Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Reden und den Richter Mag. Wessely in der Rechtssache der klagenden Partei A* , B.Sc. , MDS , **, vertreten durch MMag. Thomas Breuss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , **, vertreten durch Mag. Norbert Piech, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 5.219,- s.A., über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 720,-) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3.1.2025, ** 13, in nichtöffentlicher Sitzung
I. den
Beschluss
gefasst:
Aus Anlass der Berufung wird das Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren hinsichtlich des Betrags von EUR 720,- samt Zinsen als nichtig aufgehoben und die Klage hinsichtlich dieses Teilbetrags zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 440,59 (darin EUR 73,43 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig .
Begründung/ Entscheidungsgründe
Für das Berufungsverfahren ist zusammengefasst folgender Sachverhalt relevant:
Im Vorfeld des vorliegenden Prozesses richtete der Rechtsvertreter des C* zur Geltendmachung einer im Wesentlichen mit einem datenschutzrechtlichen Verstoß begründeten Forderung seines Mandanten ein Aufforderungsschreiben an die Beklagte, das diese zurückwies.
Vor Klagseinbringung trat C* (im Folgenden: Zedent) seine Forderung gegen die Beklagte an die Klägerin ab. Mit diesem Kauf der Forderung um EUR 1.220,- ersetzte die Klägerin dem Zedenten unter anderem auch die Rechtsanwaltskosten für das Aufforderungsschreiben von EUR 720,-.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung der ihr abgetretenen Forderung von EUR 5.219,- samt Zinsen. Der Klagsbetrag umfasste mit EUR 720,- auch die – im Berufungsverfahren allein gegenständlichen – Kosten des Aufforderungsschreibens. Zu diesem Teil des Anspruchs brachte die Klägerin vor, da der Zedent ihr die Klagsforderung verkauft habe, seien die Verfahrenskosten nicht mehr verfahrensakzessorisch, somit verselbständigt und nicht vom Einheitssatz gedeckt.
Die Beklagtebeantragte Klagsabweisung. Soweit im Berufungsverfahren relevant, wendete sie gegen die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ein, diese seien vom Einheitssatz nach § 23 RATG umfasst, woran auch die Zession nichts geändert habe.
Unabhängig davon wären diese Kosten als vorprozessuale Kosten ins Kostenverzeichnis aufzunehmen und nicht als Schadenersatz im Hauptanspruch geltend zu machen.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage zur Gänze statt. Es ging dabei von dem auf den Seiten 2 bis 4 des Ersturteils wiedergegebenen Sachverhalt aus, auf den verwiesen wird. Zu den Rechtsberatungskosten führte es – der Argumentation der Klägerin folgend – rechtlich aus, diese seien durch die Abtretung an die Klägerin nicht mehr verfahrensakzessorisch, sondern verselbständigt, daher als Schadenersatz geltend zu machen und somit ebenfalls zuzusprechen.
Die Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung wendet sich gegen den Zuspruch der Rechtsberatungskosten von EUR 720,- mit dem Abänderungsantrag auf Abweisung des Klagebegehrens auch hinsichtlich dieses Betrags samt Zinsen. Hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
I. Zu Spruchpunkt I.:
1. Auch nach Einführung des § 1333 Abs 3 ABGB stehen Kosten für außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen eines Rechtsanwalts weiterhin in Akzessorietät zum Hauptanspruch und sind weiterhin als vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis und nicht als Nebenforderung geltend zu machen. Sie können als vorprozessuale Kosten nur dann zuerkannt werden, wenn sie in das Kostenverzeichnis aufgenommen werden. Eine Wahlmöglichkeit für deren Geltendmachung besteht nicht ( Schindler/Schmoliner in Kodek/Oberhammer, ZPO ON Vor §§ 40ff ZPO Rz 18 mwN).
Nur wenn die Hauptforderung und alle von ihr abhängigen sonstigen und selbständig einklagbaren Nebenforderungen (Zinsen, Inkassokosten) vor Klagsführung zur Gänze wegfallen (zB durch Erfüllung, Verzicht, Anerkenntnis, Vergleich), so fällt damit auch die Akzessorietät der Kostenforderung weg; sie ist dann als Hauptforderung einzuklagen ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.5 mwN). Die Akzessorietät fällt somit erst dann weg, wenn der Hauptprozess nicht mehr eingeleitet werden kann.
2.Die Frage, ob die Kosten des vom Rechtsvertreter des Zedenten an die Beklagte gerichteten Aufforderungsschreibens vom Einheitssatz des § 23 RATG gedeckt sind, ist nicht entscheidungsrelevant. Wesentlich ist, dass diese Kosten dem oben (I.1.) Ausgeführten gemäß vorprozessuale Kosten sind.
Die Abtretung der betriebenen Forderung an die Klägerin hat zur Folge, dass der Kostenersatzanspruch als dessen unselbständiges Nebenrecht (auch ohne besondere Abrede) auf diese übergegangen ist. Keineswegs folgt aus der Abtretung jedoch, dass es nicht mehr zu einem Hauptprozess kommen wird (7 Ob 573/91).
Entgegen der Ansicht des Erstgerichts und der Klägerin ist folglich mit der Forderungsabtretung die Akzessorietät der Kosten des Aufforderungsschreibens zum Hauptanspruch nicht weggefallen.
3.Wie bereits ausgeführt, sind vorprozessuale Kosten bei Akzessorietät zum Hauptanspruch im Kostenverzeichnis geltend zu machen. Die Durchsetzung im streitigen Rechtsweg ist unzulässig (vgl zu einem Privatgutachten: RS0035770 [T12]).
Die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs ist in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft von Amts wegen wahrzunehmen. Eine Verletzung der Grenzen des streitigen Rechtswegs bewirkt die Nichtigkeit des Verfahrens (RS0046861). Auch ohne Geltendmachung der Nichtigkeit in der Berufung der Beklagten war das Urteil sowie das ihm vorangegangene Verfahren daher im Umfang des Teilbegehrens von EUR 720,- samt Zinsen wegen Nichtigkeit aufzuheben und die Klage in diesem Umfang zurückzuweisen.
II. Zur Berufung der Beklagten:
Dem klar formulierten Rechtsmittelantrag nach strebt die Beklagte mit ihrer Berufung (ausschließlich) die Abweisung des Teilbegehrens von EUR 720,- samt Zinsen an. Die damit begehrte Entscheidung in der Sache setzt jedoch die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs voraus. Da diese nicht gegeben ist (siehe oben), war der insoweit verfehlten Berufung nicht Folge zu geben.
Ist – wie hier – nur ein Teil eines Verfahrens nichtig, für das keine oder keine besonderen (sohin nur geringfügige iSd § 43 Abs 2 ZPO) Kosten aufgelaufen sind, so hat die Nichtigerklärung – trotz § 51 Abs 1 ZPO – keine Kostenfolgen. Das ist etwa dann der Fall, wenn nur das über ein von mehreren Begehren abgeführte Verfahren nichtig ist und der Wertanteil dieses die Nichtigkeit verursachenden Begehrens wegen seiner Geringfügigkeit keine Kosten veranlasst hat ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.203 mwN). Davon ist im vorliegenden Fall, in dem der von der Nichtigkeit erfasste Teil des Verfahrens wertmäßig lediglich 14 % der Klagsforderung betroffen hat, auszugehen. Eine den nichtigen Verfahrensteil betreffende Kostenentscheidung konnte somit unterbleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs 2 ZPO.
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