auf Grund einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof befinden.
4. Die Spruchpunkte I. und III. des angefochtenen Erkenntnisses sind daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B VG aufzuheben.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch die Spruchpunkte I. und III. der angefochtenen Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B VG verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher insoweit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.