JudikaturOLG Wien

30Bs257/25a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
17. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen §§ 15, 127, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 2. September 2025, GZ **-20 (nunmehr **-20), nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die über A* verhängte Untersuchungshaft wird aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO, die durch den Erlag einer Kaution in Höhe von 3.000 Euro sowie die gelinderen Mittel nach § 173 Abs 5 Z 1 und Z 2 StPO substituierbar ist, fortgesetzt.

Text

Begründung:

Entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft Korneuburg (ON 1.2) wurde über den am 17. August 2025, 19.10 Uhr, festgenommenen (ON 2.1, 1; ON 3, 4) und am 18. August 2025, 2.50 Uhr, in die Justizanstalt Korneuburg eingelieferten (ON 3, 18), am ** geborenen A* am 19. August 2025 die Untersuchungshaft aus den Gründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO verhängt (ON 6, 6; ON 7).

Mit Strafantrag vom 5. September 2025, AZ **, lastet die Staatsanwaltschaft Korneuburg dem Angeklagten das Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach den (richtig) §§ 15, 127, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1 StGB, das Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 StGB und das Vergehen des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB an und wirft A* vor, er habe am 17. August 2025

I./ in **

a) von B* noch festzustellende fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch wegzunehmen versucht, indem er die Hauseingangstür sowie die Terrassentür ihres Hauses teils mit unbekannten Gegenständen und teils mit einem Messer aufzubrechen versuchte, um in das Hausinnere zu gelangen, wobei er ein Kabel durchschnitt, welches sich direkt neben der Eingangstür befindet, um den Alarm bzw. das Magnetschloss zu umgehen;

b) ein Tier, nämlich seinen Hund der Rasse **, durch zahlreiche Schläge roh misshandelt und diesem dadurch unnötige Qualen zugefügt, wobei der Hund vor Schmerzen winselte und auch sonstige Schmerzlaute von sich gab und er die Schläge fortsetzte, obwohl ihn die Polizei bereits mehrfach zuvor aufgefordert hatte, dies zu unterlassen;

II./ in ** die Polizeibeamten KontrInsp C* und RevInsp D* während einer Amtshandlung (§ 269 Abs 3 StGB), nämlich seiner Durchsuchung und seiner Verbringung in den Verwahrungsraum, tätlich angegriffen, indem er sie auf aggressive Weise attackierte (ON 36).

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss setzte das Erstgericht die Untersuchungshaft nach Durchführung einer Haftverhandlung aus den bisher herangezogenen Haftgründen fort.

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Verkündung erhobene (ON 19, 3), in weiterer Folge schriftlich nicht zur Darstellung gebrachte Beschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Dazu hat das Rechtsmittelgericht erwogen:

Im Rahmen der reformatorischen Beschwerdeentscheidung ist vom Vorliegen des dem Strafantrag zugrundegelegten dringenden Tatverdachts auszugehen, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen zu den Tatmodalitäten auf die Ausführungen im Strafantrag verwiesen wird. Diese ergänzend ist qualifiziert anzunehmen, dass der Angeklagte wusste, dass das gewaltsame Öffnen einer Tür zur Überwindung eines Hindernisses zur sodann mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz erfolgten Wegnahme von Wertgegenständen und deren anschließender Zueignung diente und er wollte dies auch. Weiters hielt er es zumindest ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, dass er durch die gegen das Tier gerichtete Tätlichkeit auf dessen körperliches Wohlbefinden nachteilig physisch einwirkt und ihm dadurch unnötige Qualen zufügt. Zudem wollte A* mutmaßlich in Kenntnis einer im Gange befindlichen Amtshandlung unmittelbar auf die Körper der Exekutivbeamten einwirken.

Dieser dringende Tatverdacht lässt sich schon aus den polizeilichen Erhebungen der Polizeiinspektion **, GZ: ** (ON 2.1), samt den Amtsvermerken vom 3. September 2025 (ON 32.7; ON 32.9) ableiten. Diesen folgend wurde er im Garten der B* angetroffen und konnten die Beamten ein mehrfaches brutales Einschlagen des A* auf seinen Hund wahrnehmen. Weiters schilderten die Polizisten, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Durchsuchung aggressiv wurde und die beiden attackierte. B* sagte wiederum als Zeugin vernommen aus, dass sich den Aufzeichnungen der Überwachungskamera entnehmen lasse, dass A* die Eingangstüre aufzubrechen versucht, unter Blumentöpfen und der Fußmatte nach einem Schlüssel gesucht und ein Kabel direkt neben der Eingangstür durchgeschnitten habe, um den Alarm oder das Magnetschloss zu umgehen. Weiters habe er mit diversen Gegenständen, unter anderem auch mit einem Messer, versucht, über die Terrassentür in das Haus zu kommen (ON 14.2, 4).

Damit lassen sich die ursprünglichen Depositionen des Angeklagten durchaus auch in Einklang bringen. So gestand er Schläge gegen seinen Hund zu, wenngleich er meinte, er könne ihn schlagen, wann er immer wolle (ON 2.2, 4; ON 6, 5). Weiters räumte er ein, an der Türschnalle des Wohnhauses gerüttelt und dies deshalb gemacht zu haben, weil er am Boden liegende Spielzeuge haben hätte wollen (ON 2.2, 4). Die Attacke gegen die Polizeibeamten bezeichnete er wiederum als Kurzschlussreaktion (ON 2.4, 4).

Die wenig glaubhafte Relativierung seiner Verantwortung in der Haftverhandlung (vgl ON 19, 2) vermochte keine Änderung an der gegen ihn bestehenden dringenden Verdachtslage herbeizuführen.

Aus den objektiven Beweisergebnissen kann auch zwanglos auf die subjektive Tatseite geschlossen werden, zumal der Versuch, auf verschiedene Arten in ein Wohnhaus zu gelangen, um dort (zumindest) Spielzeug an sich zu nehmen, auch das Zugeständnis der subjektiven Tatseite zu einem Wohnungseinbruchsdiebstahl beinhaltet. Darüber hinaus kann bei einem einkommens- und vermögenslosen Angeklagten (vgl ON 2.2, 2), der Schulden in Höhe von 10.000 Euro hat (ON 6, 1), zulässigerweise angenommen werden, dass er auch weitere Vermögensgegenstände an sich genommen hätte, um sich an diesen durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Zu den weiters ihm vorgeworfenen Tathandlungen liegt aufgrund der ursprünglichen Verantwortung des A* auch in subjektiver Hinsicht ansatzweise ein Geständnis vor.

Ausgehend von dem solcherart als dringend einzustufenden Tatverdacht liegt auch der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO vor. Der Angeklagte ist slowakischer Staatsangehöriger und eigenen Angaben zufolge obdachlos (ON 6, 1). Wenngleich er seine Obdachlosigkeit in der Haftverhandlung bestritt und darüber hinaus deponierte, seit fünf Jahren in ** am ** zu wohnen (ON 19, 3), ist ihm zu entgegnen, dass er dort bloß bis 8. August 2025 polizeilich gemeldet war (ON 18, 1). Dies lässt sich auch eher mit seinen weiteren Angaben in Einklang bringen, wonach er vielleicht seit sechs Monaten obdachlos sei, und zwar gleich, nachdem er die Wohnung in ** verlassen habe müssen (siehe auch ON 2.2, 3, wonach er aus der Wohnung gejagt worden sei) und er schlafe derzeit mit seiner Freundin in verschiedenen Hotels (ON 6, 5). Er behauptete zwar weiters, gemeinsam mit seiner Freundin in der gleichen Wohnung zu wohnen, was aber von E* in Abrede gestellt wurde (ON 17.2, 4). Da der Angeklagte aber auch unmittelbar vor seiner Festnahme Fluchtanstalten zeigte (vgl ON 2.1, 3), ist insgesamt zu befürchten, er werde sich auf freiem Fuß gesetzt dem Strafverfahren durch Flucht oder Verborgenhalten zu entziehen suchen.

Der vom Erstgericht auch als heranziehungswürdig angesehene Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO (vgl BS 8) ist nicht anzunehmen, weil selbst Einbruchsdiebstähle in Wohnstätten nur dann unter Berücksichtigung des hohen sozialen Störwerts als Taten mit schweren Folgen betrachtet werden können, wenn eine Beute von 5.000 Euro oder mehr realistisch erwartet werden kann ( Nimmervoll, Haftrecht 3 Rz 670). Angesichts der nicht sehr professionellen Vorgangsweise des Angeklagten kann jedoch von der beabsichtigten Erlangung entsprechend wertvoller Gegenstände nicht ausgegangen werden und beschränkt sich auch der Anklagevorwurf auf Diebsgut in einem 5.000 Euro nicht übersteigenden Wert.

Mit Blick auf die gemäß § 3 Abs 1 Z 2 iVm § 7 Abs 1 und Abs 2 TilgG erfolgte Tilgung der aus der ECRIS-Auskunft ersichtlichen Vorverurteilung (vgl ON 26) kann auch der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO nicht herangezogen werden. Es liegen nämlich deshalb und infolge fehlender Tatwiederholung keine hinreichend bestimmten Tatsachen vor, aus denen geschlossen werden könnte, A* werde gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen, zumal Tierquälerei und tätlicher Angriff gegen einen Beamten allenfalls auf den gleichen Charaktermangel zurückgeführt werden können (vgl RIS-Justiz RS0091968), jedoch bei der stets auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und der dabei zum Ausdruck kommenden Gesinnung (vgl RIS-Justiz RS0092107, RS0092047) in casu nicht dasselbe Rechtsgut betreffen. Darüber hinaus waren – nach bisheriger Aktenlage – die Folgen für den Hund überschaubar und betreffend der nicht verletzten Beamten überhaupt vernachlässigbar, sodass es auch deshalb an der erforderlichen Bestimmtheit für den Eintritt entsprechend qualifizierter Folgen mangelt.

Da gemäß § 180 Abs 1 zweiter Halbsatz StPO jedoch zwingend die ausschließlich aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr verhängte Untersuchungshaft gegen Kaution oder Bürgschaft sowie gegen Ablegung der in § 173 Abs 5 Z 1 und Z 2 StPO erwähnten Gelöbnisse aufgehoben werden muss, wenn – wie vorliegend – die dem Angeklagten angelastete Straftat mit einer fünf Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, war ausgehend von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen unter Bedachtnahme auf das Gewicht der A* angelasteten Straftaten – und nach Anhörung der Oberstaatsanwaltschaft Wien (§ 180 Abs 2 StPO) – eine Kaution in Höhe von 3.000 Euro zu bestimmen.

Eine Verdrängung der Untersuchungshaft aus dem Grunde der Fluchtgefahr kann zu deren effektiver Hintanhaltung allein durch vom Angeklagten abgelegte Gelöbnisse oder durch andere mögliche gelindere Mittel im Sinne des § 173 Abs 5 StPO nicht erfolgen.

Die nicht einmal ein Monat dauernde Untersuchungshaft erweist sich nicht als unverhältnismäßig.

Die Beschwerde musste sohin erfolglos bleiben.

Gemäß § 175 Abs 5 StPO war keine Haftfrist zu setzen.

Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).