Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung der A*in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 1. Oktober 2025, GZ **-88.1, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die vorläufige Unterbringung der A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum wird aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 431 Abs 1 iVm § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO fortgesetzt .
Die Wirksamkeit dieses Beschlusses ist durch eine Unterbringsfrist nicht mehr begrenzt (§ 175 Abs 5 erster Halbsatz StPO).
B e g r ü n d u n g :
Über die am ** in ** geborene österreichische Staatsbürgerin A* wurde nach deren Festnahme am 10. Juli 2025 mit Beschluss vom 11. Juli 2025 (ON 43) die Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts der Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB, der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB sowie des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB aus den Haftgründen der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und d StPO verhängt und nach Durchführung von Haftprüfungsverhandlungen mit Beschluss vom 17. Juli 2025 (ON 51) fortgesetzt und mit Beschluss vom 21. Juli 2025 (ON 56), rechtskräftig mit Entscheidung des OLG Wien vom 6. August 2025 (ON 70), in eine vorläufige Unterbringung gemäß § 431 StPO umgewandelt.
Am 22. August 2025 brachte die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau einen in Rechtskraft erwachsenen Antrag auf Unterbringung von A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ein (ON 74).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss ON 88.1 vom 1. Oktober 2025 setzte die Erstrichterin nach Durchführung einer Haftprüfungsverhandlung infolge zweier Enthaftungsanträge der Untergebrachten (ON 82 und ON 83) die vorläufige Unterbringung aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO mit unbefristeter Wirksamkeit fort.
In der sogleich nach Beschlussverkündung erhobenen (ON 88,4) und zu ON 90.2 fristgerecht ausgeführten Beschwerde moniert A* das Fehlen bzw den Wegfall der Unterbringungsvoraussetzungen, da die Betroffene mittlerweile medikamentös behandelt werde und sich ihr Zustand dadurch so weit verbessert habe, dass von ihr keine Gefahr mehr ausgehe. Sie habe seit ihrer Festnahme keinen Kontakt mehr zu den Opfern und erhalte auch keine diesbezüglichen „ Aufforderungen “ mehr. Sie habe in der Haftprüfungsverhandlung auch glaubhaft versichert, den Wohnort der Opfer nicht mehr aufzusuchen und allfällige Verpflichtungen einhalten zu wollen. Es liege aufgrund dieser eingetretenen Besserung ihres Zustandes daher „ weder ein dringender Tatverdacht noch der vom Gericht angenommene Haftgrund der Tatbegehungsgefahr“ vor und sei die Haft mittlerweile auch unverhältnismäßig. Schließlich wird das Fehlen eigener Feststellungen zur subjektiven Tatseite als Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO kritisiert, da die bloße Wiedergabe der OLG-Entscheidung die eigene Auseinandersetzung und Feststellung durch das Erstgericht nicht ersetze. Die Untergebrachte beantrage daher ihre Enthaftung allenfalls gegen gelindere Mittel/Anordnung von Bedingungen nach § 157c StVG, in eventu „ Beschlussaufhebung und Zurückverweisung “.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Zu den rechtlichen Voraussetzungen einer (vorläufigen) Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Vorentscheidung des OLG Wien zu AZ 18 Bs 200/25f (ON 70, Seite 4 bis 8) verwiesen.
Vorliegend besteht unverändert der als dringend eingestufte Verdacht, A* habe unter dem maßgeblichen Einfluss einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung (§ 11 StGB), nämlich einer schizoaffektiven Störung mit ausgeprägter Wahnbildung und Antriebssteigerung, in ** B* C* dadurch an ihrer Gesundheit geschädigt und, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung und zwar eine schwere Anpassungsstörung (F 43.2) herbeigeführt, dass sie seit dem 4. März 2025 bis zu ihrer Festnahme am 10. Juli 2025 D* und B* C* sowie deren Kinder E* und F* C* widerrechtlich in einer Weise beharrlich verfolgt hat, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, und zwar indem sie eine längere Zeit hindurch fortgesetzt ihre räumliche Nähe, insbesondere auch ihren Wohnort, aufsuchte (ab 21. Mai 2025 auch entgegen der einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Krems zu AZ **) und indem sie D* C* am 9. Juli 2025 und B* C* am 15. Juni 2025 gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem sie jeweils mit ihren Fingern über ihren Hals strich und so eine Geste des „ Hals-Abschneidens “ zeigte,
sohin eine Tat begangen, die mit mehr als einem Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht ist, und die ihr, wäre sie im Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (sowie damit idealkonkurrierend [vgl RIS-Justiz RS0131928] die Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und 2 Z 1 StGB sowie die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB) zuzurechnen wäre,
wobei zu befürchten ist, dass die Betroffene nach ihrer Person, nach ihrem Zustand und nach der Art der Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss ihrer psychischen Störung eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde, nämlich gegen Leib und Leben gerichtete Straftaten wie zB (qualifizierte) gefährliche Drohungen oder auch physische Angriffe, die schwere Körperverletzungen/Gesundheitsschädigungen zur Folge haben.
In subjektiver Hinsicht ist A* qualifiziert verdächtig – hätte sie mit dem Bewusstsein und der Einsicht eines geistig gesunden Menschen gehandelt – sie habe es zumindest ernsthaft für möglich gehalten und sich damit abgefunden B* C* durch die genannten Handlungen schwer an der Gesundheit zu schädigen.
Zur Begründung der objektiven und subjektiven Tatseite und den Unterbringungsvoraussetzungen wird neuerlich auf die zuvor zitierte OLG-Entscheidung ON 70 (Seiten 8 bis 12) verwiesen.
Vermeintlich erneut fehlende Feststellungen zur subjektiven Tatseite im erstgerichtlichen Beschluss (siehe Seite 3 der Beschwerde) wurden (noch) ausreichend durch Zitierung der entsprechenden Passagen aus der OLG-Entscheidung getroffen und begründet (siehe BS 4 f iVm BS 3 dritter Absatz).
Maßgebliche Änderungen des Zustands der Betroffenen sind zwischenzeitig nicht eingetreten:
Tatsächlich lässt sich dem erstgerichtlichen Akt entnehmen, dass Frau A* am 28. Juli 2025 als Passantin in das Forensisch-Therapeutische Zentrum (FTZ) Asten verlegt wurde (ON 65), nachdem der bestellte Sachverständige Dr. G* dringend ihre Behandlung in einer psychiatrischen Einrichtung empfohlen hatte (ON 52.2; ON 55). Laut Stellungnahme des FTZ Asten ON 89.2 sei sie damals akut maniform psychotisch gewesen und habe trotz (im Beisein der Einsatzgruppe) zweimaliger Verabreichung von Depotmedikationen keine Besserung erzielt werden können. Vielmalige Versuche zur Etablierung einer oralen Medikation seien ebenso erfolglos geblieben. Letztlich habe die Betroffene am 14. August 2025 in stationäre Spitalsbehandlung an das H* Universitätsklinikum überstellt werden müssen, wo sich der Zustand laut telefonischer Auskunft leidlich, aber nicht durchschlagend, gebessert habe.
Nach der vom Beschwerdegericht ex offo eingeholten direkten Auskunft des H* Universitätsklinikums, Abteilung **, OA Dr.in I*, vom 7. Oktober 2025 (ON 4) werde die bei Frau A* diagnostizierte paranoide Schizophrenie (F20.0) aktuell mit Haldol (5 mg) und Zyprexa Velotab (10 mg) behandelt, Temesta werde verweigert. Die Agitation der Patientin sei seit der Aufnahme minimal abgeklungen, sie sei aber weiter angetrieben und sehr logorrhoisch, könne im Redefluss nicht unterbrochen werden. Der Duktus sei inkohärent, eingeengt auf ihre Entlassung. Die inhaltlichen Denkstörungen seien gleich bestehend wie bei der Aufnahme, es bestünden weiter paranoide Ideen, sie sei mit dem Mann (Opfer) verheiratet etc. Sie sei auch fixiert auf einen anderen Anwalt, bei dem eine schon entlassene Sekretärin arbeiten würde. Krankheitseinsicht bestehe nicht, daraus folgend auch keine Behandlungseinsicht. Die antipsychotische Medikation werde nur unter starker Motivation des Pflegepersonals genommen, die sedierende Medikation verweigert. Eine Depotmedikation werde strikt abgelehnt. Delikteinsicht bestehe nicht, dieses werde negiert. Nach der Entlassung werde sie sicherlich keine ambulante Betreuung mit Einnahme der Medikation akzeptieren. Diese sei auch bisher immer abgelehnt worden, da vom Vater bereits mehrfach dringend eine psychiatrische Behandlung empfohlen worden sei (ON 4).
Die vorläufig Untergebrachte führte in ihrer Äußerung vom 10. Oktober 2025 (ON 7.1 samt Beilage ON 7.3) zu den Berichten ON 65 (im Hv-Akt) und ON 4 aus, bei OA Dr.in I* handle es sich nicht um die behandelnde Ärztin und seien deren Angaben zu Medikation und Krankheitseinsicht zudem auch unzutreffend. Tatsächlich nehme sie ihre Medikation sehr wohl freiwillig ein und habe seitdem auch die Besserung ihres Gesundheitszustandes selbst erkannt. Die vorhandenen Stimmen („s tille Sprache “) hätten deutlich zurückgedrängt werden können. Krankheitseinsicht sei insoweit gegeben, als ihr nun klar sei, dass sie die Opfer lediglich wegen der falschen Informationen vermittelnden „ Stimmen “ aufgesucht habe. Die Verweigerung eines Medikaments sei aufgrund ihrer schlechten Nierenwerte erfolgt. Sie könne sich auch vorstellen eine ambulante Therapie zu machen und verordnete Medikamente regelmäßig einzunehmen.
Diese – auf den Angaben der vorläufig Untergebrachten selbst basierenden - Ausführungen sind nicht geeignet den schlüssigen und nachvollziehbaren fachärztlichen Bericht des H* Universitätsklinikums in Frage zu stellen.
Zusammengefasst lässt sich somit konstatieren, dass durch die verabreichte Medikation mittlerweile zwar eine geringgradige Besserung des Zustandsbildes bei Frau A* eingetreten ist (und damit einhergehend zum Rückgang einiger Symptome), jedoch kann die seit langem bestehende, schwere psychische Erkrankung aktuell weder als nachhaltig medikamentös beherrschbar noch als geheilt angesehen werden. Es besteht nach wie vor die konkrete Gefahr, dass Frau A* auf freiem Fuße die ambulante Therapie samt Medikation in kürzester Zeit abbrechen und nach Wiederaufflammen der Symptome in alte Verhaltensmuster zurückfallen werde.
Ausgehend von der dringenden Verdachtslage und der hohen Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der Einweisungsvoraussetzungen liegt auch nach wie vor der Haftgrund der Tatausführungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO vor.
Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO ist gegeben, weil die Betroffene im dringenden Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begangen zu haben und es ungeachtet des gegen sie deswegen geführten Verfahrens konkret zu befürchten ist – wie sich aus dem Gutachten vom 29. Juli 2025 (ON 67.2) ergibt - sie werde neuerlich Taten mit schweren Folgen, wie zum Beispiel schwere Körperverletzungen etwa zum Nachteil von B* C*, anderen Mitgliedern der Familie C* oder auch anderer Opfer (Polizei- und Justizwachebamten) verwirklichen.
Die vorläufige Unterbringung in einem forensisch-psychiatrischen Zentrum darf zur Bedeutung der Sache und der zu verhängenden strafrechtlichen Reaktion nicht außer Verhältnis stehen (RIS-Justiz RS0119896). Im Hinblick auf das Gewicht der Anlasstat sowie den Geisteszustand und die Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen steht der erst seit rund drei Monaten andauernden Haft/vorläufigen Unterbringung das Verhältnismäßigkeitsgebot nicht entgegen, zumal die Möglichkeit einer bedingten Nachsicht der vorbeugenden Maßnahme oder einer bedingten Entlassung nicht Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 173 Abs 1 StPO ist (vgl Kirchbacher/Rami , WK-StPO § 173 Rz 14).
Dass der Zweck der vorläufigen Unterbringung auch dadurch erreicht werden könnte, dass die Betroffene ohne eine solche behandelt oder betreut wird (§ 431 Abs 2 zweite Alternative StPO), wobei §§ 157a bis 157e StVG über die Festlegung von Bedingungen für ein vorläufiges Absehen vom Vollzug einer Unterbringung sinngemäß gelten, kann aufgrund der Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen, den aktuellen Bericht des forensisch-therapeutischen Zentrums Asten (ON 89.2 im erstgerichtlichen Akt) und den Bericht des H* Universitätsklinikums (ON 4) nicht angenommen werden. Unter Bedachtnahme auf die Intensität jener Gründe, welche die vorläufige Unterbringung rechtfertigen, im Zusammenhang mit der jahrelangen Vorgeschichte einschließlich deswegen geführter Strafverfahren (auch betreffend andere Opfer) sowie der Erlassung zweier einstweiliger Verfügungen und nicht zuletzt der nach wie vor weitgehend fehlenden Krankheits- und Behandlungseinsicht der Beschwerdeführerinkommt die Substituierung der vorläufigen Unterbringung unter Anordnung von Bedingungen iSd § 157c StVG oder andere gelindere Mittel nicht in Betracht.
Damit sind nach wie vor alle gesetzlich geforderten Einweisungsvoraussetzungen mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf Basis der bislang vorliegenden Beweisergebnisse erfüllt.
Der Beschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die vorläufige Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ist in diesem Verfahrensstadium durch keine Frist mehr begrenzt (§ 175 Abs 5 StPO).
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