JudikaturVfGH

G17/2025 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
EU-Recht
06. Juni 2025
Leitsatz

Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung von Bestimmungen des VStG, VwGVG, GüterbeförderungsG 1995 und der GewO 1994 mangels Vorbringens konkreter (verfassungsrechtlicher) Bedenken sowie mangels Präjudizialität

Unzulässigkeit des Hauptantrages des LVwG Niederösterreich auf Aufhebung des §9 Abs2 letzter Satz des VStG idF BGBl I 3/2008, des §19 Abs2 dritter und letzter Satz VStG idF BGBl I 33/2013 sowie des §42 VwGVG BGBl I 33/2013:

Der Hauptantrag erweist sich hinsichtlich §9 Abs2 letzter Satz VStG schon deshalb als unzulässig, weil in Bezug auf den Regelungsinhalt dieser Bestimmung keine Bedenken vorgebracht werden. Die Bedenken beziehen sich im Wesentlichen darauf, dass Bestrafungen eines nach §9 Abs2 letzter Satz VStG bestellten verantwortlichen Beauftragten nicht in das Verkehrsunternehmensregister eingetragen würden und daher auch kein Entziehungsverfahren auslösen könnten. Der Sache nach werden damit allerdings bloß Bedenken gegen den im Anlassfall nicht präjudiziellen §24a GütbefG geltend gemacht, welcher die Eintragung gewisser Daten in das Verkehrsunternehmensregister regelt. §9 Abs2 letzter Satz VStG ist hingegen als allgemeine Regelung des Verwaltungsstrafrechtes ohne Bedeutung für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bestimmte Verwaltungsübertretungen und deswegen verhängte Strafen zu einer Entziehung der Zulassung als Kraftverkehrsunternehmer mangels Zuverlässigkeit führen können.

Wenn überdies ein Verstoß des §9 Abs2 letzter Satz VStG gegen Art6 Abs1 Kraftverkehrs-BerufszugangsVO, ABl 2020 L 249, 17, behauptet wird, so ist dieses Vorbringen schon deshalb unzulässig, weil keine verfassungsrechtlichen Bedenken, sondern bloß der Anwendungsvorrang des Unionsrechtes geltend gemacht wird. Die Vereinbarkeit von Gesetzen und Verordnungen mit dem Recht der Europäischen Union ist jedoch als solche nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung. Lediglich die von der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Rechte, die in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleichen, können im Anwendungsbereich der Charta einen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle, insbesondere nach Art139 und Art140 B‑VG, bilden. Der vorliegende Antrag behauptet jedoch auch keinen Verstoß gegen Rechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

In Bezug auf §19 Abs2 VStG und §42 VwGVG ist dem Hauptantrag nicht zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpften Gesetzesstellen in Widerspruch stehen sollten; vielmehr wird auch in diesem Zusammenhang im Wesentlichen bloß ein Verstoß gegen die Kraftverkehrs-BerufszugangsVO behauptet. An diesem Ergebnis vermag auch die pauschale Behauptung eines Verstoßes des §42 VwGVG gegen das "Gleichheitsgebot" nichts zu ändern, da es an einer Darlegung der Verfassungswidrigkeit "im Einzelnen" – wie es §62 Abs1 VfGG zwingend voraussetzt – fehlt.

Unzulässigkeit des Eventualantrags auf Aufhebung des §24a Abs1 letzter Satz und Abs3 Z5 GüterbeförderungsG 1995 (GütbefG) idF BGBl I 37/2018, des §91 Abs2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) idF BGBl I 130/2024 sowie der im Hauptantrag bezeichneten Bestimmungen:

§24a GütbefG regelt die Eintragung bestimmter Daten in das Verkehrsunternehmensregister. §91 Abs2 GewO 1994 normiert die Entfernung von natürlichen Personen, denen ein maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte einer gewerbetreibenden juristischen Person zukommt und die einen Entziehungsgrund des §87 GewO 1994 oder den in §85 Z2 GewO 1994 angeführten Endigungsgrund verwirklicht haben. Da es sich im Anlassverfahren jedoch um ein Verwaltungsstrafverfahren handelt, ist es ausgeschlossen, dass §24a Abs1 letzter Satz und Abs3 Z5 GütbefG oder §91 Abs2 GewO 1994 Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden. Anders als das LVwG vermeint, hat es diese Bestimmungen auch nicht zur Beantwortung der Frage, ob §9 Abs2 VStG zu "gleichheitswidrigen Verfahrensergebnissen" führe, heranzuziehen.