31Bs219/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau gegen den Beschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 29. Juli 2025, GZ ** 11, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehobenund der Antrag des A* auf bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG abgewiesen .
Text
Begründung:
Der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Stein eine wegen § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB; § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG; § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG; § 50 Abs 1 Z 3 WaffG verhängte Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 22. Feber 2028. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG liegen seit 22. August 2024 vor, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 22. Oktober 2025 gegeben sein.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht dem Antrag des Strafgefangenen auf bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit ab 22. Oktober 2025 gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG statt, bestimmte die Probezeit mit drei Jahren und ordnete für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe an.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 12).
Rechtliche Beurteilung
Nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.
Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Taten, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit (vgl Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 46 Rz 15/1). Dabei ist gemäß § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eintrat, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.
Die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe soll der Regelfall und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallsrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben ( Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 17).
Im konkreten Fall ist zunächst festzuhalten, dass die vollzugsgegenständliche Verurteilung überwiegend wegen Einfuhr von Suchtgift, und zwar insgesamt rund 300 Gramm Kokain, 550 Gramm Heroin und 50 Gramm Methamphetamin mit jeweils sehr hohem Wirkstoffgehalt sowie Weiterverkauf eines Teiles des Suchtgiftes erfolgte (Urteil des Landesgerichtes Wels vom 10. September 2021, AZ **). Doch bereits damals hatte der Strafgefangene ein erheblich getrübtes Vorleben aufgewiesen. A* war zuvor nämlich dreizehnmal (einmal davon unter Anwendung der §§ 31, 40 StGB) in Österreich und Deutschland überwiegend wegen Suchtmittel und Gewaltdelikten verurteilt worden, wobei weder Geldstrafen noch bedingte und unbedingte Freiheitsstrafen ihn von teilweise sehr raschem Rückfall abhalten konnten. Auch die zweimalige Beigebung eines Bewährungshelfers konnte ihn bis zur letzten Verurteilung im Jahr 2005 nicht von weiteren strafbaren Handlungen abhalten (zu alldem Strafregisterauskunft ON 4).
Der Strafgefangene verweist zwar zutreffend darauf, dass er nach 2005 über einen langen Zeitraum nicht straffällig geworden war (ON 10, 2). Doch übersieht seine Behauptung, dass bis 2023 „nichts passiert“ sei, den Umstand, dass die erste dem nunmehrigen Strafvollzug zugrundeliegende Tat bereits Anfang 2018 gesetzt wurde (Punkt 1.3 des genannten Urteils). Da die zuletzt im Jahr 2005 über A* verhängte Strafe (Kombination aus bedingter Freiheitsstrafe und unbedingter Geldstrafe) erst mit Zahlung der Geldstrafe im Jänner 2009 als vollzogen gilt, wurde A* bei richtiger Betrachtung nicht erst nach achtzehn Jahren, sondern bereits nach neun Jahren wieder rückfällig, und zwar in enorm gesteigerter Intensität.
Im Übrigen sind die vom Erstgericht angenommenen geänderten Umstände bloß aufgrund der nunmehr erstmaligen Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe nicht gegeben. Der Strafgefangene behauptet zwar, seit Dezember 2021 drogenfrei zu sein (ON 10, 2), weshalb er auch jegliche therapeutische Maßnahme in der Justizanstalt Stein verweigerte (ON 7.1), doch hat A* auch nach dem von ihm genannten Zeitpunkt der Drogenfreiheit in der Strafhaft dreimal einen Harntest verweigert (ON 6.1, 1 f), was entgegen der Ansicht des Erstgerichtes seine Angaben zur Drogenfreiheit äußerst unglaubwürdig erscheinen lässt. Zudem wurde der Strafgefangene bislang auch nicht in den vorzeitigen Entlassungsvollzug überstellt und es wurden ihm auch keine Vollzugslockerungen in Form von unbewachten Aufenthalten außerhalb der Anstalt gewährt oder in Aussicht gestellt (ON 3, 2).
Insgesamt stehen daher einer bedingten Entlassung auch nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftzeit nach wie vor massive spezialpräventive Bedenken entgegen. Hinzu kommt, dass eine Wohnmöglichkeit bei den Eltern zwar (sinngemäß) bescheinigt (ON 2, 3), das Vorhandensein einer Aussicht auf einen Arbeitsplatz aber bloß unbescheinigt behauptet wurde (ON 2, 1; ON 10, 2).
All den genannten negativen Prognosefaktoren kann der Strafgefangene keine wesentlichen, für ihn positiven Umstände entgegenhalten. In Hinblick darauf erscheinen derzeit auch unterstützende Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB spezialpräventiv nicht ausreichend.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.