JudikaturVfGH

G7/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
25. Juni 2015

Aufhebung des §40 VwGVG, BGBl I 33/2013. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31.12.2016 in Kraft.

Art6 Abs3 litc EMRK sieht die unentgeltliche Beigabe eines Verteidigers lediglich bei strafrechtlichen Anklagen iSd Art6 Abs1 leg cit vor. Dennoch leitet der EGMR ein Recht auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers unter bestimmten Umständen auch in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche aus Art6 Abs1 EMRK ab. Der EGMR hielt fest, dass der Zugang zu Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse (EGMR 26.02.2002, Fall Del Sol, Appl 46.800/99, Z21) und eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Errichtung eines Rechtsschutzsystems bestehe, das dem Einzelnen den Zugang zu Gericht auch tatsächlich möglich macht.

Nach dem derzeitigen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit, welches durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51, neu eingeführt wurde, ist hingegen - außer in Verfahren in Verwaltungsstrafsachen (vgl §40 VwGVG) - die unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers schlechthin nicht möglich. Dies wiegt umso schwerer, als den Verwaltungsgerichten eine rechtsstaatliche Filterungsfunktion zukommt und die Anrufung des VwGH im Instanzenzug seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nur noch bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung erfolgt. Der gänzliche Ausschluss der Gewährung von Verfahrenshilfe in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen, die unter Art6 EMRK fallen, ist daher verfassungswidrig.

Daher Aufhebung des §40 VwGVG, dessen sieben Absätze eine untrennbare Einheit bilden, wegen Verstoßes gegen Art6 EMRK.

(Anlassfall E599/2014, B v 25.06.2015, Ablehnung der Beschwerde).

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