Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Fisher als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Janschitz und den Richter Mag. Resetarits in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. am **, Angestellte, **, vertreten durch Mag. Katharina Regner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei B *, geb. am **, selbständig, **, vertreten durch Dr. Helene KLAAR Dr. Norbert MARSCHALL Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Streitwert nach der JN: EUR 35.000,--; Streitwert nach dem GGG und RATG: EUR 1.000.000,--), hier wegen Verfahrenshilfe, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 09.08.2025, **-39, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s :
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass er lautet wie folgt:
„Der Antrag der klagenden Partei, ihr Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO zu gewähren, wird abgewiesen. “
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
B e g r ü n d u n g :
Die Streitteile standen über viele Jahre in einer Lebensgemeinschaft.
Die Klägerin begehrte im Verfahren die zwischen den Streitteilen bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufzulösen, hilfsweise den Beklagten als Gesellschafter aus der Gesellschaft auszuschließen, abermals hilfsweise ihm die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu entziehen. Sie brachte zusammengefasst vor, die Streitteile hätten konkludent eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründet, deren Hauptzweck es gewesen sei, mehrere Unternehmen zu gründen und mit diesen auf dem Markt zu reüssieren. Das Vermögen der GesbR bestehe aus diversen Gesellschaften, die beträchtliches Vermögen aufweisen würden. Aufgrund des Verhaltens des Beklagten sei der Klägerin die Fortsetzung der GsbR nicht weiter zumutbar. Die Klägerin bewertete ihr Begehren mit EUR 35.000,-- (ON 6).
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und stand – primär - auf dem Standpunkt, dass keine GsbR begründet worden sei. Zudem begehrte er den Streitwert mit einem Betrag von EUR 10.443.527,06 festzulegen.
Mit Beschluss vom 24.02.2025, ON 21.4. (S 2), legte das Erstgericht den Streitwert nach § 7 Abs 2 RATG mit EUR 1.000.000,-- fest. Die Klägerin beantragte daraufhin (S 6) die Gewährung der Verfahrenshilfe nach § 64 Abs 1 Z 1 lit a GebAG.
In ihrem Vermögensbekenntnis vom 06.03.2025 (ON 27.2.) gab sie an, über ein Barvermögen von rund EUR 3.000,-- und kein Liegenschaftsvermögen zu verfügen.
Über Einwand des Beklagten gestand die Klägerin in Folge zu (ON 31), über ein Sparkonto mit einem Einlagestand von über EUR 90.000,-- zu verfügen, dieses jedoch versehentlich nicht angegeben zu haben, weil dieser Vermögensteil ihren Kindern gehöre und daher bloß von ihr verwahrt werde.
Weiters gestand die Klägerin aufgrund der Erhebungen der Erstrichterin zu (ON 37), dass sie Miteigentümerin mehrerer – weder konkret benannter, noch bewerteter - Liegenschaftsanteile sei, die sie aufgrund ihrer psychischen Belastung nicht im Vermögensbekenntnis angegeben habe. Die Anteile seien aber zum Teil belastet und daher faktisch unverkäuflich.
Mit Urteil vom 27.06.2025 (ON 35) wies das Erstgericht die Klagebegehren ab.
Mit dem angefochtenen Beschlusswurde der Klägerin die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO insoweit bewilligt, als die Gebühren den Betrag von EUR 7.500,00 insgesamt übersteigen. Das Erstgericht ging zusammengefasst von folgendem bescheinigten Sachverhalt aus:
Die Klägerin verfügt als Angestellte über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von EUR 2.016,86, dies 14 mal jährlich und damit im Schnitt über EUR 2.353,00. Sie hat mehrere Sorgepflichten.
Der Rekurs ist berechtigt.
1. Beweisrüge
Der Rekurswerber wendet sich gegen die oben ersichtlichen Feststellungen und begehrt folgende Ersatzfeststellungen:
„ Das Geld auf diesem Sparkonto stammt von den Eltern der Klägerin. Diese haben ihr EUR 90.000,00 zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor zwei oder drei Jahren mittels Schenkungsvertrag überlassen. “ Ersatzfeststellung [E1]
„ Die Klägerin hat diese Liegenschaftsanteile nicht im Vermögensbekenntnis angeführt. Sie hat diese verschwiegen. “ Ersatzfeststellung [E2]
Die Beweiswürdigung und damit auch die Tatsachenfeststellungen können im Rekursverfahren nicht angefochten werden, wenn das Erstgericht die Beweise selbst unmittelbar aufgenommen hat (SVSlg 59.793; RS0044018). Das Erstgericht hat die bekämpfte Feststellung [F1] (auch) auf die Einvernahme der Klägerin gestützt, weshalb es dem Rekursgericht verwehrt ist, die Richtigkeit der dahinter stehenden Beweiswürdigung zu überprüfen. Die bekämpfte Feststellung [F2] ist für die rechtliche Beurteilung nicht von Belang, weil gegenständlich lediglich zu hinterfragen ist, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe vorliegen. Ob die Klägerin zunächst unvollständige Angaben gemacht hat, ist dafür nicht von Bedeutung, weil weder über die Entziehung der Verfahrenshilfe, noch über die Verhängung einer Ordnungsstrafe zu entscheiden ist.
2. Rechtsrüge
Der Rekurswerber meint, die Klägerin habe sich die Verfahrenshilfe erschleichen wollen. Da die Verfahrenshilfe nicht rückwirkend zu gewähren sei, wäre die Nachforderung der Pauschalgebühr auch nicht von Bewilligung der Verfahrenshilfe erfasst. Weiters wendet er sich dagegen, dass das Erstgericht ohne Tatsachensubstrat davon ausgegangen sei, die Liegenschaftsflächen seien nicht werthaltig. Der Verkauf sei der Klägerin zumutbar. Zuletzt releviert der Rekurswerber, dass die angemessene Rücklage vom Erstgericht zu hoch bemessen worden sei.
2.1.Das abweisende Urteil vom 27.06.2025 wurde den Parteien am 01.07.2025 zugestellt und ist - da ein ausschließlich auf die Bewilligung der Begünstigung des § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO abzielender Verfahrenshilfeantrag den Lauf der Rechtsmittelfrist nicht beeinflusst (vgl 7 Ob 2/15t; ) – rechtskräftig. Es ist im Rekursverfahren daher lediglich zu hinterfragen, ob die Nachforderung der Pauschalgebühr die Klägerin in ihrem notwendigen Unterhalt beeinträchtigen würde. Die im Rekurs aufgeworfene Frage, ob diese Nachforderung überhaupt von der Verfahrenshilfe erfasst wäre, ist dabei aus nachstehenden Gründen nicht von Relevanz:
Die Klägerin bewohnt eine 75 m² große Wohnung in **. Monatlich hat sie an Miete EUR 1.750,00, für Strom EUR 35,20 (EUR 22,00 + EUR 13,20) und für Warmwasser/Heizung EUR 36,91 zu zahlen. Für die Haushaltsversicherung wendet sie EUR 172,67 (das sind aufs Monat gerechnet EUR 14,89) auf. An Schulden besteht im Wesentlichen eine Forderung aus einem ihr am 25.02.2025 gewährten privaten Darlehen in Höhe EUR 17.500,00. An Vermögen besitzt die (richtig) Klägerin einen PKW Bj 2019 im Wert von EUR 19.900,00. Auf ihrem Girokonto befand sich am 07.03.2025 ein Guthaben von EUR 2.965,00. Am 01.04.2025 wies dieses einen Negativsaldo von EUR 598,43 auf. Ferner ist die Klägerin verfügungsberechtigt über ein Sparkonto bei der C*, das am 01.04.2025 einen Guthabensstand von EUR 93.091,36 und am 03.04.2025 einen Guthabensstand von EUR 91.091,36 aufwies.
Das Geld auf diesem Sparkonto stammt von den Eltern der Klägerin. Diese haben ihr EUR 90.000,00 zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor zwei oder drei Jahren mittels Schenkungsvertrag überlassen, dies mit der Widmung, dass sie das Geld für sich und ihre beiden Kinder verwenden solle . ( bekämpfte Feststellung [F1 ])
Im Zuge der Überprüfung der Angaben der Klägerin durch das Erstgericht wurde festgestellt, dass aufgrund des Einantwortungsbeschlusses vom 08.08.2023 die Eintragung des Eigentumsrechts für die Klägerin in Ansehung von 1/6, 11/64 und 1/6 an drei landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften mit Gesamtflächen von 3090, 3524 und 6.812 (diese belastet mit einem Gebrauchsrecht) verfügt wurde.
Die Klägerin hat diese Liegenschaftsanteile nicht im Vermögensbekenntnis angeführt. Sie hat dies aufgrund der psychischen Belastung durch das gegenständliche Verfahren vergessen . ( bekämpfte Feststellung [F2] )
Rechtlich erwog das Erstgericht, die Verfahrensführung sei weder mutwillig noch offenbar aussichtslos, weil das erstinstanzliche Urteil auch noch nicht rechtskräftig sei. Die unvollständigen Angaben der Klägerin im Vermögensbekenntnis seien in der Folge aufgeklärt worden.
Die festgestellte Einkommens- und Vermögenssituation der Klägerin würde durchaus die Bewilligung der Teilverfahrenshilfe im bewilligten Umfang rechtfertigen. Ausgehend vom Exisitenzminimum und den festgestellten Lebenshaltungskosten sei durch die nunmehr in Folge der Streitwertfestsetzung vorzuschreibende (weitere) Pauschalgebühr unzweifelhaft der notwendige Unterhalt der Klägerin beeinträchtigt. Eine Veräußerung oder Belastung des Liegenschaftseigentums sei angesichts dessen, dass es sich um landwirtschaftliche und damit nicht sehr werthaltige Flächen und im Übrigen sehr geringe Anteile handle, nicht zuzumuten. Der Klägerin sei allerdings zumindest ein Drittel der Aufwendung ihrer Eltern zuzurechnen und stehe ihr das auf dem Sparkonto befindliche Geld jederzeit zur Verfügung. Da Sparguthaben einerseits nicht zu Lasten der Allgemeinheit geschont werden dürften, aber anderseits eine angemessene Rücklage der Klägerin verbleiben solle, sei ausgehend davon, dass die nunmehr fällig werdende ergänzende Pauschalgebühr sich auf über EUR 15.000,-- belaufe, der Klägerin jedenfalls die Tragung rund der Hälfte, sohin von EUR 7.500,00 zumutbar, hingegen darüber hinausgehend die Verfahrenshilfe zu bewilligen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten aus den Gründen der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss im Sinne einer Antragsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin und die Revisorin beteiligten sich nicht am Rekursverfahren.
2.2. Die Pauschalgebühr bei einem Streitwert von EUR 1.000.000,-- beträgt EUR 18.964,--. Einen Betrag von EUR 792,-- hat die Klägerin bereits entrichtet, sodass die Nachforderung (vgl Dokalik/Schuster, Gerichtsgebühren 14 § 18 Anm 5) EUR 18.172,-- beträgt. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes beeinträchtigt die Entrichtung dieses Betrag den notwendigen Unterhalt der Klägerin schon deshalb nicht, da sie immerhin über Barvermögen von (über) EUR 30.000,-- verfügt. Nach Bezahlung der Pauschalgebühr würde ihr daher ein Restbetrag von rund EUR 12.000,-- verbleiben.
2.3. Nach einhelliger Auffassung ist eine Partei, die die Bewilligung der Verfahrenshilfe anstrebt, verpflichtet, ihre Vermögenssubstanz durch Verwertung oder Belehnung anzugreifen, sofern dies im Einzelfall nicht unzumutbar ist ( Schindler in Kodek/Oberhammer,ZPO-ON § 63 ZPO Rz 5). Geringfügige und angemessene Rücklagen in Form von Sparguthaben stehen der Bewilligung der Verfahrenshilfe im Regelfall nicht entgegen, wohl muss aber die Substanz eines Vermögens dann herangezogen werden, wenn es sich um ein namhaftes Barvermögen handelt, das sofort flüssig gemacht werden kann (MietSlg 57.619; EFSlg 105.647; EFSlg 111.960; SVSlg 52.512). Die Höhe der angemessenen Rücklage lässt sich nicht allgemein festlegen, kommt es doch stets auf den konkreten Einzelfall an. Richtig skizziert der Rekurs jedoch, dass in der Judikatur im Regelfall Rücklagen von mehr als EUR 6.500,-- nicht mehr als geringfügig angesehen wurden (zB EFSlg 169.220, Entscheidung im Jahr 2021; EFSlg 164.006, Entscheidung im Jahr 2020; EFSlg 155.027, Entscheidung im Jahr 2017). Im Hinblick darauf ist eine Rücklage von über EUR 12.000,-- keinesfalls mehr als geringfügig anzusehen, sodass es der Klägerin ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhaltes möglich wäre, die gesamte Nachforderung der Pauschalgebühr zu leisten. Die festgestellten Schulden stehen dem nicht entgegen, weil Verbindlichkeiten bei der Beurteilung der Voraussetzungen der Verfahrenshilfe nur dann beachtlich sind, wenn auch Rückzahlungen geleistet werden (EFSlg 124.786). Derartiges hat die Klägerin aber gar nicht behauptet (vgl S 7 in ON 27.2.) und wurde vom Erstgericht auch nicht festgestellt.
Dem Rekurs war daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluss im Sinn einer gänzlichen Abweisung des Vefahrenshilfeantrags abzuändern. Auf die weiteren rechtlichen Argumente des Rekurswerbers ist damit nicht mehr einzugehen.
3. Ein Kostenersatz findet in Verfahrenshilfesachen
nicht statt (§ 72 Abs 3 ZPO).
4.Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.
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