JudikaturVfGH

E1223/2020 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
23. Februar 2021

Das BVwG führt aus, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen gesteigert hätte, indem er in der mündlichen Verhandlung erstmals angegeben hätte, dass die Taliban "um Mitternacht" zu ihm nach Hause gekommen wären. Der Beschwerdeführer hat allerdings bereits vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebracht, dass die Taliban "in der Nacht" bei ihm zu Hause gewesen wären. Die Formulierung "um Mitternacht" präzisiert die Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl "in der Nacht" und kann daher - insbesondere unter Berücksichtigung der Beiziehung eines Dolmetschers - nicht ohne weiteres als Steigerung des Fluchtvorbringens gewertet werden.

Außerdem geht das BVwG davon aus, dass zu erwarten wäre, dass seitens der Taliban Strafen bzw Gewaltmaßnahmen durchgeführt würden, wenn man den "Wünschen der Taliban bezüglich einer Rekrutierung nicht nachkommt". Diese Ausführung findet in den vom BVwG herangezogenen Länderberichten keine Deckung und erweist sich daher als spekulativ. Hinzukommt, dass der Beschwerdeführer dieser Annahme sowohl in seiner schriftlichen Stellungnahme als auch in der mündlichen Verhandlung entgegentritt, indem er auf näher bezeichnete Länderberichte verweist und ausführt, dass die Taliban eigene Verfahren für derartige Konstellationen etabliert hätten. Das BVwG hat es verabsäumt, sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen.

Im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei bei einer Schießerei zwischen den Taliban und der Polizei von einer Granate getroffen worden und hätte Verbrennungen erlitten, führt das BVwG aus, dass dies keine typischen Verletzungen seien, die von Granaten stammten. Wie es zu diesem Schluss gelangt, legt das BVwG aber nicht dar. Auch diese Begründung ist daher nicht nachvollziehbar.

Das BVwG hat überdies weder bei der Befragung in der mündlichen Verhandlung, noch in der Begründung seines Erkenntnisses ausreichend berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einvernahmen minderjährig war.

Rückverweise